Wir erwarten von der Politik, dass das Geld für den Umbau möglichst bürokratiearm in der Landwirtschaft ankommt und nur solche Betriebe gefördert werden, die nachhaltig und zukunftsfähig wirtschaften“, sagt Dr. Julia Adou, zuständig für Nachhaltigkeit bei Aldi Süd. Gemeinsam mit Alexander Liedke, Einkaufsleiter CSR bei Lidl, stellt sie sich beim 32. Deutschen Fleischkongress der Podiumsdiskussion „Der Kunde is(s)t anders – das beschäftigt den Discount“. Die Umsetzung der Transformation bis 2030 schreite schneller voran als erwartet, so Adou. Bezogen auf den Umsatz stamme aktuell fast die Hälfte des Frischfleischs aus tierwohlgerechter Erzeugung. „Die Befürchtungen, dass die Kunden diesen Weg nicht mitgehen und wir einen harten Kampf erleben, hat sich zum Glück nicht bestätigt.“
Service muss bezahlbar bleiben
Wie kann der Vollsortimenter trotz Personalmangel guten Service an den Bedienungstheken bieten? Bei der Diskussion kommen drei Praktiker zu Wort, die schon ihr ganzes Berufsleben lang die Theke im Blick haben: Christian Lamboley, Vertriebsleiter Edeka Kunzler, Daniel Schulz, Inhaber Edeka E-Center Schulz in Unna, und Franz Sander, Abteilungsleiter Service bei Rewe Kramer in Recklinghausen. Wichtige Frage: Wie viele Stunden am Tag soll und muss man die Theke öffnen? (Bericht in LP-Ausgabe 5/24.)
Die nationalen Besonderheiten der Warengruppe Fleisch stellt Dr. Josef Efken, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Thünen-Institut, anschaulich vor. Schweinefleisch gehört zu den großen Verlierern der aktuellen Situation. Im Gegensatz dazu hat der Wert von Geflügelfleisch in den letzten Jahren zugenommen. Er weist auch darauf hin, dass der Markt für Fleischersatzprodukte „einen leichten Dämpfer“ erhalten habe: „Ich habe den Eindruck, dass die Fleischersatzprodukte jetzt in der Realität angekommen sind.“ Fleisch in Selbstbedienung hat gewonnen, so Efken: Von 2017 bis 2022 hat der Anteil sowohl mengen- als auch wertmäßig zugenommen, während Thekenware an Bedeutung verloren hat.
Über den Tellerrand hinaus blicken zwei Wissenschaftlerinnen: Laura Gertenbach und Florentine Zieglowski arbeiten seit Jahren am Thema „In-vitro-Fleisch“, also Fleisch, das im Labor gezüchtet wird (Fachbegriff: Cultivated Meat). Um es vorwegzunehmen: Noch ist solches Fleisch nicht in Deutschland erhältlich, erst einmal muss es zugelassen werden. Allerdings ist die praktische Umsetzung noch nicht so weit, dass ein Marktteilnehmer überhaupt eine Zulassung beantragt hat. Und bis der Antrag bewilligt ist, so die Wissenschaftlerinnen, dürften noch rund drei Jahre ins Land gehen. Laura Gertenbach, Geschäftsführerin Innocent Meat, arbeitet und forscht am Standort Rostock, direkt auf dem Uni-Campus. Florentine Zieglowski vertritt Respect Farms in den Niederlanden. Das Unternehmen will künftig Cultivated Meat dezentral auf Bauernhöfen herstellen.
Auch wenn das Fleisch aus dem Labor noch viele Hürden überwinden muss, bevor es Einzug in unseren Alltag hält, hat es doch Potenzial: Wissenschaftler sehen darin die Möglichkeit, die wachsende Weltbevölkerung satt zu bekommen.
Die Kongressteilnehmer sind sich einig: Die Fleisch- und Wurstbedienungstheke ist für die Vollsortimenter unersetzlich, wenn sie im Wettbewerb mit den Discountern bestehen wollen. Nur hier haben sie Gelegenheit, sich zu profilieren: den Kunden mit Freundlichkeit und Serviceleistungen an die eigene Verkaufsstätte zu binden.
Den neun nominierten Thekenteams gelingt es nicht nur, Personal zu rekrutieren, sondern die Mitarbeiter auch längerfristig zu halten. Ausschlaggebend ist das Führungspersonal, das die Thekenmannschaft zusammenhält und anleitet.
Teamspirit und Freudentränen
Dieser Teamspirit kommt bei der Preisverleihung am Abend deutlich zum Vorschein. Als das Moderatoren-Duo Heidrun Mittler und Reiner Mihr die Preisträger verkündet, nimmt der Jubel kein Ende. Auch die übrigen Nominierten, die es nicht ganz nach oben aufs Treppchen geschafft haben, strahlen nach einigen Sekunden der Enttäuschung wieder: Sie sind zu Recht stolz darauf, unter den besten Märkten des Landes zu sein.
Zur Zukunft der Bedienungstheken gehört selbstredend gut ausgebildeter Nachwuchs. Schon die Präsentation der sechs Finalisten am Nachmittag sorgt für Furore, frei nach dem Motto: „So tolle junge Menschen brauchen wir auch bei uns im Betrieb.“ Abends prämieren Mittler und Mihr die Preisträger: Jacob Bartz und Hashini Warnakulasuriya. Alle sechs lassen sich am Abend kräftig feiern.
Der Abend findet einen stimmungsvollen Ausklang beim Abendessen im Staatsgästetrakt auf dem Petersberg bei Bonn. Anschließend feiern die Gäste bei der „Langen Nacht der Fleischwirtschaft“.