Preisverhandlungen „Pepsi hat massig Luft“

Ist der Handel Anwalt seiner Kunden oder schützen Edeka und Rewe durch harte Preisverhandlungen vornehmlich doch nur ihre Renditen?

Freitag, 24. Februar 2023 - Strategie
Tobias Dünnebacke
Artikelbild „Pepsi hat massig Luft“
Bildquelle: Edeka Gradl/Instagram-Screenshot

Jens Gebauer macht in den sozialen Netzwerken seinem Ärger Luft: „US-Konzerne wollen bis zu 30 Prozent höhere Einkaufspreise für Deutschland. Na dann viel Spaß. Pepsi hat ein EBIT von 15 Prozent, Edeka/Rewe von geschätzt 3 Prozent.“ Der Vorzeige-Edekaner aus Göppingen steht mit seiner Kritik nicht alleine da. So ärgerlich es für viele Selbstständige ist, ihren Kunden bekannte Marken vorenthalten zu müssen, so fest stehen die meisten doch hinter den harten Verhandlungen, die die Hamburger Zentrale mit großen Konzernen führt und die zeitweise für leere Regale sorgen können. „Pepsi hat massig Luft, Rewe und Edeka kämpfen um positive Ergebnisse in den nächsten zwei Jahren. Das werden knüppelharte Verhandlungen“, prognostiziert Gebauer.

Der Streit mit dem US-Konzern Pepsico ist nur das jüngste Beispiel immer wiederkehrender Konditionsstreitereien, welche die großen deutschen Handelshäuser wahlweise mit Größen wie Coca-Cola, Nestlé, Beiersdorf oder eben Pepsi ausfechten. „Die zunehmende Auslistung von Marken wird ein gewohntes Bild werden. Dann kaufen wir halt mehr regional oder Eigenmarke. Auch Innovationen haben in den Regalen wieder mehr Chancen“, glaubt Carsten Kortum, Studiengangsleiter BWL-Handel an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg.

Warum Konditionsstreitereien, die natürlich nicht neu sind, gerade jetzt wieder an Brisanz gewinnen, liegt auf der Hand: Der LEH gehörte zwar zu den Gewinnern der Pandemie. Explodierende Energiekosten, Mitar‧beitermangel und Inflation machen das Geschäft aber schwieriger. „Wir dürfen uns nicht über den Tisch ziehen lassen“, sagt ein anderer Edekaner zu der harten Kante von Edeka-Chef Mosa.

Markenverband hält dagegen
Christian Köhler, Hauptgeschäftsführer Markenverband, geht mit dem aus seiner Sicht ungerechtfertigten Margenvergleich hart ins Gericht: „Dieser Vergleich ist per se falsch. Die Frage, ob Kostenerhöhungen intern kompensiert werden können oder weitergegeben werden müssen, stellt auf die Rentabilität des Geschäfts bezogen auf das gebundene Kapital ab. Und da sind die Renditen der erfolgreichen Händler häufig viel höher als die der Hersteller, unter anderem wegen der hohen Kapitalbindung in Produktionsanlagen oder in Forschungseinrichtungen.“

Dass Eigenmarken des Handels die Produkte internationaler Großkonzerne dauerhaft ersetzen könnten, glaubt Otto A. Strecker von der AFC Consulting Group nicht. „Die Markenartikelindustrie bietet Leistungen, die die Eigenmarken nicht erbringen können: Frequenz in die Geschäfte bringen, Innovationen entwickeln, Marketing und Verkaufsförderung am PoS und anderes mehr“, so der Berater. Aus diesem Grund könne man auch nicht einfach die Kostenkalkulation einer Handelsmarke mit der einer echten Marke vergleichen. Strecker gibt in Richtung Industrie aber auch zu bedenken: „Ich habe in unserer Beratung schon diverse Hersteller erlebt, die feste Prozentsätze für Gemeinkosten auf die Herstellkosten einzelner Produkte aufschlagen. In den jetzigen Zeiten von stark steigenden Rohstoffpreisen katapultiert das natürlich die Preiskalkulation in teilweise ungerechtfertigte Größenordnungen, weil nicht alle Kostenarten gleich stark gestiegen sind.“

Gegenseitiges Misstrauen
Dass die Nerven zunehmend blank liegen, zeigt die Öffentlichkeit der Debatte – galt doch lange das Credo „Über Preisverhandlung spricht man nicht“. 2022 kam es zu medienwirksamen Streitereien, unter anderem mit Mars (Tierfutter), Kellogg’s oder Eckes-Granini. Rewe-Chef Lionel Souque sprach dann Ende des Jahres von „unglaublichen“ Preisforderungen seitens Pepsico beim Energydrink Rockstar und stellte im „Tagesspiegel“ die für den US-Konzern ketzerische Frage: „Wer braucht schon Rockstar?“
Edeka-Chef Markus Mosa nennt als einen Grund für die harten Verhandlungen ein Verantwortungsbewusstsein gegenüber den von Preissteigerungen gebeutelten Kunden. Eine Haltung, die Köhler vom Markenverband kritisiert: „Der Handel spielt sich im Angesicht der Krise gerne als ‚Anwalt der Verbraucher‘ auf. Fakt ist aber, dass der beispiellose Anstieg der Kosten für Rohmaterial, Verpackung, Energie, Transport und Personal Industrie und Handel gleichermaßen vor riesige Herausforderungen stellt.“ Die Kostensteigerungen könnten nicht allein auf die Produzenten abgewälzt werden. Öffentlich ausgetragene Eskalation über die Medien hält der Köhler zudem für kontraproduktiv: „Das hilft niemandem. Am wenigsten den Konsumenten.“

Auf die Frage, warum die Großkonzerne gerade in dieser angespannten Situation das Kräftemessen mit dem Handel suchen, weiß Strecker eine Antwort: „Preisverhandlungen spiegeln immer die Kostensituation, aber auch die Machtkonstellation der Beteiligten wider. Sicher soll hier auch einmal ausge‧reizt werden, wie weit die Bereitschaft des Handels geht, den Herstellern entgegenzukommen.“ Ein Kaufmann, der namentlich nicht genannt werden möchte, hat eine andere Vermutung. „Es scheint, als hätten die US-Konzerne kein sonderliches Interesse mehr am deutschen Markt.“

3 Fragen an

Prof. Dr. Otto A. Strecker, Vorstand der auf die Lebensmittelwirtschaft spezialisierten AFC Consulting Group AG. Er ist Honorarprofessor an der Universität Bonn.

Häufig werden die im Vergleich zum Handel höheren Margen der Konzerne als Argument gegen höhere Preise angeführt. Ein für Sie stimmiges Argument?
Otto A. Strecker:
Gerne wird in dieser Rechnung der gesamte Außenumsatz von Edeka oder Rewe genommen und ins Verhältnis zum Konzerngewinn der Zentrale gestellt. Dabei gibt es einige systematische Verzerrungen: Der Außenumsatz wäre nur dann die richtige Vergleichsgröße, wenn dem Konzerngewinn auch die Gewinne aller selbstständigen Kaufleute zugerechnet würden. Eine solche Rechnung habe ich noch nie gesehen.

Wie würde die Rechnung für Sie Sinn ergeben?
Vergleichen wir die Umsatzgewinn-Rate der Edeka-Zentrale (ohne Händler) mit der eines großen Markenartikelherstellers. Der Umsatz des Edeka-Zentrale-Konzerns liegt für 2021 bei rund 43,9 Milliarden Euro, der Gewinn vor Steuern und Zinsen (EBIT) liegt bei 504,5 Millionen Euro. Das sind rund 1 Prozent vom Umsatz. Dagegen glänzt Mondelez 2021 mit einem EBIT von 4,8 Milliarden US-Dollar, die aus einem Umsatz von 28,7 Milliarden US-Dollar resultieren, das entspricht 16 Prozent.

Sie scheinen die These des Handels zu bestätigen …
Nein. Es ist für einen Unternehmer, ebenso wie für jeden Anleger, völlig unwesentlich, wie das Verhältnis von Umsatz und Gewinn sich gestaltet. Entscheidend ist, was man für das eingesetzte Kapital für eine Verzinsung erhält. Es geht also um das Verhältnis von Gewinn zu Eigenkapital. Und hier sieht es anders aus. Die Edeka kommt mit einem Eigenkapital von 2,2 Milliarden Euro aus und erwirtschaftet mit einem EBIT von 504,5 Millionen Euro eine Eigenkapitalrendite von 23 Prozent. Bei Mondelez ist das Geschäftsmodell viel kapitalintensiver. Das Eigenkapital beträgt rund 28,3 Milliarden US-Dollar, das EBIT von 4,8 Milliarden US-Dollar entspricht also nur einem Vergleichswert von rund 17 Prozent. Der Hersteller hat zwar die höhere Umsatzrendite, aber für den Unternehmer oder Investor lohnt es sich mehr, beim LEH investiert zu haben.