Religion und Ernährung: Muslime Halal

Was halal bedeutet, wissen meist nur diejenigen, die es betrifft, eben die Muslime. Händler, die Kunden für sie fremder Religionen optimal bedienen,  sollten wissen, was ihre Kunden essen dürfen und was nicht. Ein Überblick.

Freitag, 10. September 2010 - Warenkunden
Heidrun Mittler

In der Woche vor Ostern essen gläubige Christen kein Fleisch. Erwachsene Muslime hingegen verzehren während ihrer Fastenzeit – dem Ramadan – überhaupt nichts, und das von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Schon diese zwei Beispiele verdeutlichen, dass jede Religion bestimmte Bräuche und Vorschriften hat, die den Mitgliedern anderer Weltreligionen fremd sind.

Wirtschaftliche Bedeutung bekommt die Religion in dem Moment, in dem ein Händler gläubige Muslime zu seinen Kunden zählt. Dass man einem Muslim kein Schweinfleisch verkaufen kann, dürfte in unserem Kulturkreis bekannt sein. Aber wie steht es um Fleisch anderer Tiere oder Wurst?
Diese Warenverkaufskunde erläutert wesentliche Grundlagen. Wer sich intensiver mit dem Thema auseinander setzen will, sollte einen Blick auf die Buchtipps S. 4 werfen.

Mindestens 3,4 Mio. Menschen islamischen Glaubens leben derzeit in der Bundesrepublik Deutschland, Tendenz steigend. Die Zahl beruht auf einer Schätzung des Zentralrats der Muslime in Köln. Wie viele dieser Bürger sich nach den Regeln des Halal ernähren, weiß keiner genau. Es gibt außerdem Nicht-Muslime, die sich entsprechend ernähren, weil sie bspw. auf Schweinefleisch verzichten möchten. Gläubige Muslime folgen beim Essen bestimmten Regeln, die aus dem Koran stammen, man spricht von den „Halal“-Regeln. Übersetzt bedeutet das soviel wie: „das Zulässige, das Erlaubte“. Im Koran kann man nachlesen, welche Grundanweisungen Allah seinen Gläubigen in Bezug auf Essen und Trinken gibt. Danach sind verboten: „Krepiertes und Blut und Schweinefleisch und das, was einem anderen als Allah geopfert wurde“.

Schweinefleisch und Produkte, in denen Schweinefleisch verarbeitet ist, sind demnach tabu. Das betrifft einen großen Teil der bei uns erhältlichen Wurstwaren, aber auch viele Fertiggerichte (z. B. Eintöpfe) und gekühlte Produkte (wie einige gefüllte Teigwaren). Solche Erzeugnisse gelten nach den Regeln des Islam als „haram“, also als verboten. Natürlich kann man nicht alle Bürger islamischen Glaubens über einen Kamm scheren: Manche befolgen jeden Buchstaben des Koran, andere legen die Ge- und Verbote weniger streng aus. Für die Mehrheit der Muslime dürfte der Verzicht auf Schweinefleisch höchste Priorität haben. Im Koran steht außerdem, dass Allah barmherzig ist: „Wenn jemand durch Notwendigkeit gezwungen ist, zu essen, nicht aus Verlangen oder Übertretung, dann ist keine Sünde auf ihm, Allah ist vergebend, barmherzig.“

Für Muslime, die die Vorschriften strikt befolgen, ist auch Gelatine vom Schwein verboten. Diese befindet sich oft in Süßwaren wie Gummibärchen, Lakritz, Marsh¬mallows oder Kaugummi. Die Hersteller dieser Zuckerware geben aber in der Regel auf ihrer Internetseite an, ob und welche ihrer Erzeugnisse für Muslime unbedenklich sind. Gelatine ist außerdem in zahlreichen Molkereiprodukten und Desserts enthalten (Joghurt, Wackelpudding). Als Alternative zur Verarbeitung in der Küche bietet sich für diese Personen Gelatine auf Fisch- oder Rinderbasis an oder andere Verdickungsmittel wie Agar-Agar oder Reismehl. Strikt verboten ist im Islam das Trinken von Blut. Daraus ergibt sich, dass Wurstwaren wie Blutwurst oder Pasteten bei Muslimen nicht auf dem Einkaufszettel stehen.

Das Fleisch anderer Tiere ist erlaubt, allerdings nur, wenn sie geschächtet worden sind. Schächten ist eine besondere Form des Schlachtens, wobei das Tier vorher nicht betäubt wird. Die Betäubung ist im Islam verboten, weil das Tier währenddessen sterben könnte (und dann „krepiert“ wäre, damit nicht mehr essbar wäre). In Deutschland ist Schächten grundsätzlich nicht erlaubt, allerdings gibt es Ausnahme-Genehmigungen für muslimische Metzger. Aber: Der Import und die Verarbeitung von geschächtetem Fleisch sind legal.


Schächten im Ausland erlaubt

Beim Schächten (in der Regel im Ausland wie Niederlande, Belgien, Frankreich, Dänemark) muss sich der Metzger an bestimmte Regeln halten, denn die Tiere sollen schnell und schmerzfrei getötet werden.
Zahlreiche weitere Lebensmittel stehen für gläubige Muslime auf der Verbotsliste: Nicht erlaubt sind tierische Fette (außer Butter), alle Arten von Alkohol, zudem verschiedene Emulgatoren und Aromastoffe. Ein Blick aufs Etikett der Produkte ist also unerlässlich! Als Einkaufsstätte für Frischfleisch kommt nur der muslimische Metzger in Frage, den es in vielen deutschen Ballungszentren gibt. Verarbeitete Produkte stellen den Muslim vor Probleme, und das nicht nur wegen des Fleischs. Er kann zudem kaum nachvollziehen, ob nur „erlaubte“ Zutaten und Hilfsstoffe verarbeitet wurden.
Gleichzeitig aber wächst – wie überall in der Bevölkerung – der Wunsch nach Convenience-Produkten für die schnelle Küche. In jüngster Zeit gibt es immer mehr Tiefkühl-Produkte, die den Regeln des Halal entsprechen. Bis vor einigen Jahren wurden solche Produkte in erster Linie über von Türken betriebene Geschäfte verkauft, doch mittlerweile haben sie sich auch im Lebensmittelhandel etabliert. In den Tiefkühltruhen sind beispielsweise zu finden: Burger, Frikadellen, Hähnchen-Nuggets, Cevapcici, Bratlinge, Würstchen, Pizza und Döner-Fleisch – das Sortiment wächst.

Bei der Herstellung dieser Produkte ist sichergestellt, dass die einzelnen Zutaten ausnahmslos halal-zertifiziert sind. Wichtig ist außerdem, dass in den Produktionsräumen nur nach den Vorschriften des Islam gefertigt wird. Viele Muslime hätten auch Schwierigkeiten, wenn in einem Kutter erst eine Charge Halal-Fleisch und (selbst nach einer gründlichen Reinigung) anschließend anderes Fleisch verarbeitet würde. Deshalb haben sich diese Betriebe spezialisiert und verarbeiten nur entsprechende Zutaten.


Die Rückverfolgbarkeit der Ware spielt hierbei eine besondere Rolle. Bei der Anlieferung der Ware werden die Rohwaren auf Herkunft, Beschaffenheit und korrekte Temperatur überprüft und mit einem Strichcode versehen. So ist die Ware nicht nur während der Produktion, sondern bis zum Endprodukt eindeutig zu identifizieren.

Mehr Informationen zum Thema
www.halal.de. Hier findet man u.a. eine Liste mit erlaubten und verbotenen Nahrungsmitteln.
www.mekkafood.de. Hinweise zur Produktion und Rückverfolgbarkeit von Convenience-Produkten nach den Regeln des Islam.
Buchtipp: „Der Muslim lebt nicht vom Brot allein“, Autor: Abu-r-Rida`Muhammad Ibn, erhältlich über die Islamische Bibliothek, Internet: www.muslim-buch.de; ISBN 3–8217–0209–5, Preis: 16 Euro.
Auf einigen Produkten findet man das entsprechende Logo der Zertifizierungsstelle Halal control e.K.
(im Internet: halalcontrol.de). Das Institut prüft ·Erzeugnisse und vergibt dieses Halal-Siegel.

{tab=Bildergalerie}

BASIS für fleischhaltige Convenience-Produkte ist Brät, das zu unterschiedlichen Produkten verarbeitet wird. Verarbeitung: Die Tiere werden im Ausland geschächtet, das Fleisch in Deutschland zu Brät zerkleinert. Daraus werden verschiedene Produkte wie hier Burger hergestellt, verpackt und tiefgefroren.

Hygiene und Rückverfolgbarkeit während der gesamten Produktion sind unerlässlich.

Frisches Obst ist immer halal.

Prüfsiegel für die Orientierung.

Convenience-Produkte werden immer beliebter, auch bei gläubigen Muslimen.

{tab=Fragen}

1 Nennen Sie drei Nahrungsmittel, die gläubige Muslime nicht verzehre?
2 Was versteht man unter Schächten?
3 Darf in Deutschland geschächtet werden?

{tab=Antwort}

1 Schweinefleisch, Blutwurst, Spirituosen.
2 Schächten ist eine spezielle Form des Schlachtens, bei der die Tiere nicht betäubt werden.
3 Grundsätzlich nicht, aber es gibt Ausnahme-Genehmigungen für muslimische Metzger.

Produkte, die gläubige Muslime ohne Bedenken verzehren können:

Tipps für die Praxis

Ob es im Handel sinnvoll ist, sich mit religiösen Ernährungsgewohnheiten zu beschäftigen, hängt in erster Linie vom Standort des Geschäftes ab. So leben beispielsweise in bestimmten Stadtteilen von Köln, Berlin und im Ruhrgebiet viele Bürger muslimischen Glaubens – das weiß der Händler vor Ort selbst am besten. Diese Kunden bevorzugen als Einkaufsstätte häufig den „türkischen Händler um die Ecke“ (wobei türkisch ebenso durch andere Nationalitäten wie marokkanisch oder iranisch etc. ersetzt werden kann). Kaufleute, die diese Kunden stärker an ihr Geschäft binden wollen, sollten sich mit den Essgewohnheiten auseinander setzen. Wer in solchen Zentren lebt, beschäftigt in der Regel auch Mitarbeiter, die diesen Religionen angehören – und kommt somit zwangsläufig mit den „fremden“ Kulturen in Berührung.

In dieser Warenverkaufskunde können nur grundlegende Besonderheiten erläutert werden. Wer die Religionen und ihre Bräuche verstehen will, muss sich damit viel intensiver auseinander setzen, etwa mit Hilfe von Büchern und Gesprächen (siehe S. 6: Mehr Informationen zum Thema). Das fördert nicht nur das Miteinander der Kulturen, sondern kann auch für zusätzliche Umsätze sorgen.

Mehr Informationen zum Thema
www.halal.de. Hier findet man u.a. eine Liste mit erlaubten und verbotenen Nahrungsmitteln.
www.mekkafood.de. Hinweise zur Produktion und Rückverfolgbarkeit von Convenience-Produkten nach den Regeln des Islam.
Buchtipp: „Der Muslim lebt nicht vom Brot allein“, Autor: Abu-r-Rida`Muhammad Ibn, erhältlich über die Islamische Bibliothek, Internet: www.muslim-buch.de; ISBN 3–8217–0209–5, Preis: 16 Euro. Auf einigen Produkten findet man das entsprechende Logo der Zertifizierungsstelle Halal control e.K.
(im Internet: halalcontrol.de). Das Institut prüft ·Erzeugnisse und vergibt dieses Halal-Siegel.

{tab=Impressum}

Die Warenverkaufskunde erscheint regelmäßig als Sonderteil im Magazin Lebensmittel Praxis
Wir danken Mekkafood Halal Products für den fachlichen Rat.
Fotos: Titelfoto: Fotolia. S. 2, S. 3 unten Mitte und S. 4: Mekkafood. Übrige Fotos: Stefan Mugrauer.

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