Biodiversität Vielfalt erhalten

Insektensterben und Dürre-Sommer – Beides in den vergangenen Monaten Dauerthemen in den Medien, die ein gemeinsames Problem offenlegen: Der fortschreitende Verlust der Artenvielfalt bringt unsere Ernährungssicherheit in Gefahr. Was die Branche unternimmt, um dem entgegenzuwirken und die Biodiversität zu fördern.

Donnerstag, 13. September 2018 - Management
Bettina Röttig
Artikelbild Vielfalt erhalten
Für mehr Sortenvielfalt: Rund 2.500 Hobby-Gärtner testeten für Tofu-Spezialist Taifun in ganz Deutschland, welche Soja-Kreuzungen in unserem Klima gedeihen.
Bildquelle: Getty Images, Edeka Nord, Rewe Group, Taifun

Deutlich abgemagert und vom Aussterben bedroht, sollen sie nun für uns die Welt retten: Die Rede ist von der Biene Maja und ihren geflügelten Freunden. Gerade hat die Rewe Group den beliebten Zeichentrick-Star als Testimonial gewonnen, um das komplexe Thema „Biodiversitätsverlust“ für ihre Kunden ein Stück greifbarer zu machen. Andere Lebensmittelhändler und -hersteller arbeiten hierzu mit dem Bild der „Lieschen-Müller-Biene“ ohne Promi-Faktor. Ihre gemeinsame Botschaft: Unsere Artenvielfalt ist in Gefahr und mit ihr die Vielfalt auf unseren Tellern.

Insektizide, Pestizide, Herbizide, Monokulturen, Überdüngung, Klimawandel, Flächenversiegelungen oder die Fokussierung auf wenige Kulturpflanzen und Nutztierrassen – die Liste von Gründen für den Rückgang biologischer Vielfalt ist lang. Die meisten sind auf den Menschen und die moderne Landwirtschaft zurückzuführen. Auch Bienen, Schmetterlinge und Co. leiden unter diesen Faktoren und verlieren zunehmend ihre Nahrungsgrundlage. Geht das Insektensterben weiter, gehen auch uns irgendwann die Lebensmittel aus. Denn ohne ihre Bestäubungsleistung auch keine Äpfel, Birnen oder Zucchini (siehe Kasten Seite 16).

Die Information, dass wir auch hierzulande ein Bienen- und Insektensterben zu beklagen haben, dürfte mittlerweile beinahe jeden Bundesbürger erreicht haben. Nicht allen sind bisher jedoch die Hintergründe klar und was diese Entwicklung im großen Kontext auch für unsere Nahrungssicherheit bedeutet. Wie sind die komplexen Zusammenhänge zu vermitteln, und welche Maßnahmen sind nötig, um die biologische Vielfalt zu fördern?

Einige Unternehmen aus Lebensmittelhandel und -industrie kämpfen seit Jahren für den Erhalt der Biodiversität und haben es sich zudem zur Aufgabe gemacht, den Verbraucher mitzunehmen. Produkte mit Kennzeichnungen wie „Artenvielfalt schützend“ (Rewe Pro Planet, siehe Seite 22) oder „Landwirtschaft für Artenvielfalt“ (Edeka Nord) sollen den Kunden am Regal davon überzeugen, selbst seinen Teil zum Erhalt der Biodiversität beizutragen. Die große Aufgabe zuvor: den Zungenbrecher in greifbare Inhalte zu verwandeln und die Verbraucher auch emotional zu erreichen.

In Erklärungsnot
„Biodiversität ist so ein abgehobener Begriff, dass man ihn in kleine Häppchen aufsplitten muss“, meint Florian Schäfer, Nachhaltigkeitsexperte der Rewe Group. Die Kölner arbeiten seit Jahren mit plakativen Beispielen und Aktionen, um erklärungsbedürftige Nachhaltigkeitsthemen, insbesondere das Thema Biodiversität und die dahinterliegenden Probleme, leicht verständlich zu machen. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass auch die damit verbundenen ökologischen Aspekte gut verstanden werden, wenn sie zum Beispiel konkret auf die Wildbiene heruntergebrochen werden“, so Nicola Tanaskovic, Bereichsleitung Corporate Responsibility, Rewe Group. So zeigte das Unternehmen in einem Penny-Markt, was passieren würde, wenn es keine bestäubenden Insekten mehr gäbe. Rund 60 Prozent der Regale blieben leer. „Wir hatten zunächst Bedenken, ob wir eine solche Aktion unseren Kunden zumuten können. Im Nachhinein muss ich sagen: Das Feedback war durch die Bank positiv“, berichtet Tanaskovic. Viele Kunden kamen nach dem ersten Schreck zurück, zeigten sich beeindruckt von der Aktion und erzählten sogar, was sie selbst zu dem Thema beitragen. Um auch die jüngsten Kunden zu erreichen, wird von nun an die Biene Maja als Testimonial das Thema für Rewe transportieren, bei Penny kommuniziere man mit der Janosch-Figur Günter Kastenfrosch.

Über die Online-Plattform bee-careful.com sensibilisieren die Schwartauer Werke Verbraucher für die Bedeutung der Honigbiene. „Bee Careful“ ist eine Initiative zum Schutz der Bienengesundheit sowie Steigerung der Bienenpopulation und Fruchtvielfalt. Das Unternehmen unterstützt die Forschung durch eine Bienenstation, sorgt zusammen mit der Forschungs- und Lehrplattform „Honey Bee Online Studies“ (Universität Würzburg) für Bildung und Ausbildung an Schulen und fördert Imker.

Verbraucher zum Anpacken bewegen will Landgard. Der Erzeuger von Obst, Gemüse und Pflanzen bietet Hobby-Gärtnern künftig eine Möglichkeit, direkt vor ihrer Haustür ein kleines Stück Natur- und Artenschutz zu verwirklichen. Gemeinsam mit dem Global Nature Fund hat das Unternehmen eine spezielle Produktlinie aufgelegt, die sich gezielt dem Anbau und der Vermarktung von Wildstauden widmet. Darin enthalten sind Pflanzen mit einem hohen Nährwert für Bienen und bestäubende Insekten.

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