Es ist eine interessante Dynamik, die sich derzeit in der Getränkeindustrie entwickelt. Unternehmen, die sich bisher hauptsächlich mit Wasser, Zucker und alternativen Süßmitteln beschäftigt haben, fangen an, sich für den weltweit boomenden Markt der pflanzlichen Milchalternativen zu interessieren. Getränke aus Soja, Hafer oder Mandeln sind alles andere als neu (Die Gründung von bekannten Unternehmen wie Oatly aus Schweden oder Alpro aus Belgien gehen auf die frühen 1980er Jahre zurück). Allerdings nimmt die Nachfrage nach entsprechenden Produkten an Fahrt auf. Wie bedeutend der Markt ist, wurde zuletzt 2016 deutlich, als Danone stolze 12,6 Milliarden Euro für den amerikanischen Hersteller Whitewave Foods bezahlte. Teil des Deals waren auch Marken wie Provamel und Alpro. Allein dieser Hersteller erwirtschaftete in Europa zuletzt einen Umsatz von 560 Millionen Euro. Stark Nachgefragt werden vor allem Mandel, Hafer und Reis. Der Klassiker Soja ist out (siehe Grafik Seite 62). „Der Markt hat in den letzten 40 Jahren kontinuierlich an Popularität gewonnen und bewegt sich von der Nische zum Mainstream“, sagt Marek Sumila, Commercial Director D-A-CH bei Alpro. Die nächste Generation der Konsumenten würde Gesundheit nicht mehr nur mit dem verbinden, was wir NICHT essen; es geht darum WAS wir essen.
„Gekühlte Pflanzendrinks sind in Deutschland unterrepräsentiert.“
Franz Bruckner, Innocent Alps
Auch im deutschen Lebensmittel-Einzelhandel bewegt sich etwas
Nach Nielsen lag der deutschlandweite Umsatz mit „Pflanzenmilch“ in 2018 im Lebensmittelhandel und den Drogeriemärkten bei rund 235 Millionen Euro. Pflanzenbasierte Produkte könnten laut den Marktforschern schon bald die Hälfte des Milchmix-Marktes ausmachen. Die Zahlen werden von Händlern bestätigt: „Das Segment der Milchalternativen entwickelt sich bei uns hervorragend, wir verzeichnen Wachstumsraten von über 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr“, sagt beispielsweise Frank Ebrecht, Geschäftsführer von Edeka Niemerszein in Hamburg. Treiber seien vor allem der Marktführer Alpro, die Eigenmarke Edeka Bio und Alnatura, aber auch hochpreisige Artikel von Oatly. „Wir gehen davon aus, dass das Wachstum auch durch den Markteintritt von jungen Marken wie Innocent anhält und neue Verwender gewonnen werden“, so Ebrecht. Der Grund für die Entwicklung? Die veganen Getränke gelten als gesund, tierfreundlich und ökologisch. Das weckt Begehrlichkeiten, auch bei Playern, die mit dem Segment bislang eher wenig zu tun hatten. So gab Coca-Cola im vergangenen Jahr bekannt, die argentinische Marke Adez (früher Unilever) in insgesamt 18 europäischen Ländern auf den Markt zu bringen. Die Einführung hier zu Lande umfasst zunächst nur zwei Varianten: „Magic Mandel Mango & Passionsfrucht“ und „Happy Hafer Erdbeere & Banane“ jeweils in der 250-Milliliter-PET-Flasche. Auf Nachfrage gab der Getränke-Multi bekannt, dass die Distribution von Adez voranschreite und die Marke ab der achten Kalenderwoche bei Rewe präsent sein wird. Zusätzlich soll die Distribution an Tankstellen und Kiosken und an Bäckereien in größeren Städten ausgebaut werden.
„Dieser Markt bewegt sich von der Nische zum Mainstream.“
Marek Sumila, Alpro
Konkurrenz im eigenen Haus?
Überraschend ist, dass mit dem Smoothie-Hersteller Innocent jetzt auch eine Coke-Tochter auf den Markt drängt. Innocent Alps Geschäftsführer Franz Bruckner sieht allerdings keine Gefahr für eine Kannibalisierung. Die Innocent Pflanzendrinks kämen in der 750-Milliliter-Flasche und ließen sich mit Müsli, Porridge oder in Pfannkuchen genießen. Dagegen seien die Produkte von Adez pflanzenbasierte Fruchtmix-Getränke für den Unterwegsverzehr. Einen entscheidenden Vorteil sieht Bruckner durch die Platzierung in der Kühlung, direkt neben den eigenen Smoothies. „Gekühlte Pflanzendrinks sind in Deutschland absolut unterrepräsentiert. Lediglich drei Prozent der Produkte sind hier zu Lande im Kühlregal zu finden, dieser Anteil liegt in UK bei bereits 43 Prozent“, weiß Bruckner. Dass dieser Bedarf auch real in Deutschland existiert, zeige die Innocent-Listung bei Rewe seit Ende 2018. Bereits im Dezember konnte das Unternehmen einen Marktanteil von 44 Prozent am Umsatz in der Kategorie der gekühlten Pflanzendrinks erzielen. „In den nächsten Jahren erwarten wir einen deutlichen Zuwachs im Kühlregal“, so Bruckner. Allerdings ist der Platz hier bei fast allen Getränkeherstellern hoch begehrt und dadurch stark begrenzt. Ab März sollen die Pflanzendrinks in den Sorten Hafer, Mandel sowie Haselnuss & Reis dann auch bei anderen Handelspartner verfügbar sein. Dafür plane man derzeit eine TV- und Plakat-Kampagne in den sechs großen Städten. Damit greift der Smoothie-Hersteller den Marktführer Alpro direkt an.
„Wir gehen davon aus, dass die Kategorie ‚Plant Based‘ auch in Zukunft weiter zulegen wird.“
Thomas Kohlmorgen, Coca-Cola European Partners
Marktführer Alpro wird Kühlregal nicht kampflos aufgeben
Dieser reagiert: Kaum zwei Monate nachdem Innocent den Start in das Rewe-Kühlregal angekündigt hatte, verkündet Alpro ebenfalls eine Neuheit in der Kühlung: Alpro Caffè To-Go. In der Kategorie „Coffee-To-Go“ liegt der Umsatz in Westeuropa laut dem Unternehmen in 2017 bei einer Milliarde Euro. Die Wachstumsprognose bis 2022 zeigt ein Plus von 36 Prozent. Die große Nachfrage spiegelt sich auch im breiten Angebot von Kaffee-Zubereitungen aus dem Kühlregal wider. „Für anspruchsvolle Kaffeegenießer auf der Suche nach einem intensiven Geschmackserlebnis fehlte es jedoch bisher an einer breiten pflanzlichen Auswahl“, heißt es beim Marktführer für pflanzliche Alternativen. Die Sorten: Soya Karamell, Kokosnuss, Mandel und Hafer für „einen Kaffee-Kick in Kombination mit passend ausgewählten pflanzlichen Drinks“ (Alpro). Der Kaffeeanteil soll bei über 50 Prozent liegen. Dafür sind nur 4,9 Gramm Zucker pro 100 Milliliter enthalten – angeblich rund 35 Prozent weniger als bei den meisten Vergleichsprodukten.
„Wir verzeichnen Wachstumsraten von über 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.“
Frank Ebrecht, Edeka Niemerszein
Wachstum durch Innovationen und Out-of-Home-Konsum
„In den letzten zwölf Monaten haben wir eine regelrechte Explosion an pflanzlichen Innovationen gesehen, was darauf einzahlt, was die pflanzliche Kategorie ist und sein sollte: eine breite Vielfalt an Geschmack und Zutaten“, sagt Marek Sumila von Alpro. Auch im Lebensmittel-Einzelhandel (LEH) sei noch viel Wachstumspotenzial möglich. Dieses könne laut Sumila durch immer neue Innovationen als auch den Ausbau neuer Vertriebsschienen generiert werden. „Beispielsweise im Out-of-home oder On-the-Go Bereich und auch in Kanälen, wie Großhändlern oder Convenience Stores, die bisher nur ein sehr geringes Angebot an pflanzlichen Nahrungsmitteln und Getränken bieten“, so Sumila. Im Wettbewerb mit Coca-Cola, Innocent sowie Drinkstar und anderen sieht sich Sumila vor allem durch die lange Tradition seines Unternehmens im Vorteil: „Wir bei Alpro stellen seit fast 40 Jahren pflanzliche Produkte her, die gut für den Menschen und unseren Planeten sind.“
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