Lebensmittel-Patente Biologische Vielfalt in Gefahr?

Patente schützen das geistige Eigentum des Erfinders. Doch nicht nur auf Technologien werden Patente erteilt, sondern auch auf konventionell gezüchtete Pflanzen und Tiere – und damit Verbote im europäischen Recht unterlaufen. Dies wirft eine Menge Fragen zu den Folgen auf.

Dienstag, 09. Juni 2015 - Management
Bettina Röttig
Artikelbild Biologische Vielfalt in Gefahr?
Bildquelle: Shutterstock

Er trägt einen Namen, der an Comic-Helden erinnert, und genießt Promi-Status: Die Rede ist nicht von einer Person, sondern von Gemüse – dem so genannten Superbrokkoli. Besonders gesund soll die neue Züchtung sein, die seit einigen Jahren in den USA und England auch unter der Marke Beneforté des Agrochemie-Konzerns Monsanto in Supermärkten erhältlich ist. Bekanntheit erlangte das grüne Gemüse in Europa jedoch nicht als Star groß angelegter Werbekampagnen, sondern als Präzedenzfall beim Europäischen Patentamt (EPA).

Die große Beschwerdekammer des EPA hatte am 25. März 2015 in letzter Instanz entschieden, das 2002 erteilte, höchst umstrittene Patent der Firma Plant Bioscience, zuzulassen. Dieses bezieht sich auf die Züchtungsmethode, die essbare Brokkoli-Pflanze, essbare Teile und Samen.

Ein Urteil, das auf heftige Kritik stößt, denn es handelt sich um eine neue Pflanzensorte, die mithilfe konventioneller Verfahren gezüchtet wurde. Dies widerspricht zum einen geltenden Gesetzen (gemäß Art. 53 b des Europäischen Patentübereinkommens, EPÜ, dürfen „Pflanzensorten oder Tierrassen sowie im Wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen oder Tieren“ nicht patentiert werden). Zum anderen werde der Sortenschutz als das bisher primäre und an die Bedürfnisse der Pflanzenzüchtung angepasste Schutzrecht in der Branche unterlaufen, moniert der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter (BDP). „Nach dem Sortenschutzrecht kann ein Züchter die neuesten Sorten anderer Züchter für seine eigene Züchtung inklusive Vermarktung verwenden und dadurch wie bei einem Open-Source-System auf den Vorleistungen anderer Züchter aufbauen. Dadurch ist bislang ein schneller Züchtungsfortschritt unter Einbeziehung der gesamten vorhandenen natürlichen genetischen Vielfalt möglich. Im Patentrecht ist ihm dies verboten“, erklärt die stellvertretende Geschäftsführerin des BDP, Dr. Petra Jorasch.

Welche Konsequenzen zieht der Brokkoli-Fall möglicherweise nach sich? Und wen betrifft die Entscheidung des EPA? Die letzte Frage ist schnell beantwortet: Alle – von den Züchtern über Landwirtschaft, Lebensmittelhandel und -industrie bis hin zum Verbraucher. Denn ordnet man die Entscheidung in einen größeren Kontext ein, geht es um DIE Herausforderung der Zukunft: Die Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung zu sichern – trotz fortschreitendem Klimawandel und begrenzten Agrarflächen. Eine große Vielfalt der genetischen Ressourcen von Kulturpflanzen und Nutztieren gilt als Basis für die Zucht neuer Sorten und Rassen, die veränderten klimatischen Bedingungen sowie neuen Schädlingen und Krankheiten trotzen können. Somit ist sie wesentliche Voraussetzung für unsere Ernährungssicherheit. Diese Vielfalt ist jedoch in Gefahr, glaubt man den Warnungen einer wachsenden Gruppe besorgter Verbraucher, NGOs und Unternehmen der Ernährungswirtschaft. Dass das Thema Patente auf Pflanzen und Tiere stärker in den Fokus der Lebensmittelbranche rücken muss, zeigte im Frühjahr auch das Symposium der Interessensgemeinschaft für gesunde Lebensmittel (IG Für): Auch hier sorgten die Fragen rund um Patente für interessanten Gesprächsstoff.

Die Reaktionen aus der Branche zum Urteil im Brokkoli-Fall fallen weitestgehend kritisch aus: „Die Entscheidung des EPA, Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen auszusprechen, ist verheerend und dient ausschließlich den Interessen multinationaler Saatgutkonzerne! Züchter und Landwirte brauchen den freien Zugriff auf die genetische Vielfalt aller Pflanzensorten und Tierrassen. Patente blockieren die Weiterentwicklung, auf die wir in der Landwirtschaft dringend angewiesen sind!“, äußert Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). Das hessische Handelsunternehmen Tegut schließt sich der Einschätzung des BÖLW an. „Die Sortenvielfalt und der Zugang zur genetischen Diversität müssen geschützt werden“, fordert Alexandra Weber, Leitung Qualität und Umwelt. Tegut spreche sich klar gegen die Patentierung von Pflanzen aus konventioneller Züchtung aus. Das sieht die Kölner Rewe Group ähnlich. „Entscheidungen, die in egal welcher Form insbesondere kleinen Betrieben den Marktzugang erschweren oder deren wirtschaftliche Basis angreifen, laufen dem millionenfachen Kundenwunsch nach Vielfalt zuwider“, argumentiert Dr. Daniela Büchel, Geschäftsleitung Vollsortiment HR und Nachhaltigkeit bei der Rewe Group. In der Entscheidung des Patentamts sehe man potenziell die Gefahr, dass Erzeuger, Handel und Kunden in die Abhängigkeit einiger weniger global agierender Konzerne geraten könnten.

Hinter dieser Sorge steht zum einen der fortschreitende Konzentrationsprozess im Saatgutmarkt: Fünf Konzerne kommen mittlerweile auf einen Marktanteil von 95 Prozent am in der EU verkauften Gemüsesaatgut. Zum anderen wächst die Zahl von Patentanträgen der Big Player auf Pflanzen und Tiere. Dr. Christoph Then, Koordinator des internationalen Bündnisses „Keine Patente auf Saatgut“ hat hierzu Daten zusammengetragen. Demzufolge wurden in der EU bis Herbst 2014 rund 7.500 Patente auf Pflanzen und 5.000 Patente auf Tiere eingereicht, 2.400 Patente auf Pflanzen und 1.400 auf Tiere seien bereits erteilt worden. Die meisten davon bezögen sich auf gentechnisch veränderte Organismen (GVO). Doch auch die Zahl der Patentanmeldungen im Bereich der konventionellen Zucht nehme zu. Laut Then gibt es bereits rund 1.000 Anmeldungen und ca. 120 Erteilungen in diesem Bereich. Patente könnten die Marktkonzentration im Saatgutbereich weiter vorantreiben, argumentiert u. a. das Bündnis „Keine Patente auf Saatgut“.

Ein Beispiel, das ebenfalls für Schlagzeilen und Proteste sorgte, ist das Patent des Schweizer Agrochemie-Konzerns Syngenta Agro auf insektenresistente Paprika. Hierfür kreuzte Syngenta eine wilde Paprikapflanze aus Jamaika, die gegen den Befall von Insekten resistent ist, mit kommerziellen Paprikasorten. Das Patent auf die neue kommerzielle Pflanze wurde 2013 erteilt. „Diese Patente sind ein Missbrauch des Patentrechts, das sich nur auf echte Erfindungen und nicht auf Entdeckungen und die Nutzung natürlicher Ressourcen erstrecken sollte. Dieser Missbrauch des Patentamts erlaubt es Konzernen, die Kontrolle über die Grundlagen der Ernährung zu übernehmen“, warnt Then. Es drohe eine weitgehende Lebensmittelabhängigkeit von Monsanto, Syngenta und Co. sowie abnehmende genetische Vielfalt.

Reine Übertreibung? Ja, meint Syngenta Agro, die Nummer Drei im weltweiten Saatgutmarkt. „Patente sind nicht der Treiber für Konzentrationsprozesse, im Gegenteil: Sie ermöglichen die Teilhabe am Züchtungsfortschritt für alle und halten das Innovationstempo aufrecht“, sagt Syngenta-Pressesprecher Peter Hefner. Auch nehme die Zahl der Sorten eher zu denn ab. Die Kritiker schürten die falsche Vorstellung, wonach eine „uniforme Sorte“ für alle Regionen quasi im Labor entwickelt würde. Richtig sei, dass die gewünschten Merkmale in regionale Sorten eingekreuzt würden, die mit den Bedingungen vor Ort gut zurechtkämen.

„Die Sorgen der Kritiker sind berechtigt“, meint hingegen Dr. Manon Haccius, Leiterin Qualitätsmanagement und Verbraucherservice bei Alnatura. „Von der großen Vielfalt der Züchter, die noch bis vor wenigen Jahrzehnten existierten, ist heute nicht mehr viel übrig. Heute dominiert ein halbes Dutzend multinationale Konzerne, die über Agrochemie groß geworden sind, den Saatgutmarkt. Die entstandenen Abhängigkeiten sind heute schon viel zu groß und sind nicht im Interesse der Allgemeinheit.“ Der gleichen Meinung ist der Bio-Anbauverband Bioland: „Der fortschreitende Konzentrationsprozess engt Vielfalt und Wahlfreiheiten für Landwirte und Verbraucher ein, fördert Abhängigkeiten, unterbindet Wettbewerb. Eine weiter potenzielle Gefahr von Monopolen wäre zudem, dass bestimmte Sorten nur als GVO angeboten werden“, so Bioland-Sprecher Gerald Wehde.

Zurück zu Patenten. Produkte oder Verfahren können patentiert werden, wenn sie Kriterien wie Neuheit, erfinderische Tätigkeit oder industrielle Anwendbarkeit erfüllen.

Was spricht grundsätzlich für, was gegen die Patentierung von Lebensmitteln? „Patente haben den Vorteil, dass sie die Offenlegung von wichtigen Technologien garantieren, die ansonsten als Geschäftsgeheimnisse gehandhabt und so dem Fortschritt der Branche entzogen würden“, verteidigt Syngenta-Sprecher Hefner den Patentschutz. Patente seien ein wichtiger Anreiz für den benötigten Fortschritt in der Pflanzenzüchtung. Der allgemeine Sortenschutz könne dies nicht mehr in ausreichendem Maß leisten.

Ein Pro zu Patenten gibt es für die Kritiker nicht. Der Inhaber eines Patents könne andere über einen Zeitraum von 20 Jahren daran hindern, die entsprechenden Produkte zu vervielfältigen, zu gebrauchen, zu verkaufen und zu verbreiten, kritisiert Then. „Die Reichweite vieler dieser Patente ist sehr umfangreich und erstreckt sich oft auf die gesamte Kette der Lebensmittelerzeugung, von der Züchtung bis zum Lebensmittel – die Früchte sowie verarbeitete Lebensmittel wie Bier und Brot.“

Der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e. V. (BDP) warnt vor Schwarz-Weiß-Malerei und fordert eine differenzierte Betrachtung. Gerade in der Züchtung sei der Schutz geistigen Eigentums für Innovationen nötig. Saatgut trage die Kopiermaschine schon in sich, man müsse es nur in den Boden stecken, veranschaulicht Dr. Petra Jorasch. Der BDP setze sich für einen ausgewogenen Schutz geistigen Eigentums ein, der Schutz auf der einen Seite und Zugang auf der anderen Seite sicherstelle. „Die natürlich vorkommende Genetik, also konventionell gezüchtete Pflanzen, müssen von der Patentierbarkeit ausgenommen werden. Hier haben wir den Sortenschutz als das angepasste und wirkungsvolle Schutzrecht.“ Der Wirkungsbereich von Patenten solle hingegen auf technische Erfindungen beschränkt werden. Hier ergänze das Patentrecht den Sortenschutz vorteilhaft, denn Unternehmen, die viel in die Entwicklung neuer Technologien investierten, ermögliche der Patentschutz, einen „Return on investment“ zu generieren. „Entscheidend ist aber, dass am Ende ein Patentrecht nicht dazu führt, dass es als Verbietungsrecht genutzt wird, um andere vom Markt auszuschließen, sondern dass grundsätzlich Zugang zu neuen Erfindungen gewährt wird. Das haben auch die ,Big Player’ erkannt. Im Bereich Gemüse hat sich dort eine sogenannte Lizenzplattform gebildet, in die die Unternehmen ihre Patente einbringen.“ Jeder könne Mitglied in dieser International Licensing Plattform (ILP) werden und Zugang zu den dort eingestellten Erfindungen erhalten. Im Gegenzug verpflichteten sich alle Mitglieder, ihre eigenen Erfindungen einzustellen.

Eines der Mitglieder ist Syngenta. Das Schweizer Unternehmen legt darüber hinaus seine Patente über die Plattform traitability.com für andere Züchterhäuser offen. So wolle man deutliche Signale der Transparenz und Bereitschaft zur Zusammenarbeit senden, betont Hefner. Diese Bereitschaft fehlt seitens Monsanto, und möglicherweise muss auch Syngenta in absehbarer Zeit zurückrudern. Denn Monsanto hat die Absicht, den Mitbewerber zu übernehmen.

Was fordert die Branche? Die Politik sei nun in der Pflicht, etwas zu ändern, heißt es vielfach. „Die Bundesregierung hatte sich im Koalitionsvertrag darauf verpflichtet, sich für ein europaweites Verbot von Patenten auf Pflanzen und Tiere einzusetzen. Aktiv geworden sind bisher weder Justizminister Heiko Maas, noch Landwirtschaftsminister Christian Schmidt“, erzürnt sich BÖLW-Vorsitzender Prinz zu Löwenstein. Die Bundesregierung müsse jetzt energisch auf die EU-Kommission zugehen und eine Novellierung der EU-Biopatentrichtlinie einfordern. „Denn offensichtlich bestehen dort Grauzonen, die ausgeräumt werden müssen.“ Die Kölner Rewe Group will sich selbst stark machen: „Die Rewe Group verfolgt die Diskussion sehr aufmerksam. Wir werden unsere Möglichkeiten nutzen, die Bundesregierung für das Thema zu sensibilisieren. Eine breite öffentliche Diskussion muss bei diesem Thema Transparenz schaffen“, so Büchel.

Ziel müsse es sein, die Patentgesetze der EU, aber auch in vielen anderen Regionen der Welt, zu verändern, um die fortschreitende Monopolisierung und die weltweite Kontrolle der genetischen Ressourcen durch wenige große internationale Konzerne zu verhindern, meint Bioland-Sprecher Wehde. „Ein wichtiger Ansatzpunkt ist in Europa eine grundlegende Reform des EPA. Das finanziert sich z. B. aus Einnahmen erteilter Patente und agiert weitgehend autonom auch gegen den politischen Willen.“

Konzentration im Saatgutmarkt

Mais: 75% Marktanteil
Wird von den fünf größten Firmen des Sektors kontrolliert.

Zucker: 86% Marktanteil
Wird von den vier größten Firmen des Sektors kontrolliert.

Gemüse: 95% Marktanteil
Wird von den fünf größten Firmen des Sektors kontrolliert.


Der Brokkoli-Fall

Beim „Brokkoli-Patent“ der Firma Plant Bioscience (genutzt von der Monsanto-Tochter Seminis) handelte es sich um ein Patent auf eine bestimmte Brokkoli-Sorte, die einen besonders hohen Anteil an Glucosinolaten – Senfölen, die laut Studien vermutlich krebsvorbeugend wirken – enthält. Hierfür wurde ein „normaler“ Brokkoli mit einer Wildform aus Italien gekreuzt. Das verwendete Züchtungsverfahren umfasst sowohl konventionelle Schritte als auch genetische Marker zur Kennzeichnung der verantwortlichen Stellen im Erbgut der Pflanzen. Das Patent wurde 2002 erteilt und bezog sich auf die Züchtungsmethode, die essbare Brokkoli-Pflanze, essbare Teile und Samen. Die Agrarkonzerne Limagrain und Syngenta legten gegen das Patent Beschwerde ein, da sich die Ansprüche auf „im Wesentlichen biologische Verfahren“ beziehen. „Es liegt keine erfinderische Tätigkeit zugrunde, und es ist aufgrund einer fehlenden Hinterlegung und Nennung der molekularen Marker nicht ausreichend offenbart“, erklärt Syngenta-Pressesprecher Peter Hefner den Einspruch. In einer Grundsatzentscheidung bestätigte das Europäische Patentamt (EPA) im Dezember 2010 die Nichtpatentierbarkeit von im Wesentlichen biologischen Verfahren. Das EPA hat den Fall an die Große Beschwerdekammer verwiesen, dem höchsten Entscheidungsgremium innerhalb des EPA. Diese entschied am 25. März 2015, dass gezüchtete Pflanzen patentiert werden können, auch wenn dies für ihre Züchtungsmethode nicht möglich ist. Das erteilte Patent auf Brokkoli bleibt damit bestehen. Unter dem Namen Beneforté oder „Super Broccoli“ ist die Züchtung bereits in den USA und England, seit Kurzem auch in Schweden, im Supermarkt erhältlich.


Sortenschutz

Der Sortenschutz schützt das geistige Eigentum an Pflanzenzüchtungen. Für den Sortenschutz besteht ein Internationales Übereinkommen zum Schutz von Pflanzenzüchtungen.

Hinter dem Übereinkommen steht der Internationale Verband zum Schutz von Pflanzenzüchtungen, UPOV (Union Internationale pour la Protection des obtentions végétales). Diesem gehören derzeit 71 Staaten an, darunter die Europäische Union. In Deutschland kann jeder Züchter oder Entdecker einer neuen Sorte beim Bundessortenamt den Sortenschutz auf Grundlage des Sortenschutzgesetzes (SortG) für Sorten des gesamten Pflanzenreiches beantragen. Voraussetzung: Die Pflanze ist unterscheidbar, homogen, beständig und neu und zudem durch eine eintragbare Sortenbezeichnung bezeichnet.

Allein der Sortenschutzinhaber oder sein Rechtsnachfolger ist nach Angaben des Bundessortenamts berechtigt, Vermehrungsmaterial (Pflanzen und Pflanzenteile einschließlich Samen) einer geschützten Sorte zu gewerblichen Zwecken in Verkehr zu bringen, hierfür zu erzeugen oder einzuführen. Die Verwendung einer geschützten Sorte für die Züchtung einer neuen bedarf hingegen nicht der Zustimmung des Sortenschutzinhabers. Die Prüfung der Unterscheidbarkeit, Homogenität und Beständigkeit erfolgt anhand der Ausprägung der Merkmale der Sorte. Die für die einzelnen Pflanzenarten wesentlichen Merkmale sind in nationalen und internationalen Richtlinien festgelegt. Die Dauer des Sortenschutzes beträgt 25 Jahre; bei Hopfen, Kartoffeln, Reben und Baumarten 30 Jahre.


Biopatente

Ein Patent ist ein gewerbliches Schutzrecht für eine Erfindung. Produkte oder Verfahren können patentiert werden, wenn sie Kriterien wie Neuheit, erfinderische Tätigkeit oder industrielle Anwendbarkeit erfüllen.

Der Patentinhaber erhält das Recht, die Benutzung der patentierten Erfindung anderen Personen und Unternehmen zu verbieten oder von der Zahlung einer Lizenzgebühr abhängig zu machen. Das Schutzrecht wird auf Zeit gewährt; in Deutschland (gemäß § 16 Patentgesetz) für maximal 20 Jahre. Zuständig für die Erteilung von Patenten sind je nach gewünschtem Geltungsbereich das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) oder das Europäische Patentamt (EPA). Bei Patenten im Bereich lebender Materie spricht man von „Biopatenten“. Dabei kann es sich um Patente auf Pflanzen oder Tiere mit besonderen Eigenschaften, aber auch auf Impfstoffe oder Diagnostika handeln. Laut Artikel 53b des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) sind Pflanzensorten und Tierrassen sowie im Wesentlichen biologische Verfahren zur Produktion von Pflanzen oder Tieren (beispielsweise Kreuzung und Selektion) von der Patentierbarkeit ausgeschlossen. Dieser Grundsatz wurde Ende der 1990er-Jahre m it Einführung einer neuen Richtlinie aufgeweicht. Demnach sind Pflanzen patentierbar, wenn die Erfindung (beispielsweise eine bestimmte Resistenz) technisch auf mehrere Pflanzensorten übertragbar ist.


Peter Röhrig, Geschäftsführer BÖLW (Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft)

1. Das Europäische Patentamt hat am 27. März 2015 entschieden, dass das umstrittene Patent auf Brokkoli zulässig ist. Das Urteil gilt als Grundsatzentscheidung und ebnet den Weg für weitere Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen und Tiere. Wie bewerten Sie die Entscheidung?
Wir wenden uns gegen jede Möglichkeit, Pflanzen und Tiere zu patentieren. Patente auf Pflanzen und Tiere – auch über den Umweg der Patentierung von Züchtungs- und Selektionsverfahren – müssen zuverlässig ausgeschlossen werden. Ein solches Verbot muss sich ebenso auf konventionell gezüchtete wie auch auf gentechnisch veränderte Organismen beziehen.

2. Welche Vor- und welche Nachteile bietet die Patentierung von Pflanzen und Tieren für Züchter und Landwirte?
Wir können keine volkswirtschaftlichen Vorteile erkennen und auch keine für die Land- und Lebensmittelwirtschaft. Es profitieren allenfalls die größeren Saatgutunternehmen, die über Patente vor allem ihre Stellung am Markt verbessern wollen. Der bedenklichen Strukturwandel in der Züchterlandschaft würde weiter beschleunigt. Der damit einhergehende Verlust an Biodiversität erhöht die Risiken der Nahrungsmittelversorgung. Patente höhlen das bewährte Züchterprivileg aus, dass es jedem Züchter ermöglichte den vorhandenen Züchtungsfortschritt zu nutzten. Wenn dies durch zu erwartende Patentstreitigkeiten ausgebremst wird, schadet das der Ernährungssicherung.

3. Als Argument pro Biopatente wird z. B. ins Feld geführt, dass dadurch Innovationen im Bereich der Züchtung gefördert werden sollen. Welche anderen Anreize gäbe bzw. gibt es?
Wir wollen die Sicherung geistigen Eigentums durch Patente nicht in Frage stellen – sie muss jedoch auf technische Verfahren und Erfindungen beschränkt bleiben und darf weder Pflanzen und Tiere sowie Produkten aus ihnen, noch die eigentlichen Züchtungsverfahren umfassen. Das Sortenrecht als open source -System hat in den vergangenen Jahrzehnten bewiesen, dass es einen Höchstmaß an Züchtungsfortschritt realisieren kann: und das ohne Patente.
Die Verfügbarkeit von Saatgut ist auch eine Aufgabe der Daseinsvorsorge und damit auch immer eine öffentliche Aufgabe. Es ist mit dem bisherigen Ansatz des Züchterprivilegs gut gelungen Züchtungsfortschritt auch ohne Patente zu realisieren. Wir sehen keinen Grund davon abzuweichen.

4. Kritiker warnen angesichts des fortschreitenden Konzentrationsprozesses im Saatgutmarkt und der zunehmenden Anzahl an Patentanmeldungen der Big Player auf Pflanzen (inkl. Saatgut) vor einer drohenden Lebensmittelabhängigkeit von Monsanto, Syngenta und Co. sowie abnehmenden genetischen Vielfalt. Übertreibung?
s. 1 und: Landwirte, Verarbeiter und Händler von Bio-Lebensmitteln beobachten mit großer Sorge, dass sich einige Unternehmen in den letzten 10 Jahren mit großer Intensität um Patente auf Saatgut und Nutztiere sowie daraus gewonnene Produkte bzw. züchtungsrelevante Verfahren bemühen, um sich weitgehende Nutzungsrechte und Gewinnmöglichkeiten im Lebensmittelsektor anzueignen. Dabei sind es häufig nicht Erfindungen, die als Grundlage der Patentanmeldungen dienen, sondern allenfalls Entdeckungen. Dass hier Eigentumsrechte ohne echte geistige Leistung realisiert werden sollen ist nicht im Sinne der Lebensmittelwirtschaft.

5. Was wird unternommen, um die Bio-Saatgutzüchtung voranzubringen?
Eine eigenständige Öko-Züchtung, die auf die speziellen Erfordernisse des Öko-Landbaus zugeschnitten ist, wird aufgebaut. Erfolge kann die Öko-Züchtung bspw. bei Möhren, Blumenkohl und anderen Gemüsen vorweisen, aber auch  beim Winterweizen oder Mais. Über 40 Gemüse-Neuzüchtungen sind behördlich zugelassen; in Deutschland stehen außerdem mehrere Weizen-, Roggen-, Einkorn- und Sommergerste-Sorten zur Verfügung. Engagiert sind eine Reihe gemeinnütziger Träger wie Stiftungen und Vereine, die bspw. auch vom Bio-Handel und Verarbeitern unterstützt werden.


Peter Hefner, Pressesprecher Syngenta Agro

1. Das Europäische Patentamt hat am 27. März 2015 entschieden, dass das umstrittene Patent auf Brokkoli zulässig ist. Wie bewerten Sie die Entscheidung?
In dieser Diskussion werden einige Dinge durcheinander gebracht. Syngenta hatte beispielsweise selbst gegen das Patent Einspruch eingelegt, weil es nach unserer Auffassung zwei wichtige Kriterien nicht erfüllt: Es liegt keine erfinderische Tätigkeit zugrunde und es ist aufgrund einer fehlenden Hinterlegung und Nennung der molekularen Marker nicht ausreichend offenbart. Über den eigentlichen Sachverhalt wurde noch gar nicht entschieden. Getroffen hat das Europäische Patentamt aber eine Grundsatzentscheidung, welche die Patentierung mit modernen Züchtungsverfahren gezüchteter Sorten ermöglicht. Wir bewerten die Entscheidung positiv, denn Patente stehen für die Offenlegung von Technologien und sind daher ein wichtiger Anreiz für den benötigten Fortschritt in der Pflanzenzüchtung. Der allgemeine Sortenschutz kann dies nicht mehr in ausreichendem Maß leisten.

2. Welche Vor- und welche Nachteile bietet die Patentierung von Pflanzen und Tieren für Züchter, Landwirte und Verbraucher aus Ihrer Sicht? (auch z. B. im Vergleich zum Sortenschutz)
Die Frage der Patentierung ist lediglich eine Sache zwischen Züchterhäusern. Weder Landwirte noch Verbraucher sind von Patenten in der Pflanzenzüchtung betroffen. Das Landwirteprivileg des Sortenschutzes gilt identisch für patentierte Pflanzen. Teurere Preise für Konsumenten sind nicht zu erwarten. Im Gegenteil: Die Ertragsvorteile der verbesserten Sorten führen in der Regel zu günstigeren Angeboten. Ansonsten würde sich ein Produkt auf dem Markt nicht durchsetzen können. Patente haben den Vorteil, dass sie die Offenlegung von wichtigen Technologien garantieren, die ansonsten als Geschäftsgeheimnisse gehandhabt und so dem Fortschritt für die Branche entzogen würden. Solange lediglich konventionelle und von daher zeitaufwändige Züchtungsmethoden zur Verfügung standen, reichte der Sortenschutz aus. Heute lassen sich mit den modernen Züchtungstechnologien aber in kürzester Zeit funktionelle Kopien herstellen, während die Entwicklung der neuen Eigenschaft selbst aber noch immer bis zu zehn Jahre dauern kann. Wir brauchen deshalb eine neue Regelung und ein Patentsystem scheint uns als Antriebsfeder für den dringend benötigten Züchtungsfortschritt am sinnvollsten. Die Debatte über Patente in der Pflanzenzüchtung ist noch relativ neu und von daher sehr kontrovers. Die von einigen Gruppen betriebene Dämonisierung ist aber kontraproduktiv und verhindert den Interessenausgleich, den wir brauchen, um gute Regeln für den Zugang zu Patenten aufzustellen. Syngenta ist beispielsweise einen Schritt voraus gegangen und legt seine Patente über die Plattform www.traitability.com für andere Züchterhäuser offen. Zudem sind wir Partner der International Licensing Platform (ILP), die den einfachen Zugang zu Patenten im Bereich Gemüse gewährleisten soll. Hier arbeiten verschiedene Gemüsezüchter zusammen und stellen inzwischen mehr als 120 Patentfamilien zur Verfügung.

3. Wie hoch sind Ihre jährlichen Investitionen in die Saatgutforschung und Züchtung neuer Sorten? Bzw. Wie hoch sind die Kosten für die Entwicklung einer neuen konventionellen Sorte (Beispiel) und was kommt über die Patentierung wieder rein?
Ich schätze, dass wir rund ein Drittel unseres Forschungsbudgets für die Züchtung ausgeben, das wären etwa 500 Mio USDollar. Die Kosten zur Entwicklung einer konventionellen Sorte betragen inklusive der Grundlagenzüchtung und in Abhängigkeit der Kultur bzw. Sorte bis zu 25 Mio USDollar. Zahlen zu Rückflüssen aus Patentgebühren liegen mir noch nicht vor.  

4. Die zunehmende Konzentration im Saatgutmarkt bedeutet weniger Wettbewerb, weniger Innovationen und weniger Artenvielfalt. Was entgegnen Sie als einer der Big Player auf diese Warnungen der NGOs?
Nach wie vor ist die Züchterlandschaft in Deutschland mittelständisch geprägt. Wir konkurrieren hier mit sehr wettbewerbsfähigen und innovativen Unternehmen, die gute Sorten auf den Markt bringen. Wir sind uns dessen bewusst, dass es die Sorge um eine steigende Konzentration gibt. Wir senden deshalb deutliche Signale der Transparenz und Bereitschaft zur Zusammenarbeit. Ich möchte noch einmal unsere Internetplattform Traitability erwähnen. Hier ermöglichen wir interessierten Züchterhäusern den einfachen Zugang zu unseren Patenten. Wichtig in diesem Zusammenhang: Patente sind nicht der Treiber für Konzentrationsprozesse, im Gegenteil: Sie ermöglichen die Teilhabe am Züchtungsfortschritt für alle und halten das Innovationstempo aufrecht. Das Schlagwort der abnehmenden Artenvielfalt wird durch die Realität ebenfalls nicht bestätigt. Die Zahl der Sorten nimmt eher zu, denn ab. Wenn Züchter erfolgreich sein wollen, müssen sie die Sorten immer auf die regionalen Gegebenheiten anpassen. Ansonsten leiden Ertrag und Qualität, und die Nachfrage bleibt aus. Die Argumentation schürt die falsche Vorstellung, wonach eine „uniforme Sorte“ für alle Regionen quasi im Labor entwickelt würde. Richtig ist, dass die gewünschten Merkmale in regionale Sorten eingekreuzt werden, die mit den Bedingungen vor Ort gut zurechtkommen. Viele Züchterhäuser arbeiten zudem mit Genbanken zusammen, denen sie ihr Zuchtmaterial zur Verfügung stellen, so auch Syngenta. Patente schützen insbesondere auch kleinere Erfinder. Patent-freie Bereiche fördern nicht notwendigerweise die Diversität (siehe Software – Microsoft) sondern machen Economy-of-scale, Brand, Logistik und andere Faktoren zu wettbewerbsbestimmenden Elementen. Gerade im Bereich der Züchtungsmerkmale haben die mittelständigen Züchter einen hohen Anteil.

5. Gibt es weitere Aspekte, die in der allgemeinen Diskussion um Patente auf Pflanzen und Tiere zu kurz kommen?
Anders als in allen anderen Wirtschaftsbereichen, in denen Patente eine wichtige Rolle spielen, wird der Begriff im Agrarbereich geradezu dämonisiert. Hauptargument: Pflanzen, Gene und einzelne Teile von Lebewesen sind in der Natur vorhanden und können deshalb allenfalls entdeckt, jedoch nicht erfunden werden. Alle Bestandteile der belebten und unbelebten Natur sind aber bereits vorhanden. Ihre Funktionen sind durch die Gesetze der Physik, Chemie und Biologie im Prinzip vorgezeichnet. Diese Argumentation spricht jedem Patent die Berechtigung ab. Niemand würde ernsthaft auf die Idee kommen, Alexander Fleming die Erfindung des Penicillins als Antibiotikum abzusprechen. Entscheidend für die Patentierbarkeit ist nicht die Frage der Herkunft, sondern ob durch die Anwendung eine neue Problemlösung entsteht. Erfindungen sind in dem Sinn neue Lösungen für bestehende Probleme.
Patente in der Pflanzenzüchtung sind in der EU nur auf spezielle Pflanzeneigenschaften oder Verfahren, nicht aber auf die gesamten genetischen Merkmale von Pflanzen oder Früchten möglich. Die oftmals vorgebrachte Forderung „Keine Patente auf Leben“ kritisiert einen in der Pflanzenzüchtung nicht vorhandenen Tatbestand. Die Kritik verschweigt außerdem eine wichtige Tatsache: Nach dem Verkauf des Saatgutes ist der Patentschutz aufgehoben. In der Fachsprache ist das Patent „erschöpft“. Das heißt, über die dann gewonnenen Pflanzen/Früchte und Produkte kann der Anbauer bzw. Verarbeiter frei verfügen. Auch der Züchter kann diese frei nutzen. Erst wenn daraus eine neue Sorte mit den zuvor patentierten Eigenschaften entsteht, fallen Lizenzgebühren nur für den Fall an, dass sie auch vermarktet wird.


Dr. Petra Jorasch, stellvertretende Geschäftsführerin Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e. V.

1. Welche Vor- und welche Nachteile bietet die Patentierung von Pflanzen und Tieren für Züchter, Landwirte und Verbraucher aus Ihrer Sicht? (auch z. B. im Vergleich zum Sortenschutz)
Darauf gibt es keine Pauschalantwort. Es geht hier nicht um Schwarz-/Weißmalerei.  Generell herrscht unter den Pflanzenzüchtern große Einigkeit darüber, dass gerade in der Züchtung der Schutz geistigen Eigentums für Innovationen notwendig ist. Denn Saatgut trägt die Kopiermaschine quasi in sich. Man muss es nur in den Boden stecken.  Es geht also darum, einen ausgewogenen Schutz geistigen Eigentums zu schaffen, der Schutz auf der einen Seite und Zugang auf der anderen Seite sicherstellt. In diesem Zusammenhang sollte der Wirkungsbereich von Patenten auf technische Erfindungen beschränkt werden. Die natürlich vorkommende Genetik, also konventionell gezüchtete Pflanzen müssen von der Patentierbarkeit ausgenommen werden. Hier haben wir den Sortenschutz als das angepasste und wirkungsvolle Schutzrecht. Die großen Erfolge in der Pflanzenzüchtung, die nicht zuletzt durch die über 3000 in Deutschland zugelassenen Sorten dokumentiert werden, belegen dies. Im Bereich von technischen Erfindungen ist eine Patentierung aber durchaus sinnvoll. Hier ergänzt das Patentrecht den Sortenschutz vorteilhaft, denn Unternehmen, die viel in die Entwicklung neuer Technologien investieren, ermöglicht der Patentschutz einen „Return on Investment zu generieren“. Die Züchtungsausnahme im Patentrecht, für die der BDP sich eingesetzt hat, stellt sicher, dass nur die technische Erfindung Patentschutz genießt, dass aber die natürliche Genetik der Pflanzen weiter frei  für die Züchtung zur Verfügung steht.

2. Können kleine und mittelständische Züchter / Firmen es sich leisten, Patente anzumelden? Droht deren Verdrängung durch die Big Player?
Die administrativen und finanziellen Hürden für die Anmeldung von Patenten sind höher als die Beantragung eines Sortenschutzrechtes. Kleinere Unternehmen werden sich hier naturgemäß schwerer tun als große bzw. müssen sehr genau auswählen, auf welche Erfindungen sie Patente anmelden. Entscheidend ist aber, dass am Ende ein Patentrecht nicht dazu führt, dass es als Verbietungsrecht genutzt wird, um andere vom Markt auszuschließen, sondern dass grundsätzlich Zugang zu neuen Erfindungen gewährt wird. Das haben auch die „Big Player“ erkannt. Im Bereich Gemüse hat sich dort eine so genannte Lizenzplattform gebildet, in die die Unternehmen ihre Patente einbringen. Jeder kann Mitglied in der Plattform werden und Zugang zu den dort eingestellten Erfindungen erhalten. Im Gegenzug verpflichten sich alle Mitglieder ihre eigenen Erfindungen einzustellen. Eine solche Plattform könnte auch im Bereich der landwirtschaftlichen Züchtung interessant sein. Im Bereich der technischen Erfindungen könnte so ebenfalls ein ausgewogenes System zwischen Schutz und Zugang geschaffen werden. Solche Initiativen sollen einerseits Anreiz für Investitionen geben und andererseits Zugang, Vielfalt und Wettbewerbsfähigkeit sicherstellen. Der BDP sieht seine Aufgabe auch darin, solche innovativen Systeme zum Wohle der gesamten Branche zu unterstützen.


Gerald Wehde, Pressesprecher Bioland e.V.

1. Wie bewerten Sie die jüngste Entscheidung des Europäischen Patentamts im Brokkoli-Fall?
Eine Patentierung einer gesamten Kultur wie beim Brokkoli ist völlig inakzeptabel. Darin sind sich alle Organisationen von Landwirten auch der Bauernverband einig. Ziel muss es daher sein, die Patentgesetze der EU, aber auch in vielen anderen Regionen der Welt zu verändert, um die fortschreitende Monopolisierung und die weltweite Kontrolle der genetischen Ressourcen durch wenige große internationale Konzerne zu verhindern. Die Marktkonzentration wird durch Patente immer weiter vorantrieben. Die Grundlagen der Ernährung gelangen somit in die weitgehende Abhängigkeit von einigen wenigen internationalen Konzernen. Ein wichtiger Ansatzpunkt ist in Europa eine grundlegende Reform des EPA. Das finanziert sich z.B. aus Einnahmen erteilter Patente und agiert weitgehend autonom auch gegen den politischen Willen.

2. Welche Vor- und welche Nachteile bietet die Patentierung von Pflanzen und Tieren für Züchter und Landwirte?
Patentierung von Pflanzen schränkt die Wahlfreiheit der Anbauer (und damit der Verbraucher) ein und macht abhängig von Anbietern des entsprechenden Saatguts. Außerdem beschneidet es das Züchterprivileg, da mit patentierten Pflanzen nicht frei weitergezüchtet werden kann. Siehe hierzu auch unsere Aussagen in den Bioland-Richtlinien Kapitel 3.10.5 „Pflanzenzüchtung im sozialen Kontext“: „Die Züchter von organisch-biologisch gezüchteten Sorten können Sortenschutz genießen. Jegliche Patentierung ist jedoch nicht gewünscht und unzulässig. Der Zugang zu genetischen Ressourcen muss frei erhalten und das Züchterprivileg gewahrt bleiben. Die Kreuzbarkeit darf technisch nicht eingeschränkt werden (z.B. durch männliche Sterilität ohne Restaurationsmöglichkeit). Züchtungsprogramme sollen einen partizipativen Ansatz haben. Das heißt, alle Glieder der Wertschöpfungskette (Erzeuger, Handel, Hersteller, Konsumenten)sollen nach Möglichkeit einbezogen werden.“

3. Als Argument pro Biopatente wird z. B. ins Feld geführt, dass dadurch Innovationen im Bereich der Züchtung gefördert werden sollen. Welche anderen Anreize gäbe bzw. gibt es?
Wie es bisher läuft: Eine gute Sorte mit guten Eigenschaften setzt sich auf dem Markt durch, wird nachgefragt, erzeugt Umsatz und damit Gewinn für den Züchter. So finanziert sich heute die Gemüsezüchtung, da ist der Return of Investment im Saatgutverkaufspreis enthalten, daraus wird die weitere Züchtung finanziert. Bei landwirtschaftlichen Kulturen funktioniert das nicht in dieser Form. Züchter müssen aber für ihre Leistung honoriert werden, sie benötigen Finanzmittel für die Züchtung neuer Sorten.

4. Kritiker warnen angesichts des fortschreitenden Konzentrationsprozesses im Saatgutmarkt und der zunehmenden Anzahl an Patentanmeldungen der Big Player auf Pflanzen (inkl. Saatgut) vor einer drohenden Lebensmittelabhängigkeit von Monsanto, Syngenta und Co. sowie abnehmenden genetischen Vielfalt. Übertreibung?
Nein überhaupt nicht. Der fortschreitende Konzentrationsprozess engt Vielfalt und Wahlfreiheiten (Landwirte/Gärtner, Verbraucher) ein, fördert Anhängigkeiten, unterbindet Wettbewerb. Eine weitere potentielle Gefahr von Monopolen wäre z.B: bestimmte Sorten werden nur als GVO angeboten.

Siehe auch:
http://www.soel.de/publikationen/oekologie_und_landbau/downloads/oel174_grafik.pdf
http://www.welt-ernaehrung.de/2010/10/14/im-griff-der-monopole/

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