Tierwohl Wer soll das bezahlen?

Landwirtschaftsminister Cem Özdemir hat endlich die Eckpunkte für ein staatliches Tierhaltungskennzeichen vorgestellt. Vieles bleibt dabei leider noch sehr diffus – nicht nur die Finanzierung.

Sonntag, 26. Juni 2022 - Management
Jens Hertling
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Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir treibt sein Projekt eines Tierwohllabels voran und stellte die Eckpunkte für eine „verpflichtende staatliche Tierhaltungskennzeichnung“ vor. Damit will der Minister über das freiwillige vierstufige Label für Haltungsformen hinausgehen, das die großen Lebensmittelhändler mit der Initiative Tierwohl (ITW) vor drei Jahren eingeführt haben. Das System könne sehr gut in ein staatliches Label integriert werden, so der Minister – allerdings ohne zunächst konkret zu werden.

Özdemir plant nun ein fünfstufiges Modell: Angefangen mit der niedrigsten Stufe (Haltungsform Stall) bis hin zur höchsten Stufe (Bio) sollen Verbraucher beim Kauf tierischer Produkte sehen können, wie das Tier gehalten wurde. In einem ersten Schritt soll die Kennzeichnung für frisches Schweinefleisch eingeführt werden. Danach ist geplant, sie sukzessive auszuweiten. Perspektivisch solle die Kennzeichnung auch verarbeitete Produkte und schließlich Fleisch von „allen Tieren“ umfassen.

Die Kennzeichnung soll auch die Pflichten der Landwirte sowie der Vermarkter festschreiben. Die verbindliche staatliche Haltungskennzeichnung sei ein „zentraler Baustein einer zukunftsfesten landwirtschaftlichen Tierhaltung“, sagte der Minister. „Unsere tierhaltenden Betriebe brauchen dringend eine verlässliche und langfristige Perspektive, damit sich Investitionen lohnen.“ Viele Verbraucher „wollen wissen, wie die Tiere gelebt haben, deren Fleisch sie an der Ladentheke oder im Supermarkt kaufen“, sagte Özdemir weiter. „Mit der verpflichtenden staatlichen Tierhaltungskennzeichnung schaffen wir nun die seit Jahren überfällige Transparenz.“

Eng getaktet: Label 2023 geplant
Özdemir verwies auch auf die schwierige Lage vieler Höfe. So habe sich von 2010 bis 2020 die Zahl der Schweine haltenden Betriebe halbiert. Zukunftsfest könne die landwirtschaftliche Tierhaltung nur sein, wenn sie dem Tierwohl gerecht werde. „Wer Tiere nutzt, hat auch die Pflicht, sie gut zu halten.“ Gleichzeitig könnten Halter aber auch einfordern, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen für Tierschutz oder Tierwohl geschaffen würden. „Ich will, dass auch in Zukunft noch gutes Fleisch aus Deutschland auf den Tisch kommt“, sagte Özdemir.

Ein entsprechender Gesetzentwurf soll noch vor der Sommerpause in die Ressortabstimmung gehen und noch in diesem Jahr parlamentarisch beraten werden. 2023 würde die Kennzeichnung dann eingeführt.

Die Betriebe sollen bei Stallumbau und Folgekosten unterstützt werden, die dafür eingeplanten 1 Milliarde Euro reichen aber nicht aus, so Özdemir. Er räumte ein, dass es in der Koalition noch Klärungsbedarf gebe. Welches Finanzierungskonzept der Minister bevorzugt, bleibt ebenfalls im Ungefähren: „Es reicht auch, wenn man mir über den Einzelplan weiteres Geld zusagt.“

Wie soll das Siegel aussehen?
Wie das staatliche Logo genau aussehen soll, ist ebenfalls noch offen. Klar ist, dass es nun um einen anderen Ansatz geht als zuletzt lange diskutiert, nämlich eine verpflichtende Kennzeichnung für alle Haltungsformen statt eines freiwilligen Siegels nur für bessere Haltungsformen. Zuletzt wollte Özdemirs Vorgängerin Julia Klöckner ein Tierwohl-Logo mit Anforderungen oberhalb des Gesetzesstandards in die Regale bringen – die Umsetzung der Pläne scheiterte jedoch.

Positive Reaktionen im Handel
Der Handelsverband Lebensmittel (BVLH) begrüßt die Pläne Özdemirs in einer Stellungnahme. Die Nutztierhaltung in Deutschland müsse umwelt- und tierwohlgerecht und wirtschaft‧lich tragfähig weiterentwickelt werden. Eine Haltungskennzeichnung sei der erste wichtige Schritt dahin. Diesen erkennt auch der Deutsche Bauernverband an und fordert einen Zeitplan für die Einbeziehung von Rind und Geflügel.

Die Schwarz-Gruppe begrüßt die konkreten Planungen von Cem Özdemir und seinem Team, noch in dieser Legislaturperiode eine staatlich verpflichtende Tierhaltungskennzeichnung einzuführen. Für die Gruppe ist das Vorhaben aus diesem Grund der konsequente „nächste Schritt, der den Fortbestand der Initiative Tierwohl (ITW) und damit erfolgreicher marktwirtschaftlicher Strukturen sicherstellt“.
Der Edeka-Verbund teilte mit, dass noch viele Fragen offen seien, etwa zu den Kriterien einzelner Stufen, der Kontrollsystematik oder zur Finanzierung. „Grundsätzlich halten wir aber den Weg für richtig. Von zentraler Bedeutung ist, dass die bisherigen Bemühungen der gesamten Wertschöpfungskette im Rahmen der ITW in dem nun vorliegen‧den Konzept Berücksichtigung finden“, sagte ein Sprecher.