Herkunftskennzeichen Neues Logo in der Kontroverse

Das neue freiwillige Herkunftskennzeichen „Gutes aus deutscher Landwirtschaft“ soll für mehr Transparenz sorgen. Tut es das auch? Die LP hat sich im Handel und in den Branchen umgehört.

Freitag, 16. Februar 2024 - Strategie
Hedda Thielking und Jens Hertling
Artikelbild Neues Logo in der Kontroverse

Noch ein Logo gefällig? Seit Anfang des Jahres können viele landwirtschaftliche Produkte, die vollständig hierzulande produ­ziert wurden, mit dem neuen Siegel „Gutes aus deutscher Landwirtschaft“ gekennzeichnet werden (siehe blauer Kasten). Doch zurzeit sucht man es vergeblich im Handel. Die Zentrale Koordination Handel-Landwirtschaft e. V. (ZKHL) ist noch nicht so weit. Aber der Reihe nach: Mitte November hatte die ZKHL eine Branchenvereinbarung unterzeichnet. Sie besagt: Vom 1. Januar 2024 an soll das Herkunftskennzeichen Deutschland eingeführt werden. Anhand dieses Logos sollen Verbraucher Schweine-, Rind- und Geflügelfleisch, Obst, Gemüse, Kartof­feln, Eier und Milch (Trinkmilch, Joghurt pur, Quark pur), die über den gesamten Produktionsprozess in Deutschland hergestellt und verpackt wurden, auf den ersten Blick erkennen. Das Logo stehe für Authentizität und echtes „Made in Germany“, teilt die ZKHL mit. Die Umsetzung basiert auf einer freiwilligen Selbstverpflichtung der teilneh­menden Lebensmitteleinzelhändler und -hersteller. Dafür hat sich die ZKHL Vertreter der Handelsriesen Edeka, Rewe Group, Aldi und der Schwarz-Gruppe mit Kaufland und Lidl ins Boot geholt. Sie haben eine Absichtserklärung zugunsten des neuen Siegels abgegeben. Um das Logo nutzen zu können, müssen sie einen Lizenzvertrag mit der ZKHL schließen. Auf Nachfrage bei der ZKHL seien diese Verträge derzeit noch nicht finalisiert. Man arbeite mit Hochdruck an den letzten Details und gehe davon aus, dass im Frühjahr die ersten Produkte mit dem neuen Herkunftskennzeichen in den Handel kommen.

Stimmen aus dem Handel
Derweil arbeiten Edeka, Aldi und Rewe an der Umsetzung des Herkunftskennzeichens. Die Rewe Group wird es bei Rewe und Penny im Laufe des Jahres sukzessive umsetzen. Und: „Es wird keine preislichen Auswirkungen geben“, kündigt ein Rewe-Sprecher an.

Andere Handelsunternehmen, die bisher nicht mit der ZKHL kooperieren, sehen das Herkunftskennzeichen Deutschland mitunter skeptisch. So auch Guido Frölich, Qualitätsmanagement Landwirtschaft bei Tegut: „Ein weiteres Logo bedeutet wieder mehr Bürokratie und Aufwand in der Wertschöpfungskette. Mit dem Regionalfenster gibt es bereits ein Logo für Regionalität in Deutschland.“ Er weist darauf hin, dass es beispielsweise für die meisten Obst- und Gemüseprodukte schon eine Pflichtangabe des Ursprungs gibt. Des Weiteren gilt für Rindfleisch bereits eine komplette Kennzeich­nungspflicht, und seit Februar muss auch die Herkunft für unverpacktes Fleisch angegeben werden. „Da wir jetzt schon zu viele Siegel haben, glauben wir, dass die Transparenz eventuell für den einzelnen Fokus, aber nicht insgesamt durch ein solches Logo gesteigert wird“, sagt Guido Frölich. Sein Fazit: „Bislang ist nicht vorgesehen, das neue Logo zu nutzen. Wenn es die Wettbewerbssituation jedoch erfordert, müssen wir zusätzliche Kosten wie für die Verpackungsumgestaltung weitergeben.“ Auch bei Globus sieht man eine Überladung der Verpackung durch eine Siegelflut zunächst kritisch.

Stimmen aus der Obst- und Gemüsebranche
Ob das neue Siegel für mehr Transparenz sorgt, darüber ist man in den betroffenen Branchen unterschiedlicher Auffassung. Im Bereich Obst und Gemüse beispielsweise halten sich manche Branchenvertreter noch bedeckt. So möchte Elbe Obst zu dem Thema derzeit keine Stellung nehmen. Die Obst vom Bodensee Vertriebsgesellschaft (OvB), die bislang das „Geerntet in Deutschland“-Siegel der BVEO nutzt, hat noch keine abschließende Meinung zum freiwilligen Herkunftssiegel. Beerenspezialist Frutania verwendet das eigene Logo „Gepflückt in Deutschland“ und möchte auch dabei bleiben. Dagegen bekennt sich Rudolf Behr, Vorstandsvorsitzender der Behr AG, klar zum neuen Siegel: „Wir finden es erheblich besser als jedes Regionalsiegel und begrüßen die Initiative. Wir werden es verwenden.“

Hans-Jörg Friedrich, Vorstand Pfalzmarkt eG, erkennt Vor- wie Nachteile. Bei frischem Obst und Gemüse sei das Thema Herkunft ein immens wichtiger Aspekt für die Kaufentscheidung. Vor diesem Hintergrund sei der grundsätzliche Ansatz für das Logo „Gutes aus deutscher Landwirtschaft“ sehr gut. Doch er gibt zu bedenken: „Unsere Partner im LEH und die Verbraucher schauen auch immer stärker auf die Themen Nachhaltigkeit und eine schnellstmögliche Frischelogistik. Diese wichtigen Aspekte für die Kaufentscheidung deckt das neue Logo – als reines Herkunftszeichen – nicht ab. „Letztendlich entscheiden unsere Handelspartner, ob und in welcher Art und Weise wir das neue Logo auf der Verpackung platzieren“, so Hans-Jörg Friedrich. Bei unverpackter Ware, wie Radieschen oder Salate, seien allerdings die Handelspartner gefragt, für eine entsprechende Auszeichnung am PoS zu sorgen.

Fleischbranche begrüßt das Siegel
Der Verband der Fleischwirtschaft (VDF) begrüßt die Einführung des einheitlichen Herkunftskennzeichens. Geschäftsführer Steffen Reiter erläutert: „Fleisch aus Deutschland wird bereits seit einigen Jahren in erheblichem Maße mit der regionalen Herkunft beworben. Mit dem neuen, einheitlichen Logo kann nur Fleisch von Tieren gekennzeichnet werden, die in Deutschland geboren wurden. Dazu zählen allerdings nicht die vielen importierten Ferkel, sodass nur ein Teil des Schweinefleisches die Herkunftskennzeichnung trägt. Wenn durch die neue Kennzeichnung allerdings die Ferkelpro­duk­tion in Deutschland wieder belebt wird, hätten wir einen zusätzlichen positiven Effekt.“ Hubertus Beringmeier, Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbands (WLV), hofft, dass der Markt das Siegel auch annimmt. Er sagt: „Damit würden wir aus der Wirtschaft heraus die Herkunftskennzeichnung sicherstellen.“

Dagegen findet der Milchindustrie-Verband (MIV) das Herkunftskennzeichen überflüssig. Eine Wirkung auf den Milchpreis sieht der MIV zwar nicht, auf die Bürokratiekosten aber schon.

National versus regional
Mit dem neuen Logo liegt der Fokus auf nationaler Ware. Dabei ist Regionalität seit vielen Jahren ein wichtiges Kaufkriterium, und es gibt etliche Regionalinitiativen sowie regionale Handelsmarken. Braucht es da noch ein Herkunftssiegel Deutschland? Markus Pfeifer, Geschäftsführung Regional­marke Eifel: „Wir bekommen in Deutschland das Thema ,garantierte Herkunft‘ dauerhaft nur gelöst und transparent, wenn es eine klare gesetzliche Vorgabe gibt und wenn man dann viele Siegel löscht, um sich auf ein paar wenige zu konzentrieren.“ Das neue Zeichen eigne sich seiner Ansicht nach eventuell für Regionalinitiativen, die bisher kein neutrales Kontrollsystem aufgebaut haben. „Wir sind hier gut aufgestellt“, meint Pfeifer. „Die Qualitätsvorgaben werden von den gleichen Zertifizierungsstellen, die auch das neue Herkunftskennzeichen beziehungsweise das Regionalfenster kontrollieren, für uns durchgeführt.“ Er sagt: „Wir als Regionalmarke Eifel werden das neue Siegel (erst einmal) nicht nutzen. Aber: Wenn ein Eifel-Pro­duzent es einsetzen möchte, kann er das tun.“

Herkunftskennzeichen:die Kriterien
Gutes aus deutscher Landwirtschaft

Mit dem neuen Herkunftskennzeichen ­können folgende frische Produkte gelabelt werden, wenn mindestens die aufgeführten Erzeugungs- und Produktionsschritte allein in Deutschland vollzogen wurden:

Rind und Kalb sowie Schwein

  • Geburt (bei Schweinen Ferkelerzeugung 
 mit Haltung der Sauen)
  • Aufzucht und Mast
  • Schlachtung und Zerlegung
  • Verarbeitung und Verpackung

Geflügel

  • Elterntierhaltung
  • Schlupf
  • Aufzucht und Mast
  • Standort Futtermühle (Futtermittelhersteller mit Sitz in Deutschland)
  • Schlachtung und Zerlegung
  • Verarbeitung und Verpackung

Eier

  • Legehennenhaltung
  • Standort Futtermühle (s. o.)
  • Verpackung
  • Ab 2025 gelten erweiterte Mindestkriterien.

Obst, Gemüse und Kartoffeln

  • Anbau
  • Ernte
  • Verarbeitung und Verpackung

Trinkmilch, Joghurt pur, Quark pur

  • Melken (Milchviehbetriebe)
  • Verarbeitung und Verpackung
  • Die Kriterien für Milchprodukte sind nicht Bestandteil der Selbstverpflichtung der Branchenvereinbarung. Molkereien und Handel treffen hierzu bilaterale Vereinbarungen.

    Quelle: herkunft-deutschland.de