Globus-Gruppe „Großfläche hat Zukunft“

Die Globus-Gruppe hat ihren Umsatz gerade um ein Drittel erweitert. Wie das gelingt? Matthias Bruch und Thomas Hewer (Foto v.l.n.r.).

Freitag, 24. Februar 2023 - Management
Heidrun Mittler und Reiner Mihr
Artikelbild „Großfläche hat Zukunft“
Bildquelle: Ingo Hilger

Sie haben durch die Übernahme der Real-Märkte Ihr Geschäft um fast ein Drittel erweitert. Wie ist der Status quo Ihrer Expansion?
Thomas Hewer:
Die Übernahme der Real-Märkte ist für uns gleichermaßen Chance wie auch Herausforderung. Allein im letzten Kalenderjahr haben wir mit dem Neubau in Neunkirchen elf Häuser ans Netz genommen. Gestartet sind wir im Jahr zuvor mit drei Standorten. Dieses Jahr kommen drei weitere hinzu: Wesel, Siegen und Hamburg.

Was ist die schwierigste Aufgabe, die Sie bei der Übernahme lösen müssen?
Hewer:
Es ist ein langwieriger Prozess, diese Häuser in die Globus-Welt zu integrieren. Teilweise haben wir Häuser innerhalb von zwei Wochen umgeflaggt. Da rüsten wir jetzt die Dinge nach, die Globus ausmachen, also die Eigenproduktion wie Bäckerei, Metzgerei und natürlich Gastronomie. Andere Häuser haben wir geschlossen und kernsaniert – die konnten wir von Anfang an auf unser Konzept ausrichten und dort unsere gewohnte „Globus-Leistung“ für die Kunden erbringen.
Matthias Bruch: Ich muss sagen, dass wir Top-Standorte dazubekommen haben, zum Beispiel Braunschweig, Mannheim oder Bochum-Riemke oder Duisburg, um nur einige zu nennen. Aber viele Real-Märkte waren in die Jahre gekommen, es gab teilweise erheblichen Investitionsstau. In diesen Märkten dauert es eine Weile, bis Sie auf die bekannte „Globus-Leistung“ kommen. Manchmal etwas länger als erwartet, manchmal, wie etwa in Mannheim, geht es auch schneller.

Woran liegt das?
Bruch:
Zum einen daran, wie bekannt wir vorher schon in der Region waren. Im Ruhrgebiet beispielsweise war Globus bisher eher als Baumarkt bekannt und nicht für seine Markthallen. Es hängt weiter vom Führungsteam ab. Wenn dort langjährige Globianer mit ehemaligen Real-Mitarbeitern – die die Standorte und Kunden bestens kennen – zusammenarbeiten, entwickeln sich die Märkte teilweise sehr schnell. Perspektivisch werden uns die neuen Standorte alle stärken.

16 Häuser auf einen guten Stand zu bringen, kostet eine Menge Geld. Wie stemmen Sie die Finanzierung?
Bruch:
Die Finanzierung ist gesichert und erfolgt zum Teil auch durch Baukostenzuschüsse unserer Vermieter. Es hilft uns, dass die Globus-Gruppe stabile Ergebnisse erwirtschaftet. So wurde in der Gruppe im letzten Geschäftsjahr trotz der Real-Integration ein Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) von 280 Millionen Euro erwirtschaftet. Trotz der aktuell schwierigen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung gehen wir auch im laufenden Geschäftsjahr von einem Ergebnis auf hohem Niveau aus.

Das heißt, Sie können nachts gut schlafen?
Bruch:
Nicht immer, das liegt aber eher daran, dass ich zwei kleine Kinder habe. Aber natürlich sprechen wir über den größten Expansionsschritt, den Globus je gemacht hat. Das ist ein Kraftakt. Das geht nicht ohne Holpern und ohne dass man einmal nachjustieren muss.

Wie gelingt es Ihnen, die ehemaligen Real-Mitarbeiter in die Globus-Welt mitzunehmen?
Hewer:
An den Standorten, wo wir innerhalb von zwei Wochen aus Real Globus gemacht haben, können die neuen Kollegen nicht von heute auf morgen verstehen, wie unsere Systeme funktionieren. Das müssen wir den neuen Kolleginnen und Kollegen vermitteln, das braucht Zeit. Außerdem ermutigen und erwarten wir von unseren Mitarbeitern, dass sie als „Unternehmer vor Ort“ selbstständig agieren, also im Markt erkennen, was zu tun ist.
Bruch: Es hilft uns auch, dass wir im Rhein-Main-Gebiet vor einigen Jahren bereits Real-Märkte, also die ehemaligen Massa-Betriebe, integriert haben. Aus diesen Erfahrungen haben wir gelernt. An jedem neuen Standort brauchen wir das Wissen der Mitarbeiter, die sich in den Globus-Systemen auskennen und wissen, was uns im Kern ausmacht. Und die Kenntnisse der Mitarbeiter, die schon lange am Standort sind, ihre Kunden kennen und den Standort leben. So können wir gemeinsam eine große Stärke entfalten.

Sie leiden – wie alle anderen Händler – unter Personalmangel. Halten Sie dauerhaft an Eigenproduktion und Bedienungstheken fest?
Hewer:
Globus steht für Eigenproduktion, und wir stehen für die Thekenwelten. Diese Dinge sind fest in unserer DNA verankert. Die Frage lautet, an welcher Stelle wir Abläufe produktiver gestalten können. Und wo bekommen wir Nachfolger für die Mitarbeiter her, die in Rente gehen? Und wie qualifizieren wir die?
Bruch: Wo unterscheiden wir uns denn von einem guten Edekaner oder Rewe-Kaufmann? Insbesondere durch unsere eigenen Herstellungen direkt in den Häusern, wo wir unseren Kunden eine einzigartige Frische und ein herausragendes Preis- und Qualitätsverhältnis bieten! Der Kunde kann erleben, dass wir täglich vor Ort in der Bäckerei den Sauerteig frisch ansetzen. Oder in der Metzgerei die Wurst nach lokalen Rezepturen gemacht wird. Um diese Stärke zu erhalten, müssen wir noch kreativer werden, was die Suche nach Fachkräften angeht.

Was meinen Sie konkret mit „kreativer werden“?
Hewer: Wer heute im Markt sitzt und wartet, dass Bewerber kommen, der hat verloren.
Bruch: Bei uns kann sich heute jeder über WhatsApp bewerben. Wir bauen jegliche Hürde ab. Wenn ein Mitarbeiter an der Theke seine Kunden mit Herz und Leidenschaft berät und gerne mit Menschen umgeht, dann ist es mir egal, wenn er auf dem Zeugnis eine Vier in Deutsch hat. Zurzeit läuft zum Beispiel ein Projekt mit geflüchteten Menschen aus Afrika und Vietnam, die in unseren Metzgereien arbeiten. Wir beschäftigen auch beispielsweise Geflüchtete aus der Ukraine.

Themenwechsel: Kommen wir vom Personal zur Technik, die das Arbeiten im Markt erleichtern soll. Was steht bei Ihnen oben auf der Agenda?
Hewer:
Wir wollen den Anteil an Selfscanning mittels Investitionen deutlich erhöhen.

Wie hoch ist denn der Anteil bei Ihnen?
Hewer:
Das ist abhängig vom Haus, aber im Schnitt beträgt der Umsatzanteil 28 Prozent.
Bruch: Man spart als Kunde schon viel Zeit, insbesondere dann, wenn man den Einkaufswagen gut gefüllt hat. Man muss die Ware nicht aufs Kassenband legen und später wieder einpacken. Will ich jedoch nur fünf Artikel einkaufen, dann lohnt sich der Handscanner weniger.

Was planen Sie sonst noch?
Hewer:
Die elektronische Preisauszeichnung ist für uns ein Thema. Standardmäßig haben wir sie bislang in der Obst- und Gemüseabteilung sowie in der Plus- und Minus-Kühlung. Wir denken daran, alle Sortimente damit auszustatten. Bei den großen Flächen, die wir betreiben, sprechen wir da von einer hohen Investitionssumme. Außerdem arbeiten wir daran, die Prozesse in der Logistik zu automatisieren.

Sie haben 2015 eine Kleinfläche auf 800 Quadratmetern eröffnet, sie aber nach vier Jahren wieder geschlossen. Warum hat das Experiment nicht funktioniert?
Bruch:
Sie sprechen vom „Fridel“ in Saarbrücken. Dort haben wir Dinge entwickelt, die auf eine hohe Kundenakzeptanz gestoßen sind. Aber in der Gesamtbetrachtung war der Fridel nicht stark genug. Die Verbindung zwischen Markt und Restaurant ging nicht in dem Maße auf, wie wir uns das erhofft hatten. Wir haben das Konzept daher auch nicht multipliziert. Trotzdem haben wir dort im Sortiment vieles ausprobiert und entwickelt, das dann den Weg in die Hypermärkte gefunden hat.

Haben Sie den Spaß am Experimentieren fürs Erste verloren?
Bruch:
Nein, wir beschäftigen uns auch mit alternativen Formaten. So betreiben wir in Prag und Pardubice zwei Kleinflächen unter dem Namen „Globus Fresh“, auf 250 bis 300 Quadratmetern. Mit einer kleinen Metzgereitheke und frisch produzierten Backwaren aus unseren Hypermärkten. Wir fokussieren uns auf unsere Stärken. Darüber hinaus haben wir die alleinstehenden Metzgergrills. Es ist unglaublich, wie die Menschen zurzeit davor Schlange stehen. Wir betreiben sie aus den Metzgereien der Märkte heraus in Innenstädten, Baumärkten, Fachmarktzentren. Wir haben über 20 Metzgergrills außerhalb unserer Hypermärkte, die großes Potenzial haben.

Ihre Einschätzung: Welche Zukunft hat die Großfläche?
Bruch:
Die Großfläche hat Zukunft – es kommt drauf an, was man daraus macht. Man muss den „Local-Hero“-Anspruch leben, mit handwerklich hergestellter Ware, frisch vor Ort von Menschen und aus der Region passend zu den lokalen Geschmäckern. Mit Theken, an denen die Kunden qualifiziert und freundlich beraten werden und die Ware gekonnt inszeniert wird. Dazu gehören aber auch die Malls und die Partner, die wir in der Vorkassenzone haben. Wichtig ist dabei auch immer unser Restaurant als Begegnungsstätte, denn der soziale Aspekt spielt eine große Rolle. Insgesamt darf die Großfläche nicht beliebig sein, sondern ein Ort, der lebendig ist, wo immer etwas los ist und wo man alles bekommt, was man im Alltag braucht.

Welche Größe halten Sie denn für ideal, wenn wir über Großflächen sprechen?
Bruch:
Flächen mit über 10.000 Quadratmetern würden wir heute nicht mehr bauen. 5.000 oder 6.000 Quadratmeter Verkaufsfläche – das ist eine gute Größe. Dann kann man das Besondere der Großfläche zeigen und unsere Stärken zur Geltung bringen. Es ist gleichzeitig nicht so groß, dass die Menschen die Lust verlieren, die Wege zu gehen.