Biodiversität Wie alte Gemälde bei der Suche nach vergessenen Gemüsesorten helfen

Hintergrund

Alte Kunstgemälde können mitunter mehr über Pflanzenvielfalt offenbaren als moderne Datenbanken. Mehr noch: In Zeiten des Klimawandels tragen sie zur Ernährungssicherheit bei.

Montag, 28. April 2025, 05:40 Uhr
Hedda Thielking
„Ananas, Wassermelonen und andere Früchte (brasilianische Früchte)“ heißt das Gemälde von Albert Eckhout aus dem 17. Jahrhundert, zu sehen im Nationalmuseum von Dänemark. Bildquelle: Wikimedia

Was einst nur als dekoratives Stillleben galt, entpuppt sich heute als wertvolle Quelle für die Pflanzenforschung. Angesichts des Klimawandels und drohender Ernährungsunsicherheit suchen Wissenschaftler nach alten, widerstandsfähigen Obst- und Gemüsesorten, um möglichst viel Erbgut zu sichern. Fündig werden sie in Museen.

So staunte Ive De Smet, Wissenschaftler am Forschungszentrum für Pflanzen-Systembiologie im belgischen Gent, nicht schlecht, als er auf einem Gemälde aus dem 17. Jahrhun­dert etwas merkwürdig aussehende Melonen entdeckte. Gab es diese Melonen damals wirklich?

Wie er von einem Kunsthistoriker erfuhr, haben bestimmte Künstler in der Renaissance die damals bekannten Lebensmittel sehr detailliert gezeichnet. Das nahm der Pflanzenfor­scher zum Anlass, anhand solcher Gemälde alte Obst- und Gemüsesorten aufzuspüren. „Eine spannende Entdeckung war beispielsweise die orangefarbene Karotte, die im 16. Jahrhundert auf Gemälden in Antwerpen zu sehen war“, berichtet Ive De Smet. Mithilfe dieser „Kunst-Gene-tik“ kann er feststellen, welche Vorlieben für Lebensmittel die Menschen damals hatten und wie sie sich mit der Zeit weiterentwickelt haben.

Kunst-Genetik: kein Einzelfall

Zwei Wissenschaftler, ein Gedanke: Auch die italienische Agrarwissenschaftlerin Isabella Dalla Ragione forscht unter anderem mithilfe alter Gemälde nach alten, vergessenen Obst- und Gemüsesorten. So entdeckte sie auf einem Madonnenbild von Piero della Francesca aus dem 15. Jahrhundert rote Kirschen mit weißer Schattierung, eine kaum noch bekannte Acquaiola-Kirsche, wie sich herausstellte. Alle Entdeckungen dokumentiert sie akribisch.

Mehr noch: Die Präsidentin der Stiftung Fondazione Archeologia Arborea setzt sich seit vielen Jahren für den Schutz der pflanzlichen Biodiversität ein, insbesondere für die alten lokalen Sorten fruchttragender Pflanzen. Fündig wird sie zum Beispiel in verlassenen Bauernhöfen und Klöstern in Italien. Sie sichert das Erbgut dieser Sorten mit all ihren Farben, Düften und Aromen und verhindert damit, dass sie in Vergessenheit geraten. Und wer weiß, vielleicht steckt in der einen oder anderen Sorte Zukunftsmusik.