Corona Wichtiges Signal

Ist das neue COVID-19-Insolvenz-Aussetzungsgesetz eine wirksame Waffe gegen eine Flut von Pleiten? Expertin Alexandra Schluck-Amend erläutert im Gespräch die Vor- und Nachteile des neues Gesetzes.

Freitag, 24. April 2020 - Management
Jens Hertling
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Durch den Corona-Schock ist die deutsche Wirtschaft innerhalb kürzester Zeit von 100 auf fast null heruntergefahren. Welchen Eindruck haben Sie von der aktuellen Lage?
Alexandra Schluck-Amend: Die Situation ist beispiellos und stellt fast alle Unternehmen vor große Herausforderungen. Nicht alle Branchen sind gleich schwer betroffen, aber manche verlieren gerade nahezu sämtliche Umsätze. Da sind eventuell vorhandene Reserven schnell aufgezehrt.

Was ist das größte Problem in dieser Situation?
Momentan ist es schwer vorherzusehen, wie lange der Zustand anhält und wie gravierend die Beeinträchtigungen ausfallen. Auf der Grundlage der aktuellen Umstände kann man kaum eine solide Planung aufstellen, künftige Umsätze und Kosten berechnen und einen konkreten Finanzierungsbedarf benennen. Zudem ist zurzeit noch nicht klar, ob und wie schnell die staatlichen Fördermaßnahmen bei den Unternehmen ankommen.

Die Bundesregierung hat Hilfspakete für die Unternehmen aufgelegt. Wie bewerten Sie diese Maßnahmen?
Ohne diese Fördermaßnahmen und Soforthilfen geht es nicht. Es war ein wichtiges Signal, jetzt umfangreiche Hilfen zuzusagen. Allerdings sind Details noch immer unklar. Neben kleinen Soforthilfeprogrammen sind die wesentlichen Instrumente die ausgeweiteten Förderprogramme der KfW, die über die Hausbanken beantragt werden können. Offen ist zurzeit, wie die Hausbanken mit den vielen Anfragen umgehen, da die KfW zwar bis zu 90 Prozent des Risikos übernimmt, in der Summe aber auch ein erhebliches Risiko für die Banken bleibt.

Das Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bei einer durch die Pandemie bedingten Insolvenz (COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz, kurz COVInsAG) liegt nun vor. Was ist der wichtigste Punkt?
Das COVInsAG löst die finanziellen Probleme der Unternehmen nicht. Es verschafft ihnen aber die nötige Zeit, um mit den Stakeholdern eine tragfähige Lösung zu suchen. Kernpunkte hierfür sind die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis zum 30. September 2020. Dies greift nur dann nicht, wenn die Insolvenzreife nicht auf den Folgen der Covid-19-Pandemie beruht oder wenn keine Aussichten auf Beseitigung einer Zahlungsunfähigkeit bestehen. Die beiden letzten Punkte werden vermutet, wenn das Unternehmen zum 31. Dezember 2019 noch nicht zahlungsunfähig gewesen ist. Folgen der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht sind gelockerte Zahlungsverbote, die stark eingeschränkte Insolvenzanfechtung sowie der Schutz neuer Finanzierungen, selbst dann, wenn es sich um Gesellschafterdarlehen handelt. Im Paket bilden die Maßnahmen einen umfassenden Schutz, damit sich Unternehmen restrukturieren können.

Das heißt, dass es vorerst keine Corona-bedingten Pleiten geben wird?
Das stimmt so nicht ganz, aber es werden viel weniger sein. Wer keine Aussicht auf Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit hat, etwa weil Fördermaßnahmen nicht offen stehen und Banken oder Gesellschafter nicht weiter finanzieren können oder wollen, für den bleibt die Insolvenzantragspflicht bestehen. Außerdem wird zwar die Antragspflicht ausgesetzt, andere Haftungsrisiken bleiben aber bestehen.

Welche Auswirkungen hat das Gesetz auf die Unternehmen?
Wer nun in Liquiditätsschwierigkeiten gerät, sollte prüfen und dokumentieren, ob die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht greift und ob man die Voraussetzungen für staatliche Fördermaßnahmen erfüllt. Falls dies bejaht werden kann, wird man trotzdem eine neue Unternehmensplanung aufstellen müssen und eventuell Restrukturierungsmaßnahmen treffen müssen. Sollte die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wie derzeit vorgesehen am 30. September 2020 enden, muss spätestens dann die Finanzierung für das laufende und das folgende Geschäftsjahr stehen, um eine sogenannte positive Fortbestehensprognose aufstellen und damit auch die insolvenzrechtliche Überschuldung ausschließen zu können.

Unter welchen Voraussetzungen können Unternehmen davon Gebrauch machen?
Wichtig ist, dass man zum 31. Dezember 2019 noch nicht zahlungsunfähig war, die Insolvenzreife durch die Covid-19-Pandemie bedingt ist und es Aussichten auf Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit gibt.

Und wie lassen sich die Rechte der Gläubiger sicherstellen?
Gläubiger werden über den Sommer vielfach über Sanierungskonzepte verhandeln und über Sanierungsbeiträge nachdenken müssen. Ausgesetzte Zahlungen bleiben zudem fällig und müssen später mit Zinsen beglichen werden. Gelingt eine einvernehmliche Lösung nicht, steht die Möglichkeit der Insolvenzantragstellung für Gläubiger in einigen Monaten wieder offen. Im Grundsatz bleibt es aber dabei, dass Gläubiger ihre Rechte aktiv wahrnehmen müssen.

Der Hauptgläubiger wird dann ja der Staat sein. Wird er auf die Rückzahlung der Kredite verzichten?
Das lässt sich heute kaum sagen. Tatsache ist, dass durch die Förderkredite die Schuldenlast bei vielen Unternehmen erheblich steigen wird. Das muss nicht zwingend zum Zusammenbruch führen, kann aber auch das künftige Wachstum der Unternehmen erschweren und so die Erholung der Konjunktur bremsen. Der Staat könnte also ein Interesse haben, sich in Restrukturierungsverhandlungen kompromissbereit zu zeigen.

Ziehen Sie bitte ein Fazit...
Das Gesetz ist die richtige Maßnahme zur richtigen Zeit. Es ist beeindruckend, wie schnell der Gesetzgeber reagiert hat. Das COVInsAG verschafft den Unternehmen die nötige Luft, um die durch die Covid-19-Pandemie verursachten Probleme gemeinsam mit ihren Stakeholdern zu lösen.