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Kaltes Licht, das natürliche Farben verwischt, erfüllt die abgeschottete Box. Eine Klappe öffnet sich, und ein Erdbeer-Joghurt in neutraler Verpackung wird durchgereicht. Geschmackstest unter definierten Bedingungen. Die Tester schärfen ihre Sinne, riechen, schmecken und beurteilen die Konsistenz. Acht Joghurts mit Erdbeergeschmack stehen auf dem Programm - davon zwei mit künstlichen Aromastoffen, die anderen ohne. Was präferiert der Normalverbraucher? Das Ergebnis überrascht, oder doch nicht. Die zwei „Aufgepeppten“ mit den E-Nummern auf der Zutatenliste schneiden am besten ab. Die psychologische Wirkung des Zutaten-Hinweise „frei von...“ ist ausgeschaltet. Das andere ist Geschmackssache. Die ist nach wie vor mit entscheidend für den Wiederkauf. Was nicht schmeckt, sei es noch so gesund oder ethisch produziert, bleibt auf der Strecke, so die allgemeinen Erfahrungen der Vergangenheit.
Andererseits prägt der Trend zur gesunden Lebensweise die Kaufentscheidungen. Gesundheit ist nach Meinung vieler Trendforscher das beherrschende Thema vor Genuss sowie Convenience und wird es über die kommenden Jahre bleiben. Aber wie relevant ist der Hinweis „ohne...“ für den Verbraucher, sagt er wirklich „nein danke“ und was ist rezepturmäßig realisierbar, ohne das qualitativ, geschmack- und preislich der Schuss nach hinten los geht?
Fragen, mit denen sich Hersteller verstärkt beschäftigen und das sehr facettenreich: von der Elimination so genannter E-Nummen über gluten-und lactosefreie Erzeugnisse, Vermeidung gehärteter Fette bzw. Transfettsäuren bis hin zu Rohstoffen, die ohne Kinderarbeit oder Rodungen von Regenwaldflächen angebaut werden. Das Thema Palmöl ist ein aktuelles Beispiel dafür. Mit dem Enzym Transglutaminase (Klebe-Schinken) kann ein weiteres Fass aufgemacht werden. Greenpeace, Foodwatch und andere Verbraucherschutz-Organsisationen haben hier ein Betätigungsfeld gefunden. Grund für einige Hersteller sehr verhalten mit entsprechenden Auslobungen umzugehen und sich nicht so weit aus dem Fenster zu lehnen. Andere kommunizieren offensiv.
Ebenso greift der Handel das Thema auf. In den Zentralen ist man sich einig: Lebensmittel, die keine Konservierungsstoffe, Farbstoffe und Geschmacksverstärker enthalten, gewinnen im LEH zunehmend an Bedeutung, auch für die Profilierung über Eigenmarken. Hier sind Sortimente im Aufbau. Die Segmentierung und Präsentation in Blöcken, wie z.B. in Großbritannien zu sehen, ist der nächste Schritt. Auf alle Fälle passt es zu den Ansprüchen einer zweiten Generation von Handelsmarken, die sich vom reinen Preisinstrument in Richtung „eigene Marke“ entwicklen will. Dazu werden Aspekte wie Genuss, Gesundheit, Convenience, Lifesytle/Premium und ausgewogene Ernährung kombiniert.
Die Dohle Handelsgruppe stellt im kompletten Food-Bereich warengruppenübergreifend eine hohe Relevanz für „frei von…“-Produkte fest. Das Handelsunternehmen erwartet von seinen Lieferanten, dass sie diesen Anforderungen mehr und mehr gerecht werden.
Die Aussage „frei von …“ muss laut Metro Group allerdings verlässlich und ehrlich sein und dürfe keine Interpretationsspielräume lassen. Jürgen Matern, Leiter Qualitätssicherung bei der Metro Group: „Der Hersteller muss nach unserer Meinung sicherstellen, dass der Verbraucher auch das erhält, was die Verpackung verspricht. Er muss dafür garantieren, dass die Aussage ,frei von’ im gesamten Produktionsprozess weder durch einzelne Zutaten noch durch Kontamination relativiert wird. Geeignete Untersuchungen sollten dies auch belegen können.“
Gute Lebensmittel, Ökologie und Nachhaltigkeit spielen bei Tegut schon immer eine wichtige Rolle. Deshalb vertritt man hier die Philosophie, bei den Eigenmarken-Produkten auf unnötige Zusatzstoffe zu verzichten. Dafür gibt das Unternehmen das „Tegut-Reinheitsversprechen“. Das heißt: Die Eigenmarkenhersteller verwenden keine gentechnisch verändertern Organismen, und alle Eigenmarken sind frei von Geschmacksverstärkern sowie Farbstoffen. „Diese drei Kriterien stellen wir nicht extra heraus. Hier muss die Marke Tegut als Auslobung reichen“, sagt Andreas Swoboda, Tegut Geschäftsleitung Qualität und Umwelt. Bei gluten- und laktosefreien Produkten sei eine Kennzeichnung aber sehr wichtig, um den betroffenen Menschen eine transparente Kaufentscheidung zu bieten.
In Sachen Gentechnik spricht sich Tegut klar gegen die so genannte „grüne Gentechnik“ aus.
Das Unternehmen setze auf kleine und mittelständische Strukturen, die vor allem im ökologischen Landbau zu finden seien, sowie auf die traditionelle Landwirtschaft, heißt es in der aktuellen Ausgabe der Kundenzeitschrift „Marktplatz“. Deshalb begrüßt das Unternehmen das bundesweit einheitliche Siegel „Ohne Gentechnik“, welches seit einem Jahr verwendet werden darf. Tegut führte schon vorher Produkte mit einer Tegut-eigenen Kennzeichnung „ohne Gentechnik“. Inzwischen wurden das gesamte „Landprimus“-Programm (Schweinefleisch) sowie Milch, Schmand, Quark, Joghurt, saure Sahne, TK-Geflügel, Eier aus Bodenhaltung und Nudeln der Eigenmarke „Deutsche Küche“ mit dem bundeseinheitlichen Logo versehen.
Die Metro-Group vertritt, was die neue Kennzeichnung „ohne Gentechnik“ angeht, einen anderen Standpunkt. Hier seien die Voraussetzungen für eine ehrliche und verlässliche Kundeninformation nicht gegeben. Jürgen Matern, Metro Group: „Bei diesem Label wird dem Kunden vorgegaukelt, dass das Produkt völlig ohne gentechnisch verarbeitete Komponenten hergestellt ist – was aber nicht der Fall ist. So dürfen einzelne Zutaten bis zu einem Schwellwert von 0,9 Prozent mit gentechnisch verändertem Material verunreinigt sein. Auch nahezu alle zugesetzten Enzyme und viele andere Zusatzstoffe sind gentechnisch hergestellt und in Produkten mit dem Label, ohne Gentechnik’ nicht verboten.“ Eine Kennzeichnung „frei von…“ betrachtet die Metro Group dagegen generell als interessanten und wichtigen Ansatz für eine große Verbrauchergruppe, die auf bestimmte Stoffe allergisch reagiert oder ohne diese Stoffe auskommen möchte.
Mit dem Relaunch der Globus-Eigenmarke von „Excellent“ auf „Globus“ im Jahr 2006 führte das Handelsunternehmen ein Clean Label ein. Die Verbraucher finden auf allen Globus-Eigenmarken-Produkten einen Hinweis, ob die Lebensmittel laktosefrei, glutenfrei, frei von Geschmacksverstärkern, Konservierungsstoffen usw. sind. Diese Informationen sollen die Kaufentscheidung erleichtern. „Das Thema Gentechnik gehört allerdings nicht in unser Clean Label. Hier fordern wir bei den pflanzlichen Produkten, dass sie ohne Gentechnik erzeugt wurden, bei den tierischen Lebensmitteln streben wir es an, wo es machbar ist“, berichtet Dr. Horst Lang, Leiter für Qualitätssicherung bei Globus. Außerdem stehen bei den Eigenmarken von Globus seit je her die „Hinweise für den Allergiker“ unter dem Zutatenverzeichnis. Hier kann der Verbraucher auf einen Blick erkennen, ob das Produkt nach Europäischer Richtlinie zur Allergenkennzeichnung Zutaten enthält, die häufig Allergien auslösen.
Das Clean Label ist für Globus weder ein Wettbewerbs- noch ein Profilierungsthema. Im Gegenteil: „Wir sehen uns in der Herstellerfunktion und verstehen diese Kennzeichnung als eine Dienstleistung am Kunden. Hier geht es darum, wie wir dem Kunden optimale Informationen auf der Verpackung geben, damit er diese auch versteht. Manchmal ist weniger auch mehr“, sagt Dr. Horst Lang. Er ergänzt: „Labels machen nur Sinn, wenn sie ein Problem lösen, sonst ist die Marke das Produkt.“
Für Spar Österreich ist „frei von…“ bei den Spar-Eigenmarken durchaus ein Profilierungsinstrument. Deshalb weist Spar Österreich bei zahlreichen Eigenmarken-Artikeln mit so genannten Piktogrammen darauf hin, ob diese zum Beispiel gluten-, laktose-, zuckerfrei oder frei von Aromastoffen sind. Mehr noch: Im vergangenen Jahr hat das Handelsunternehmen eine eigene Produktlinie herausgebracht. Sie heißt „Spar free from“. Zu dieser Eigenmarke gehören glutenfreie Produkte (Cerealien, Pasta und Knabbereien), laktosefreie Erzeugnisse (Milch und Milchprodukte) sowie gluten- und laktosefreie Produkte (Brot und Gebäck, Backmischungen, Saucen und Gewürze, Knabbereien, Desserts und Süßes).
Alle drei Varianten entsprechen den vorgeschriebenen Richtlinien für diese Produktgruppen. „Spar free from“ entwickelt sich sehr erfolgreich, weil es immer mehr Menschen mit derartigen Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten gibt“, konstatiert Unternehmenssprecherin Nicole Berkmann von Spar Österreich.
Auch Norma beschäftigt sich intensiv mit „frei von“. So wurden bereits Artikel aus dem Sortiment umgestellt. Der Discounter führt zum Beispiel in der Warengruppe Trockenfertigprodukte Suppen, Saucen und Fix-Gerichte ohne Geschmacksverstärker.
Des Weiteren wurde in der KW 5/2010 ein Lebensmittelangebot für ernährungsbewusste Kunden in Aktion vermarktet. Mit den Marken Glutenonix, MinusL und Alpia Diät richtete sich die Produktpalette an Diabetiker und Menschen, die auf gluten- bzw. laktosehaltige Lebensmittel verzichten müssen. Wie die Aktion ankam, wird derzeit ausgewertet.
Noch scheint der klassische Vollsortimenter bei diesen Sortimenten die besseren Karten zu haben. Aber der Profilierungszwang der Discounter, lässt diese nicht ruhen. Nicht zu vergessen die Drogeriemärkte als akzeptierte Verkaufsstelle für „Gesundheitsprodukte“. Sie können sicherlich noch eine Schippe drauflegen.
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„Frei von...“ muss absolut verlässlich und ehrlich sein.“Jürgen Matern, Leiter Qualitätssicherung Metro Group Ein Profilierungs-Ansatz, der zunehmend für Eigenmarken genutzt wird.