Im Gespräch Meilenstein für Tegut

Tegut hat die Bio-Supermarktkette Basic übernommen und flaggt derzeit 19 Märkte um. Eine Herausforderung.

Mittwoch, 28. Februar 2024 - Management
Hedda Thielking
Artikelbild Meilenstein für Tegut
Bildquelle: tegut

Der Bio-Anteil am Tegut-Gesamtumsatz ist 2023 erneut im Vergleich zum Vorjahr gesunken. Worauf ist das Minus konkret zurückzuführen?
Thomas Gutberlet:
Wir haben nicht weniger Bio-Ware in Menge verkauft. Aber die Konsumenten haben weiterhin stärker zu günstigeren Bio-Produkten gegriffen. Man muss dazu sehen, dass die Inflation bei konventionellen Produkten höher ausfiel als im Bio-Segment, somit verschieben sich Umsatz-Anteile. Auch wurde insgesamt weniger Frische gekauft, also die Sortimente, in denen wir einen großen Fokus auf Bio legen.

Wie steuern Sie gegen und kurbeln den Bio-Absatz an?
Wir haben vor zwei bis zweieinhalb Jahren die Entscheidung getroffen, die Preiseinstiegsmarke Bio zum kleinen Preis einzuführen. Der Schritt kam rückblickend zur rechten Zeit. Wir werden das Angebot ausbauen und sprechen dazu mit weiteren Herstellern. Dass Bio aktuell im günstigeren Bereich wächst, getrieben von den Discountern, bedeutet, dass das Öko-Segment stärker die breite Masse erreicht. Jetzt gilt es, Menschen, die Bio über den günstigen Preis kennengelernt haben, weiter zu begeistern und die Spitze wieder zu stärken. Wir möchten die Attraktivität der Bio-Sortimente erhöhen. Wir arbeiten daran, wie wir beispielsweise ein asiatisches Bio-Sortiment abbilden können. Auch Obst und Gemüse muss wieder gestärkt werden.

Wie bedeutend ist Bio beim Format Teo?
Bei Teo sind wir naturgemäß räumlich limitiert und können nicht x Varianten jedes Artikels anbieten. So gibt es bei Teo zum Beispiel nur eine Banane und die ist io. Auch bei anderen Produkten haben wir zum Teil nur die Bio-Variante im Angebot. Beim schnellen Einkauf ist es dem Kunden im Grunde gleich, ob er die Auswahl hat.

Welche Rolle spielen Bio-Angebote in der Kooperation mit Amazon?
Eine extrem starke Rolle. Generell kaufen Kunden von Liefer- und Abholdiensten mehr Bio. Auch beim Lebensmitteleinkauf via Amazon sind die Bio-Anteile überdurchschnittlich. Wenn der Bio-Anteil am Bon im stationären Handel im Rhein-Main-Gebiet vielleicht bei 35 Prozent liegt, dann kommt Amazon im gleichen Gebiet auf rund 40 Prozent Bio. Je nach Stadt gibt es jedoch Unterschiede.

Aktuell stellen Sie die übernommenen Basic-Märkte auf Tegut um. Wie sieht das Timing aus?
Wir sind im Plan. Bis April werden wir 17 von 19 Märkten umgestellt haben. Bei zwei Märkten nehmen wir umfangreichere Umbaumaßnahmen vor, zum Beispiel im zweistöckigen Markt in der Westenrieder Straße in München.

Wird der Bio-Anteil in den ehemaligen Basic-Märkten höher liegen als in den klassischen Tegut-Filialen?
Ja. Die Märkte werden auf ein hybrides Konzept umgestellt und im Schnitt auf einen Bio-Anteil von 50 Prozent am Sortiment kommen.

Mit welchen Kernelementen wollen Sie die bisherigen Bio-Fachhandelskunden überzeugen?
Obst und Gemüse wird zu 100 Prozent Bio bleiben. Wir übernehmen, wo es sich lohnt, auch die Basic-typischen gekühlten Obst- und Gemüsebereiche. Mit ihnen lassen sich Abschriften und Lebensmittelverluste reduzieren. Bei rund der Hälfte der Standorte werden SB-Backstationen von Herzberger integriert. In den restlichen Filialen setzen wir weiter auf Theken mit lokalen Bäckereien. Das ist für uns ein spannender Schritt, denn wir haben vor 20 Jahren damit begonnen, die Vorkassenbäcker zu schließen. Wir sind aber so positiv angetan von der Art und Weise, wie die Basic-Mitarbeiter die Backtheken führen, dass wir gesagt haben, wir reißen das nicht ein, sondern erhalten diese, wo es sich lohnt. Es gibt auch belegte Brötchen in 100 Prozent bio.

Wie sieht es bei den Frischebedienungstheken aus?
Fleisch und Wurst bleiben zu 100 Prozent bio. An den Käsetheken ergänzen wir das Bio-Angebot um konsumige konventionelle Sorten, um für Frequenz zu sorgen. Hier sind wir dann immer noch bei 80 Prozent bio.

Und im Trockensortiment? Natürlich integrieren Sie die Tegut-Eigenmarken, viele Bio-Markenprodukte werden konventionellen Produkten Platz machen müssen.
Die Tegut-Marken und die Marke Alnatura sind natürlich integriert. und die eigenen Bio-Marken werden natürlich eingeführt. Fachhandelsmarken wie Sonnentor und Rapunzel oder Zwergenwiese führen wir bereits. Zwei, drei andere Lieferanten werden wir jetzt zusätzlich für ganz Tegut aufnehmen.

Das heißt, aus der Basic-Übernahme ergeben sich Wachstumschancen für einzelne Fachhandelsmarken, da sie nun nicht nur die Basic-Filialen sondern auch für Tegut gesamt gelistet sind?
Das Potenzial kommt ja gerade aus den Tegut-Märkten, da diese viel größer sind. Es gibt Artikel, die nun bei Basic keinen Platz mehr finden, aber stattdessen in den großen Tegut-Märkten. Zum Beispiel verkaufen wir nun auch in den übrigen Tegut-Märkten Bio-Käse an den Theken. Ich habe den Basic-Kollegen gesagt: Ihr werdet in euren Filialen weniger Bio verkaufen. Das Entscheidende ist jedoch: Wir werden bei Tegut insgesamt mehr Bio verkaufen. Indem wir mehr Menschen ansprechen, gewinnen die Basic-Märkte an Frequenz. Ich habe den Mitarbeitern prophezeit: Ihr werdet überrascht sein, wie viele eurer Bio-Kunden auch Red Bull kaufen. Und genauso ist es an den umgebauten Standorten eingetroffen.

Die Bio-Branche hat in der Vergangenheit mit Boykott auf den Einstieg konventioneller Unternehmen reagiert. Gab es Proteste von Herstellern oder Kunden?
Es gab zwei Hersteller, die nur die Basic-Filialen beliefern wollten, aber nicht die übrigen Tegut-Filialen. Das machen wir nicht. Die Naturkosmetikmarke Dr. Hauschka zum Beispiel hat eine klare Vertriebsstrategie: Bio-Fachhandel und Apotheken. Das akzeptieren wir natürlich. Insgesamt war es viel ruhiger als befürchtet. Bei den schon umgestellten Märkten sehen die Kunden ja, dass noch immer sehr viel Bio übrig ist. Bei ganz kleinen Läden ist dies platzbedingt allerdings schwieriger. Vor allem sind die Kunden beruhigt, dass die Mitarbeiter übernommen wurden. Die Kundenbindung der Mitarbeiter ist ganz außergewöhnlich. In München wird es spannend. Wenn der Name Basic dort im Kerngebiet wegfällt, wird dies von der Kundschaft vielleicht nicht ganz so gut aufgenommen.

Gibt es in den bereits umgestellten Märkten Bereiche, die schlechter laufen?
Wir verlieren bei Kosmetik. Die Umsätze mit den exklusiven Artikeln von Dr. Hauschka fehlen. Stattdessen führen wir günstige Kosmetik-Marken, die keinen großen Beratungsaufwand erfordern. So schnell können wir die fehlenden Umsätze jedoch nicht auffangen.

Was ist mit der Produktmarke Basic, die in der Vergangenheit auch über Depot-Geschäft im LEH verfügbar war?
Die Mark haben wir mit gekauft und wollten eigentlich unbedingt etwas damit machen. Sie war jedoch sehr wild positioniert. Nach ausführlicher Analyse war klar, zwischen Bio zum kleinen Preis, Alnatura in der Mitte und Bio-Marken darüber war keine Luft mehr für die Marke Basic. Auf Alnatura können wir auch nicht verzichten. Wir können diese nicht im Tegut-Markt nebenan anbieten, nicht aber im ehemaligen Basic-Markt. Vorerst haben wir die Marke Basic daher in den Tresor gelegt.

Wo sind die größten Herausforderungen bei der Übernahme und Umflaggung?
Die Menschen mitzunehmen. Wir haben zunächst die systemtechnischen Themen bearbeitet. Jetzt gibt es warentechnische Schulungen. Wir haben sicher gestellt, dass den Basic-Mitarbeiter von Tegut-Mitarbeitern begleitet werden und die Menschen einander kennenlernen. Wir versuchen, viel zu lernen, sind gemeinsam auf der Biofach unterwegs und besuchen Lieferanten. Basic-Einkäufer haben sehr viel Erfahrungen im Sourcing.

Zur Person

Thomas Gutberlet 
ist Geschäftsführer der 
Supermarktkette Tegut, die zum Migros-Konzern gehört. 2023 erzielte Tegut 
einen Gesamtnettoumsatz von 1,28 Milliarden Euro. Der Bio-Anteil lag bei 
27,9 Prozent.