Kreislaufwirtschaft Im Hamsterrad des Recyclings

Dass Verpackung eine Ressource ist, haben Akteure wie der Handel längst erkannt. Die Kreislaufwirtschaft ist das große Ziel. Das chemische Recycling kann eine sinnvolle Ergänzung des mechanischen sein.

Dienstag, 29. November 2022 - Verpackung
Matthias Mahr
Artikelbild Im Hamsterrad des Recyclings
Bildquelle: Interseroh

Es fehlte nicht an markigen Worten und dringlichen Appellen, als sich Mitte November Experten aus Handel, Konsumgüterindustrie und Recyclingbranche über Lösungsansätze und konkrete Handlungsoptionen für das Verpackungsrecycling in Köln austauschten. Interseroh und das Deutsche Verpackungsinstitut (DVI) hatten eingeladen und das Thema Rezyklateinsatz in den Fokus gerückt.

Das Thema bleibt schwierig, besonders das chemische Recycling erhitzt weiterhin die Gemüter. Erst vor wenigen Wochen hatte das Öko-Institut aus Berechnungen des Beratungsunternehmens Eunomia die Schlussfolgerung gezogen, dass mechanisches Recycling klimafreund- licher als chemisches sei. Werkstoffliches Recycling solle deshalb gefördert und rechtlich der Pyrolyse vorgezogen werden. Ob diese Sicht des Öko-Institutes die richtige ist, bleibt im Sinne der Kreislaufwirtschaft zumindest offen.

Für die Experten auf der „Future Resources“-Tagung ging es aber gar nicht um ein Entweder-oder, sondern um die Ergänzung des mechanischen Recyclings, das bei einigen flexiblen Verpackungsfolien mit unterschiedlichen Barriereeinheiten oder auch bei stark verunreinigten Verpackungen an seine Grenzen stößt. Erst dann komme das chemische Recycling nämlich zum Tragen. Während sich ein Großteil des starren Kunststoffabfalls sehr gut durch mechanisches Recycling verarbeiten lässt, werden flexible Materialien wie etwa Kunststofffolien immer noch sehr oft verbrannt oder auf Deponien entsorgt. Das chemische Recycling verändert die mechanische Zusammensetzung des Kunststoffs, um aus Kunststoffabfällen synthetisches Rohöl herzustellen. „Dies lässt sich dann zur Produktion jeglicher Art von Kunststoffen oder Produkten verwenden. Da der auf diese Art hergestellte Kunststoff durchaus mit Neukunststoff vergleichbar ist, kann er auch in streng kontrollierten und geregelten Bereichen wie dem Lebensmittel- und dem Medizinsektor verwendet werden. Kunststoffabfall wird hierdurch zu einem wertvollen Rohstoff“, betonte Wolfgang Hofer, Advisor for Chemical Recycling of Plastics bei OMV Downstream.

Fast Fashion schadet dem Klima
Klima- und Wetterexperte Thomas Ranft hatte für einen nachdenklichen Einstieg in die Tagung gesorgt. „5 Euro für ein T-Shirt? Da kann niemand auskömmlich von leben – zumindest nicht in der Produktion“, betonte der ARD-Mann aus Frankfurt. Durchschnittlich 1,7-mal werde dieses Shirt von uns getragen, und anschließend könne es nicht mal recycelt werden, weil die Qualität so schlecht sei. Es folge die klimaschädliche thermische Verwertung. „Wie blöd ist das denn?“, fragte er in die Runde. 44 Sonnentage hat Ranft 2022 am Stück gezählt, der bisherige Rekord lag bei 29 in Folge. Seine mahnenden Beispiele der schnellen Klimaveränderung gipfelten in einem Aufruf: „Jeder Einzelne muss jetzt handeln, denn die Extreme nehmen schnell zu.“

Der ewige Zweikampf von Aldi und Lidl umfasst längst auch den kompletten Wertstoffkreislauf von der Produktion über den Verkauf von Waren bis zum kompletten Recycling der Verpackungen. Seit einem Jahr kooperiert Aldi mit dem Verpackungsentsorger Interzero, einer Ausgründung der Alba-Tochter Interseroh. Leider war der gemeinsame Vortrag von Arne Ringkowski, Aldi Nord, und Martin Menzel, Aldi Süd, von Allgemeinplätzen durchsetzt. Immerhin, die beiden gaben zu: „Auch bei Aldi ist nicht alles Gold, was glänzt!“ Aktuell funktioniere nur der PET-Kreislauf, aber in Summe gelte: Es gebe zu wenig Rezyklat am Markt. Und das Sortieren der gesammelten Verpackungen sei weiterhin schwierig. Die beiden Vertreter des Discount-Primus forderten einheitliche Regelungen für die gesamte Wertschöpfungskette, da nur dann die Kreislaufwirtschaft gelingen könne. Es sei zwingend notwendig, „dass wir richtig sammeln und sortieren“, legte Martin Menzel, Manager Circular Economy bei Aldi Süd, den Finger in die Wunde der Kreislaufwirtschaft. Aldi arbeite derzeit im Bereich Wasch- und Reinigungsmittel sowie Kosmetik an Produktverpackungen mit Rezyklateinsatz. Die Farbe der Wahl sei dabei Grau. Hier taste sich Aldi in weniger sensiblen Produktbereichen im Near-Food-Segment an den Verbraucher heran, wohl auch weil die regulatorischen Vorgaben beim Einsatz von Rezyklaten für Lebensmittelverpackungen nur äußerst schwer erreichbar scheinen.

Das Sammeln und Sortieren ist das Hamsterrad der Entsorger, hier fehlen trotz Initiativen wie „Mülltrennung wirkt“ die schnellen Erfolge. Wie Dr. Manica Ulcnik-Krump, Leiterin Forschung und Entwicklung bei Interzero Plastics Innovation, bestätigte, ist die Sammelqualität in einigen städtischen Quartieren so schlecht, dass dies die Qualität des Recyclings massiv beeinträchtige. Der Wille zu einer nachhaltigen Wertschöpfung im Verpackungssektor scheint vorhanden. Die Recyclingziele sind hoch gesteckt, derzeit richten sich alle Blicke nach Brüssel: Für Ende November ist ein neuer Entwurf der EU-Verpackungsrichtlinie angekündigt.