Tierwohl Schritt für Schritt zum Umbau

Wenn mehr Tierwohl erzwungen wird, besteht die Gefahr, dass die Produktion ins Ausland abwandert, meint WLV-Präsident Hubertus Beringmeier.

Freitag, 16. Februar 2024 - Management
Jens Hertling
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Bildquelle: WLV

Beim Thema Tierwohl geht der deutsche Handel jetzt voran. Rewe und Aldi haben angekündigt, ihr Frischfleisch bis 2030 auf die Haltungsstufen 3 und 4 umzustellen. Wie denken Sie darüber?
Hubertus Beringmeier: Es ist ein erster Schritt in Richtung Umbau der Tierhaltung. Aufgrund des geringen Marktanteils wird das Projekt jedoch nur für einen kleinen Teil der Betriebe von Interesse sein. Bei den Investitionen sind die Landwirte derzeit eher zurückhaltend. Der Marktanteil von Frischfleisch aus den höheren Haltungsformen 3 und 4 liegt gegenwärtig bei 7 Prozent. Sobald ein geeignetes ganzheitliches Konzept vorliegt, stehen die Landwirte bereit. Tierwohl zu erzwingen, bedeutet meiner Meinung nach eine Produktionsverlagerung ins Ausland.

Ist eine Versorgungssicherheit im Fleischbereich gewährleistet?
Im Frischfleischbereich sehe ich keine Probleme. Für unsere Betriebe wäre eine Umstellung bis 2030 auf einen Schlag aber nicht machbar. Aufgrund von Unsicherheiten ist es derzeit mit einem hohen Risiko verbunden, auf eine höhere Tierhaltungsstufe umzurüsten oder zu bauen.

Welche Anforderungen stellen Sie an die Partner?
Wir fordern Abnahmesicherheit, langfristige Finanzierung und mehrjährige Festverträge. Dies gilt insbesondere für die höheren Tierhaltungsstufen. Insbesondere im Bau- und Immissionsrecht bestehen Lücken, die den Ausbau tiergerechter Haltungsformen erschweren oder verhindern. Am Ende muss der Gesetzgeber bekennen, was er will: Will er mehr Klimaschutz oder mehr Tierwohl?

Wie lautet Ihre Prognose für die Zukunft?
Die Entscheidung, welches Fleisch aus welcher Haltungsform er kauft, trifft der Verbraucher an der Theke. Ich bin überzeugt, dass alle Haltungsformen am Markt bestehen können. Die Empfehlungen der Borchert-Kommission liegen noch immer auf dem Tisch. Sie müssen nur von der Politik umgesetzt werden.

Welche Rolle spielen dabei die Verbraucher?
Eines der größten Probleme sehe ich im unterschiedlichen Verbraucherverhalten. Während der Coronakrise waren die Verbraucher bereit, etwas mehr auszugeben. In der jetzigen Situation ist das Geld einfach knapper. Der Verbraucher kauft im Moment sehr preisbewusst Oft will der Verbraucher Tierwohl, entscheidet sich im Laden aber vorrangig für den günstigen Preis.

Was fordern Sie vom Handel ganz konkret?
Wir fordern vom gesamten deutschen Handel ein klares Bekenntnis zu Fleisch aus deutscher Herkunft. Unsere Tierhalter brauchen Planungssicherheit.

Zur Person

Hubertus Beringmeier ist seit 2020 Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbands (WLV), einem freien Zusammen­schluss der Land- und Forstwirte in Westfalen und Lippe.