Nachhaltige Verpackungen Die Suche nach dem Optimum

Verpackung ist eine Glaubensfrage. Millennials und iBrains als die Zielgruppen der Zukunft fordern nachhaltige Packstoffe. Papier ist aber nicht immer die bessere Wahl.

Samstag, 05. November 2022 - Verpackung
Matthias Mahr
Artikelbild Die Suche nach dem Optimum
Bildquelle: Matthias Mahr

Spannend waren auf der Verpackungsmesse Fachpack Ende September vor allem die Nebensätze und die Sätze, die eigentlich keiner hören soll. Weiterhin treibt die Gretchenfrage die abpackenden Unternehmen aus der Konsumgüterindustrie und dem Handel an: Sind Verpackungen aus Papier die bestmögliche Lösung, wenn es um die Verpackung von Lebensmitteln geht? Das lässt sich nicht grundsätzlich und schon gar nicht pauschal klären. Es kommt nämlich auf den Einzelfall an, das zu verpackende Produkt. Und auf die Zielgruppe.

Bei Köhler Papier zum Beispiel war eine neue Treets-Verpackung zu sehen. Sie war, Sie erraten es schon, aus Papier. Für die Zielgruppe der Babyboomer ist Treets ein Begriff: Erdnüsse im knackigen Schokomantel. Damals sah Treets aus wie heute M&M’s und wurde von Mars in Deutschland, den Niederlanden, Frankreich und Großbritannien unter diesem Markennamen vertrieben. 1987 fiel die Marke der weltweiten Vereinheitlichung der Mars-Schokolinsen zum Opfer. Seither gab es nur noch M&M’s. Inzwischen ist Treets wieder da! Katjes International revitalisiert derzeit den Auftritt dieser in Deutschland einst so beliebten süßen Waren, die nach annähernd einem halben Jahrhundert Funkstille in den Handelsregalen besonders bei jungen Zielgruppen Begeisterung wecken müssen. Charakteristisch für Treets aus dem Hause Piasten sind heute das poppige orange Verpackungsdesign und der kreative Markenauftritt sowie die Markenspreizung bis zum Brotaufstrich. Mit dem knalligen Auftritt möchte Piasten in den sozialen Netzwerken und in den Verbrauchermärkten begeistern und vor allem junge neue Fans gewinnen. Weil das allein die Zielgruppe der Zukunft nicht anspricht, wurde die Story weiterentwickelt. Die Millennials und iBrains wünschen eine Lebensstilperspektive, die in der globalisierten und durchdigitalisierten Welt Halt gibt. Nachhaltigkeit spielt dabei die tragende Rolle. „The Peanut Company“ dient bei Piasten als Überbegriff für die Treets-Range. Treets setzt auf natürliche Zutaten ohne Palmöl und sagt, das Produkt sei zu 100 Prozent veggie. Und Sie ahnen schon: Dann muss auch die Verpackung aus Papier sein. Und auch mit Schokoüberzug in Regenbogenfarben gibt es die Linsen, die im fränkischen Forchheim hergestellt werden.

Doch junge Zielgruppen sind auch digital. In LinkedIn merkt ein Verbraucher, der sich in der Szene auskennt, an: „Zuerst habe ich mich sehr gefreut, speziell über ‚ohne Palmöl‘ und ‚100 % veggie‘, doch dann gingen die Alarmglocken los. Zutatenliste gelesen. Doppelte Enttäuschung; nicht vegan und manche Veganer werden ‚100 % veggie‘ als vegan und nicht vegetarisch interpretieren. Muss doch 2022 nicht sein“, schreibt er. Leider schreibt er kein Wort zur Verpackung.

Papierverpackungen werden hinterfragt
Der Mindeststandard, der jährlich zum 1. August durch die Zentrale Stelle Verpackungsregister festgelegt wird, nimmt 2022 erstmals Barriere- oder Sperrschichten in den Blick, die das Verpacken fettiger, pastöser oder flüssiger Nahrungsmittel erst möglich machen. Sie schaden möglicherweise den Stoffströmen beim Recycling. Das war auf der Fachpack auf vielen Ständen nicht bekannt. Bei einem Maschinenbauer hieß es: „Das ist nicht unser Problem. Wir liefern Maschinen, die Papier verarbeiten und befüllen können. Darum muss sich der Inverkehrbringer kümmern.“ Die Treets-Verpackung trägt übrigens das Prüfsiegel eines Entsorgers.

Auch der Verpackungsbereich leidet unter den gestiegenen Kosten. Die Erzeugerpreise, also die Preise gewerblicher Produkte, sind über 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Besonders die Packmittelindustrie leidet und ärgert sich: Innerhalb der Verpackungswertschöpfung sind es die Packstoffhersteller aus dem faserbasierten Bereich, die preistreibend wirken, obwohl sie es nicht müssten. Große Papierproduzenten sind nämlich längst auch Erzeuger nachhaltiger Energie, die aus den Produktionsprozessen gewonnen wird. Dort sind die Energiekosten überhaupt nicht gestiegen. „Aber leider haben unsere Lieferanten die Preise erhöht, als würden sie ihre Energie auf dem freien Markt einkaufen müssen“, klagt ein Manager eines Packmittelherstellers.

Im Maschinenbau gibt es auch ein Novum, das die Rückkehr der DDR befürchten lässt. Ausstellungsstücke gingen zum Teil unmittelbar nach Messeschluss zurück in die jeweilige Montage, da wichtige Bauteile, die zurzeit nicht verfügbar sind, ausgebaut werden mussten, um Liefertermine einhalten zu können. Die einstige Überflussgesellschaft muss sich damit aber erst noch arrangieren. Nichts ist mehr aus einem Guss.