Alfred Ritter Nachhaltig im Quadrat

Die Schokoladentafel mit den vier gleichlangen Seiten ist für Alfred T. Ritter noch nicht ausgereizt. Einer der Öko-Pioniere der deutschen Food-Szene erklärt das nachhaltige Wirtschaften im Einklang mit schwäbischem Kostenmanagement.

Dienstag, 14. September 2010 - Hersteller
Dieter Druck
Artikelbild Nachhaltig im Quadrat

Werner M. Bahlsen und Arend Oetker sind Namen aus der Branche, die sich via großformatiger Sammelanzeige für eine ausgewogene Energiepolitik der Bundesregierung stark gemacht haben. Waren Sie als bekannter „Stromrebell“ auch gefragt?

Alfred T. Ritter: Meine Unterschrift wurde nicht angefragt, ich hätte auch nicht unterschrieben. Denn letztlich geht es um eine Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke. Für mich der absolut falsche Weg. Deutschland ist weltweit führend bei Erforschung und Entwicklung regenerativer Energien. Das ist gleichzeitig einer der expansivsten Wirtschaftszweige unseres Landes. Eine Laufzeitverlängerung schwächt das Ganze immens. Zudem ist es der größte Bluff, das Erreichen der Klima-Ziele daran festzumachen, denn die zentrale Frage der Endlagerung ist noch nicht gelöst. Aber die vier großen Energiekonzerne können ihre Marktposition weiter festigen.

Welchen energetischen Weg haben Sie bei Ritter Sport eingeschlagen?

Wir haben zunächst einmal mit verschiedenen Anbietern verhandelt. Das ging ein paar Mal hin und her. Heraus kam letztlich, dass wir heute regenerativen Strom von EWS (Elektrizitätswerke Schönau) deutlich günstiger beziehen als den vorherigen Strommix, inklusive Atomstrom, von EnBW. Darüber hinaus haben wir ein Blockheizwerk gebaut, das rund ein Drittel der sonst notwendigen Primärenergie einspart. Das sind umgerechnet 1 Mio. l Heizöl oder 7.000 t CO2. Wir arbeiten weiter in diese Richtung. Insgesamt geben wir für einen lebensmittelproduzierenden Betrieb vergleichsweise wenig Geld für Energie aus, was ein eindeutiger Wettbewerbsvorteil ist.

Kommunizieren Sie diese Aktivitäten verstärkt nach draußen?

In der Vorzeit waren wir in dieser Hinsicht eher schweigsam, heute reden wir mehr darüber, auch, weil die Themen inzwischen angesagt sind.

Würden Sie sich als Querdenker bezeichnen?

Eher nein. Ich denke sehr einfach und gradlinig. Ich erlaube mir nur den Luxus einer eigenen Meinung, verbunden mit der Möglichkeit, diese etwas lauter kundzutun.

Was denken Sie über Ihre Bio-Schoklade?

Mit unserer Bio-Schokolade haben wir uns ehrlich gesagt mehr ausgerechnet. Ein Schwachpunkt ist vor allem die fehlende Distribution im Bio-Fachhandel. Dort fehlt die Akzeptanz, weil wir parallel konventionell und Bio anbieten. Wären wir hier präsent, sähe das Ganze anders aus. Aber auch der Umschlag im klassischen LEH wurde überschätzt.

Ebenso die Bereitschaft der Verbraucher dafür mehr auszugeben?

Das spielt eine zuätzliche Rolle. Es gilt die Faustregel, dass der Kunde bei Bio einen Preisaufschlag von 20 bis 30 Prozent akzeptiert. Wir setzen bei unserer Schokolade sehr teure Rohstoffe ein und liegen dann bei 80 Prozent. Und weil der Markt so klein ist, kommen wir nicht in bessere Preiskategorien. Aber wir halten an der Bio-Range fest.

Das ist ziemlich nachhaltig...

Ich finde das Wort Nachhaltigkeit eigentlich unbrauchbar. Besser gefällt mir der vom tegut-Chef Wolfgang Gutberlet in diesem Zusammenhang verwendete Begriff Fruchtbarkeit.

{tab=Zur Person}

  • Name Alfred T. Ritter
  • Job Inhaber und Vorsitzender der Geschäftsführung der Alfred Ritter GmbH & Co. KG, Waldenbuch
  • Geboren 1953 in Stuttgart
  • Ausbildung VWL- und Psychologie-Studium
  • Auszeichnungen: Ökomanager des Jahres, Prognose Zukunftspreis, Bundesverdienstkreuz am Bande, Deutscher Solarpreis, Europäisch-Chinesischer Nachhaltigkeitspreis
  • Vorlieben Der Herr über das Reich der Quadrate trägt gerne runde Brillen. Als Genussmensch liebt Alfred T. Ritter nicht nur Schokolade, sondern auch gute Zigarren und Weine. Neben der Bio-Vollmilch ist seine Lieblingssorte die Ritter Sport Edel-Vollmilch mit 35 % Kakao.

Und was verbinden Sie damit?

Basis ist für mich, wenn Sie denn so wollen, eine fruchtbare Zusammenarbeit. Ich will einfach ein guter und akzeptierter Arbeitgeber sein. Ich denke, dass wir mit unseren Gesundheitstagen, der Abschaffung der untersten Lohngruppe, der Gleichbezahlung von Mann und Frau bei gleicher Leistung etc. nachhaltige soziale Säulen gesetzt haben. Ein Zeichen dafür ist u.a., dass wir heute keinen Fachkräftemangel beklagen.

Das kostet. Wie passt dies zum schwäbischen Kostenmanagement?

Wir sparen, wo es geht und Sinn macht, knausern jedoch nicht bei den Mitarbeitern und den eingesetzten Rohstoffen. Unserer Management-Ansatz basiert auf der Vermeidung jeglicher Form von Verschwendung. Das reicht von der Materialseite über die Energie bis hinzu den Mitarbeitern. Mobbing und Streit untereinander ist eine Verschwendung von Ressourcen. Deshalb zahlt sich eine Investition in die Zufriedenheit von Mitarbeiter allemal aus.

Sie gaben das Stichwort Rohstoffe. Wie ist die Situation an den Rohstoffmärkten vereinbar mit der aktuellen Preisentwicklung im deutschen Schokoladen-Markt?

Was im Moment läuft, ist schwer nachvollziehbar. Wir haben uns allerdings aus den in diesem Jahr vorwiegend von Milka getriebenen Preisschlachten herausgehalten. Trotzdem ist die Marke nicht eingebrochen. Im klassischen LEH haben wir sogar Marktanteile gewonnen. Es ist gleichzeitig schwer, gegenüber dem Handel darzustellen, dass wir unsere Preise brauchen. Wir sind da wenig kompromissfähig, weil wir sonst unsere Produkt- und Qualitätsphilosophie aufgeben würden. Das geht nicht.

Sie konzentrieren sich sehr stark auf die quadratische Tafel. Bestehen Ambitionen in Richtung Saison, Pralinen oder andere Schokosegmente?

Praline ist derzeit nicht unser Thema. Erste Gehversuche werden wir in diesem Jahr in Richtung Saisonalisierung machen. Hier sind wir bislang klar unterrepräsentiert. Die Produkte kommen voraussichtlich Oktober auf den Markt, aber nicht bei allen Handelsunternehmen. Ansonsten kann ich nur sagen, dass das Quadrat noch nicht ausgereizt ist. Im Bereich von 5 bis 500 g ist einiges machbar.

Gilt das auch für das Shop-Konzept von Ritters Bunter Schokoladen-Welt in Berlin?

Die Resonanz und die Besucherzahlen in unserer Bunten Schokoladen-Welt sind riesig – aber ein zartes Pflänzchen. Sicherlich, das Konzept ist multiplizierbar. Es geht hier jedoch nicht primär um den Aufbau eines neuen Vertriebsweges, sondern es ist eine besondere Art der Markenrepräsentanz. Wir werden uns das Ganze noch etwas angucken und dann entscheiden. Außerdem entwickeln wir Ideen, die in eine ganz andere Richtung gehen. Ebenso werden wir den Online-Verkauf als wichtiges Standbein für die Zukunft ausbauen.

Und wie steht es um die Expansion des Auslandsgeschäftes?

Auch hier gehen wir weiterhin mit Bedacht vor. Ich bin kein Wachstums- sondern ein Qualitätsfanatiker. Wachstum allein ist kein Wertmaßstab. Mit dem Auslandsgeschäft machen wir knapp ein Drittel unseres Umsatzes. Kernmärkte sind Dänemark, aktuell mit einer starken Entwicklung, Italien, wieder expansiv, Österreich, ausbaufähig, und Russland, wieder aufsteigend.

Wie nachhaltig ist das Familienunternehmen in puncto Nachfolge aufgestellt?

Wir haben noch keine konkrete Nachfolgeregelung. Meine Schwester hat zwei Kinder, ich selbst drei. Sie werden langsam an das Unternehmen herangeführt und sind schon als Gäste bei den Beiratssitzungen dabei. Ich bin überzeugt, dass wir auch in der kommenden Genreation als Familienunternehmen fortbestehen werden.