Zukunftsfreude, Zukunftsmut, smarte Ökologie, Morgenmöglichmacher. In Kommunikation und Marketing zu „grünen“ Themen fällt eines auf: Der Begriff Nachhaltigkeit hat weitestgehend ausgedient und die Tonalität ändert sich. Das gilt sowohl für Nachhaltigkeitsberichte, die neuerdings Fortschritts- oder Zukunftsberichte heißen, als auch in der Kommunikation zum Kunden.
„Der Begriff der Nachhaltigkeit ist mittlerweile so mit Verbot, Verzicht und Verlust besetzt, dass er keine Freude mehr macht“, sagt Stefanie Kuhnhen, Chefstrategin der Kreativagentur Serviceplan. Mehr Freude und Positivität heißt daher eine Devise. So wollen Hersteller und Kommunikationsexperten Verbrauchern wieder Lust auf nachhaltigen Konsum machen. Denn grünere Produkte und Klimaschutz stehen gerade nicht auf der Einkaufsliste. Viele Verbraucher fühlen sich aktuell ohnmächtig und zukunftslos, zeigen Marktforschungsstudien von Rheingold Institut und Yougov.
„Der sprachliche Trend geht in Richtung einer kreativeren und positiv konnotierten Sprache in der Unternehmenskommunikation und in der Markenwerbung“, erklärt Paul-Werner Hildebrand, Chef der Agentur Organic Markenkommunikation, wie sich die Vorgaben der Kunden aus der Lebensmittelbranche verändert haben.
Für Kerstin Erbe, als dm-Geschäftsführerin für den Bereich Produktmanagement zuständig, erscheint der Begriff der Nachhaltigkeit heute „rückwärtsgewandt, retro. Dabei wollen wir doch nach vorne gestalten“, erklärt sie, warum dm den Begriff Zukunftsfähigkeit gewählt hat, wenn es um nachhaltige Themen geht. dm wolle Lust auf Veränderung machen und vermitteln, dass Menschen diese selbst in der Hand haben durch ihr Wirtschaften, Handeln und Konsumieren. „Zentral ist immer die Frage: In welcher Welt möchten wir leben? Über unser Kundenmagazin Alverde beispielsweise setzen wir dazu thematische Akzente“, erklärt sie.
Vorteile für den Einzelnen im Fokus
Es gehe heute weniger um den Einsatz von Buzzwords, sondern stärker darum, „neue, glaubwürdige Narrative zu entwickeln, die die Menschen emotional erreichen und gleichzeitig konkrete Vorteile für den Einzelnen aufzeigen“, sagt Uti Johne, Geschäftsführende Gesellschafterin der Kommunikationsagentur Modem Conclusa.
Ein wichtiger Aspekt in der aktuellen Konsumstimmung. Denn laut Analyse der Marktforscher von Yougov liegt der Fokus der Verbraucher aktuell auf Genuss im Hier und Jetzt und darauf, was ihnen persönlich guttut und schmeckt. Hier setzt auch Oatly an. „Wir wollen mit Humor und Leichtigkeit zeigen, dass der Switch von Kuhmilch auf unseren Haferdrink nicht mit Verzicht einhergeht, sondern es im Gegenteil besser schmecken kann, gut für einen selbst und den Tierschutz ist und dabei klimaschonender“, erklärt Deutschland-Geschäftsführerin Svenja Fritz ihre Strategie. Es gehe jedoch weiterhin vor allem darum, ein Bewusstsein für die Auswirkungen der Treibhausgase zu schaffen. „Wir messen und kommunizieren weiterhin den Klimafußabdruck unserer Produkte direkt auf den Verpackungen, um Verbrauchern Informationen für eine bewusste Kaufentscheidung an die Hand zu geben“, sagt Fritz.
Klimafußabdruck im Marketing reduzieren
Kunden wieder Lust auf nachhaltigere Produkte zu machen, ist nur ein Grund für Veränderungen im Marketing. Rechtliche Unsicherheiten sind ein zweiter. Nach erfolgreichen Greenwashing-Klagen wollen Unternehmen keine Angriffsfläche bieten. Auch wirft die Green-Claims-Direktive ihren Schatten voraus. Die EU-Regulierung soll ab 2026 regeln, welche umweltbezogenen Aussagen überhaupt noch zulässig sind.
Viele Unternehmen betrieben Greenhushing, kommunizierten derzeit aus Angst gar nicht mehr zu Nachhaltigkeit, beobachtet Stefanie Kuhnhen. Das Marketing habe es selbst mitverschuldet, sagt sie im Podcast Regalplatz der Lebensmittel Praxis. „Es muss unsere Aufgabe sein, wieder einen funktionierenden Markt zu schaffen“, fügt sie hinzu. Es brauche Klarheit und Standards. Es brauche jedoch dringlicher denn je die Kommunikation zu Nachhaltigkeitsmaßnahmen, um Konsumenten zu begeistern und damit Unternehmen über Best-Practice-Beispiele voneinander lernen könnten. Ihre Hoffnung: ein positiver Wettbewerb um nachhaltige Innovationen und eine „Spirale nach oben“, um die ökosoziale Transformation der Wirtschaft zu beschleunigen. Essenziell: Nachhaltigkeit müsse aus dem Geschäftsmodell heraus systemisch angegangen werden, das Marketing sei der letzte Schritt.
„Wer sich selbst lobt, muss auch mit kritischen Rückfragen rechnen. Daher gehört an den Beginn einer glaubwürdigen Nachhaltigkeitskommunikation zunächst einmal ein fundiertes Nachhaltigkeitsmanagement“, sagt auch Nadine Hofer, Leiterin Beratung bei Engel & Zimmermann. Die doppelte Wesentlichkeitsanalyse, die Unternehmen im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichtspflicht (CSRD) vornehmen müssen, könne dabei helfen zu klären, welche Maßnahmen für das Unternehmen ganz besonders relevant sind und welche guten Geschichten es dazu zu erzählen gebe, weiß Hofer. Es gelte die Regel: Nur das sagen, was auch von unabhängigen Dritten überprüft und bestätigt ist, betont sie.
Kuhnhen geht es auch darum, dass das Marketing seinen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit leistet. „Die digitale Werbewirtschaft verursacht 3,5 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen“, sagt sie. Hier könne die Branche Maßnahmen ergreifen, den Klimafußabdruck von Unternehmen zu reduzieren. Beispiele gibt sie im Podcast Regalplatz.