Biodiversität Vielfalt erhalten - Vielfalt erhalten: Teil 4

Insektensterben und Dürre-Sommer – Beides in den vergangenen Monaten Dauerthemen in den Medien, die ein gemeinsames Problem offenlegen: Der fortschreitende Verlust der Artenvielfalt bringt unsere Ernährungssicherheit in Gefahr. Was die Branche unternimmt, um dem entgegenzuwirken und die Biodiversität zu fördern.

Donnerstag, 13. September 2018 - Management
Bettina Röttig
Artikelbild Vielfalt erhalten - Vielfalt erhalten: Teil 4
Für mehr Sortenvielfalt: Rund 2.500 Hobby-Gärtner testeten für Tofu-Spezialist Taifun in ganz Deutschland, welche Soja-Kreuzungen in unserem Klima gedeihen.
Bildquelle: Getty Images, Edeka Nord, Rewe Group, Taifun

Inhaltsübersicht

Kampf gegen Klimawandel
Dringender Handlungsbedarf besteht bereits in den Regenwäldern Guatemalas. Hier unterstützt das UTZ-Programm der Rainforest Alliance seit 2017 kleine und mittelgroße Kaffeefarmer dabei, Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel umzusetzen. „Das Land Guatemala und die Kaffeeproduktion, eines der wirtschaftlichen Standbeine des Landes, spüren die Folgen des Klimawandels bereits sehr stark“, informiert Henriette Walz, Expertin für Klimawandel und Umweltfragen beim UTZ-Programm.

Instabile Wetterlagen mit Dürren und Überschwemmungen sowie der Temperaturanstieg beförderten Pflanzenkrankheiten wie Kaffeerost und minderten die Qualität der Kaffeebohnen. Laut Prognosen lokaler Agrar-Forschungsinstitute würden sich die Areale, die sich zum Kaffeeanbau eignen, bis zum Jahr 2050 signifikant verringern und Kaffeefarmer dazu gezwungen, den Anbau in höhere Lagen zu verlegen, wo jedoch oft indigene Gemeinschaften leben, und sich Wälder befinden, die die wichtigsten Wasserscheiden und Artenvielfalten Guatemalas beherbergen. Gemeinsam mit Fundaeco, einer guatemaltekischen NGO, und weiteren Partnern sucht die Rainforest Alliance nach Mitteln und Wegen, um die Kaffeeproduktion aufrecht zu erhalten.

Innerhalb des Projekts konnte bereits eine Kaffeesorte als besonders widerstandsfähig identifiziert werden, die ihren Ursprung in der Artenvielfalt vor Ort hat, aber viele Jahre lang nicht zum Einsatz kam und bereits fast verschwunden war. Erste Erträge werden für 2020 erwartet. Das Projekt soll zudem dafür Sorge tragen, dass die schützenswerte Biodiversität dieser Areale und die Heimat der indigenen Völker nicht gefährdet werden. Unter anderem ist das Gebiet Heimat des Jackson Salamanders, eine der zehn gefährdetsten Arten der Welt.

Glyphosat-Problem lösen
Kommen wir zurück zu unserer heimischen Landwirtschaft. Das Thema Totalherbizide beziehungsweise Glyphosat beschäftigt Handel und Hersteller immer stärker. Aktuell macht die Kapagne „Ackergifte? Nein Danke!“ insbesondere in der Bio-Community auf die Probleme von Herbiziden, Pestiziden und Insektiziden aufmerksam. Dahinter steht das „Bündnis für enkeltaugliche Landwirtschaft“, dem unter anderem die Bio-Pioniere Bio Company, Super-Bio-Markt AG, Basic AG, Voelkel und Allos angehören. „Glyphosat und andere Agrarchemikalien treiben nachweislich Umweltschäden voran. Die Nachteile dieser fehlgeleiteten Entwicklung spüren selbst unsere Biobauern, die mit sogenanntem Seiteneintrag zu kämpfen haben“, kommentiert Georg Kaiser, Geschäftsführer der Bio Company. Das Bündnis will sich für die Verringerung des Einsatzes dieser Mittel einsetzen – im Dialog mit Akteuren der konventionellen Landwirtschaft.

Was bisher viele Landwirte vom Verzicht auf Glyphosat abhält, sind mangelnde Alternativen. Die Rewe Group versucht selbst, gangbare, nachhaltigere Alternativen zu entwickeln. Nachhaltigkeits-Experte Florian Schäfer: „Daher haben wir in diesem Jahr in Sachsen ein Projekt im Apfelanbau aufgesetzt, bei dem wir den Verzicht auf Glyphosat und Neonics erproben. Im Apfelanbau wird die Fläche unter den Bäumen freigespritzt, um Wühlmäuse von den Wurzeln fern zu halten. Wir haben Vergleichs-Plantagen und analysieren Alternativen wie mechanische Mittel und Nützlingspopulationen, die auf bestimmte Schädlinge abzielen. Wir fördern konkret zum Beispiel die Raubwanze mit bestimmten Saatgutzusammensetzungen, um den Apfelwickler auf der Plantage bekämpfen zu können. Dabei analysieren wir, welche Mehrkosten im Anbau nötig sind, welche Gerätschaften angeschafft werden müssen und vieles mehr.“

Standards verbessern
So wichtig jedes einzelne Projekt und jede angelegte Blühwiese sind – echte Veränderungen sind nur zu erreichen, wenn die gesamte Branche an einem Strang zieht. Rewe-Mann Schäfer sieht die Arbeit auf Standard-Ebene als sehr wichtigen Baustein, um eine größtmögliche Flächenwirkung zu erreichen. „Ich bin für die Rewe Group zum Beispiel in der QS-Arbeitsgruppe Nachhaltigkeit. Darin beraten wir, welche QS-Anforderungen wir um Biodiversitäts-Aspekte in den Bereichen Boden, Wasser, Luft ergänzen können. Darüber hinaus hat die Bodensee-Stiftung für uns alle bestehenden Nachhaltigkeits-Standards daraufhin analysiert, wo es bereits Biodiversitäts-Anforderungen gibt.“

Insgesamt 20 Nachhaltigkeits-Standards wurden von Bodensee-Stiftung und Global Nature Fund daraufhin untersucht, ob sie Kriterien zum Schutz von Biotopen und Arten integriert haben und ob Vorgaben zu Bodenbearbeitung, Düngung oder Einsatz von Pestiziden ausreichend sind, um Ökosysteme und Artenvielfalt zu schützen. Das Ergebnis: Es gibt viel Nachholbedarf. Im zweiten Schritt werden nun Empfehlungen für Standard-Halter entwickelt, welche Anforderungen zusätzlich aufgenommen werden sollten, auch in Bezug auf die Fortbildung von Zertifizierern sowie Hilfestellungen für Landwirte.

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