Greenwashing Verbundstoffe sind keine Lösung

Eine neue Verpackungsstudie kommt zu dem Ergebnis, dass die Substitution von Kunststoffverpackungen durch papierbasierte Verbunde mehr Verpackungsabfall verursacht.

Sonntag, 03. Oktober 2021 - Verpackung
Silke Wartenberg
Artikelbild Verbundstoffe sind keine Lösung
Bildquelle: IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen

Die Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung GVM hat im Auftrag der IK Industrievereinigung Kunststoffe eine Studie über die Substitution von reinen Kunststoffverpackungen durch Papierverbunde durchgeführt. Als Papierverbunde zählen dabei alle kunststoffbeschichteten Papierverpackungen mit oder ohne Aluminium, auch wenn der Papieranteil bei über 95 Prozent liegt. Häufig werden Verbundstoffe mit „weniger Plastik“ beworben. Sie suggerieren dem Verbraucher eine bessere Umweltverträglichkeit, so die Kritik der IK. Vor allem bei Serviceverpackungen und höherpreisigen Lebensmitteln sowie Bio-Artikeln sei dieser Trend immer häufiger zu beobachten.

Im Rahmen der GVM-Studie wurde untersucht, wie sich die Substitution durch Papierverbunde voraussichtlich bis 2025 auf den Verpackungsmarkt auswirken wird, in welchen Marktsegmenten sie stattfinden wird und welche Auswirkungen sie auf den Materialverbrauch und die Recyclingfähigkeit von Verpackungen hat. Das Ergebnis: Im Jahr 2020 lag der Verpackungsverbrauch privater Endverbraucher von papierbasierten Verbundverpackungen in Deutschland bei 271.000 Tonnen. Die GVM prognostiziert, dass bis 2025 weitere 60.900 Tonnen Kunststoffverpackungen durch 85.5oo Tonnen Papierverbunde substituiert werden. Stimmt diese Prognose, würde sich das Abfallaufkommen bis 2025 um 25.000 Tonnen erhöhen. Dies bedeutet, dass 40 Prozent mehr Verpackungsmaterial notwendig wird, um die gleiche Menge an Produkten zu verpacken.

Probleme beim Recycling
In der Regel ist nur der Faseranteil der Verbundverpackung recyclingfähig, welcher meist bei über 70 Prozent liegt. Für die übrig gebliebene Kunststoffbeschichtung bleibt nur der Weg der energetischen Verwertung. Zudem stellt die GVM fest, dass das faktische Recycling des Faseranteils zurzeit massiv hinter der theoretischen Recyclingfähigkeit hinterherhinkt und der steigende Anteil der Verbunde zunehmend Probleme beim Altpapier-Recycling bereitet, erklärt IK-Geschäftsführerin Dr. Isabell Schmidt gegenüber der LP. Besonders bedauerlich sei es, wenn gut recyclingfähige Kunststoffverpackungen ersetzt werden, was mehrheitlich der Fall sei. Die Substitution von Kunststoffverpackungen durch Papier-Monoverpackungen war nicht Teil der Untersuchung.

Positiv zu vermerken ist, dass Papierverbunde zum Teil auch Kunststoffverpackungen ersetzen, die nach heutigem Stand nicht oder nur begrenzt recyclingfähig sind. Aufgrund der derzeit stattfindenden Investitionen in die Kreislaufwirtschaft geht die GVM jedoch davon aus, dass sich die Recyclingquote von Kunststoffverpackungen bis 2025 leicht erhöhen wird. Hier trete laut Schmidt die Substitution durch Papierverbunde also in Konkurrenz zur Optimierung der Recyclingfähigkeit im Kunststoffverpackungsmarkt.

Die Kunststoffverpackungshersteller setzten mit ihrer Nachhaltigkeitsstrategie auf Recyclingfähigkeit und Rezyklateinsatz. „Wie so oft lohnt sich ein zweiter Blick, auch hinter grün wirkende Überschriften und Werbebotschaften“, erklärt Schmidt. „Der Ersatz von Kunststoffverpackungen durch Papierverbunde ist Greenwashing. Wenn es bei der Verpackung auf die besonderen Eigenschaften des Materials Kunststoff ankommt, dann sollte auf Papierfasern komplett verzichtet werden und eine voll recyclingfähige Kunststoffverpackung gewählt werden.“

Dass diesen Weg auch viele Inverkehrbringer mitgehen wollen, zeigten die von der GVM geführten Interviews. Viele Marktteilnehmer äußerten Zweifel an der ökologischen Vorteilhaftigkeit von Papierverbunden und wollten im Sinne der Nachhaltigkeit den Einsatz von Kunststoffrezyklaten stärken. Die überwiegende Zahl der im Rahmen der Studie Befragten will ihre Kunststoffverpackungen nicht durch Papierverbunde ersetzen.

Insgesamt konnten die Experten nicht feststellen, dass die Substitution von Kunststoffverpackungen durch papierbasierte Verbunde ein Fortschritt ist. Eine endgültige Bewertung der ökologischen Auswirkungen könne jedoch erst nach genauerer Analyse erfolgen. Bisher gibt es laut GVM Ökobilanzen, die faserbasierten Einwegverpackungen Vorteile gegenüber Kunststoff-Mehrweglösungen bescheinigen. Die ökologischen Vorteile gehen dort jedoch vor allem auf den höheren Wasser- und Energieverbrauch durch den Mehrweg-Kreislauf zurück. Ein direkter ökobilanzieller Vergleich von Einweg-Kunststoff mit Einweg-Papierverbund liege noch nicht vor. Es spreche jedoch viel dafür, dass Fälle, in denen fast vollständig recyclingfähige Kunststoffverpackungen durch Papierverbunde ersetzt werden, zum jetzigen Zeitpunkt ökologisch nicht sinnvoll sind.