Beim niederländischen Bio-Obst- und -Gemüsehändler Eosta hat soziale Nachhaltigkeit einen großen Stellenwert. „Unsere Verantwortung und unser Handeln für Mitarbeiter, Lieferanten, Kunden und die Gesellschaft richtet sich nach den Kernthemen: Menschenrechte, Teilhabe, Transparenz, Diversität, Gleichheit, Gemeinschaft“, erklärt Eosta-Geschäftsführer Volkert Engelsman. Es gehe neben Aspekten wie Gesundheit und Sicherheit auch um persönliche Entwicklung, Entfaltung, Bildung, Gedanken-, Gewissens-, Religionsfreiheit und die Freiheit der Meinungsäußerung.
Über die Nachhaltigkeitsblume als Transparenz- und Kommunikationsmodell der Marke Nature and More sind für jedes Produkt Informationen zu Bauern, den Maßnahmen für Umwelt- und Klimaschutz sowie sozialen Verbesserungen im Anbau abrufbar. Aktuell legt Eosta einen Schwerpunkt auf den „richtigen Lohn“.
Was tut Eosta, um Arbeits- und Lebensbedingungen entlang der Lieferkette zu verbessern?
Volkert Engelsman: Es gibt schon lange eine ganze Reihe an Projekten, die dazu dienen, die sozialen Bedingungen für Produzenten in Entwicklungsländern zu verbessern. So geht aus der Kampagne „One Cent for the Future“ je ein Cent Preisaufschlag am PoS pro Kilogramm Ware in vollem Umfang an die Arbeiter in den Ländern des Südens. Es werden kleine Kliniken, neue Häuser für die Arbeiter, Schulbibliotheken, Solaranlagen oder Fußballfelder finanziert. In Mexiko wurde eine komplette Schule gebaut, in Argentinien ein regionales Symphonie-Orchester unterstützt, das Verdi-Opern mitten in der Wüste aufführt. Dort arbeiteten plötzlich viele russische Flüchtlinge im Apfel- und Birnen-Anbau. Viele Russen sind sehr musikalisch, das Orchester ist Balsam für ihre Seele und unterstützt die Integration.
Das klingt nach sehr individuellen Ansätzen und persönlichen Kontakten.
Es läuft immer über persönliche Kontakte. Wir individualisieren die Lieferkette, denn Anonymität ist der größte Bringer von Unglück. Der Schlüssel für eine nachhaltigere Wirtschaft sind transparente Lieferketten und Storytelling. Je transparenter und persönlicher die Informationen über den Anbau und die Menschen dahinter, und je mehr der Verbraucher darüber erfährt, was mit seinem Geld im Produktionsland geschaffen wird, desto besser.
Aktuell fokussieren Sie sich auf den Faktor der existenzsichernden Löhne. Wie gehen Sie vor?
Gemeinsam mit den Vereinten Nationen und Entwicklungshilfeorganisationen arbeiten wir mit Hochdruck daran, Benchmarks für existenzsichernde Löhne zu ermitteln und eine gerechte Teilhabe zu gewährleisten. Wir sind schon einige Zeit an diesem Thema, aber haben noch viel Arbeit vor uns.
Welche Kriterien fließen ein, und für welche Länder wurden Benchmarks definiert?
Tansania, Kenia, Uganda, Ghana, Burkina Faso. In der Pipeline sind die Elfenbeinküste, Senegal, Costa Rica, Honduras, Guatemala etc. Es geht um Grundbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung und Unterkunft, aber auch Bildung, Gesundheitsfürsorge und Rücklagen für unerwartete Lebensereignisse.
Wo liegt die größte Herausforderung, um Benchmarks festzulegen?
Es gibt zum Beispiel Wanderarbeiter aus anderen Ländern, die nicht nur sich, sondern auch ihre Familien im Heimatland ernähren. Wie ermittle ich für sie existenzsichernde Löhne? Ein weiteres Beispiel: In Kleinbauern-Gemeinschaften wie in Tansania bauen Farmer oft verschiedene Produkte an, beliefern nicht nur uns. Hier kann man dann nicht mehr von existenzsichernden Löhnen sprechen, sondern es geht um existenzsichernde Einkommen und die Frage, wie wir und die von uns gezahlten Preise in diesen Mix passen.
In einem ersten Projekt haben Sie sich das Ziel gesetzt, die Lohnlücke im Mango-Anbau in Burkina Faso zu schließen. Wie weit sind Sie hier?
Für Burkina Faso haben wir einen städtischen existenzsichernden Lohn von etwa 247 US-Dollar pro Monat berechnet, und einen ländlichen existenzsichernden Lohn von etwa 205 US-Dollar pro Monat. Dies liegt weit über dem gesetzlichen Mindestlohn in Burkina Faso, der für einen ungelernten Arbeiter nur 55 US-Dollar pro Monat beträgt. Seit Mai 2020 konnten Kunden Mangos aus dem Projekt inklusive eines Aufschlags von zehn Cent pro Kilo für existenzsichernde Löhne kaufen. Die gesammelte Prämie wird an den Erzeuger Fruiteq ausgezahlt und dort für Maßnahmen verwendet, die eine strukturelle Lohnerhöhung für die Mitarbeiter erzielen. Das Projekt wird auch für einen unserer Ananas-Erzeuger in Südamerika sowie Avocado-Erzeuger in Kenia durchgeführt.
Wie kommunizieren Sie das Thema am PoS?
Auf jeder Mango ist ein Sticker mit dem Living-Wage-Logo, wir haben Promotionmaterial wie Regalstopper gestaltet, die darüber informieren, dass den Produzenten die richtigen Gehälter gezahlt wurden. Wir animieren dazu, sich auf der Website livingwage.eu zu informieren. Hier stellen wir dar, wie kontrolliert wird, wie Benchmarks aussehen, wie nah wir unseren Zielen sind.
Wie ist die Reaktion bisher?
Wir bekommen von den Einzelhändlern sehr viel Applaus dafür, dass wir nicht nur Studien durchführen, sondern am PoS Lösungen bieten.
Wie ist Ihre Meinung zu dem von der Bundesregierung diskutierten Lieferkettengesetz? Wie gut wäre Eosta hierfür aufgestellt?
Je früher solche Gesetze kommen, desto besser. Sind wir dafür gut aufgestellt? Ja und nein. Wir arbeiten nach unserem fundierten Nachhaltigkeits- und Transparenzsystem, haben aber noch immer viel Arbeit vor uns. Was uns bremst, ist das ungleiche Spielfeld im Markt. Wer am meisten ausbeutet, hat aktuell einen Konkurrenzvorteil. Hier könnte die Politik eine wichtige Rolle spielen, um für gleiche, sprich faire Rahmenbedingungen zu sorgen. Ein fehlendes Gesetz kann aber nie eine Entschuldigung dafür sein, nichts zu tun.
Was fordern Sie von einem Gesetz?
Alles fängt an mit einer fairen Verteilung von Wohlstand. Und das Thema Gesundheit sollte dringend einbezogen werden. Im Moment gibt es noch immer zu viele Schäden durch agrochemische Mittel. Wir müssen damit aufhören, uns selbst und die Erde zu vergiften.