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Nach der Wende war für die Spreewälder Gurke erst mal „Saure-Gurken-Zeit" angesagt. Doch im Laufe der Jahre kam das Geschäft mit dieser regionalen Spezialität wieder ins Rollen. Nicht zuletzt, weil sich der Spreewaldverein e.V. für den Gebietsschutz des Produktes stark gemacht hat. Mit Erfolg: Seit 1999 trägt die Spreewälder Gurke das blaue EU-Siegel „geschützte geografische Angabe (g.g.A.)" (siehe Text auf S. 2). Damit sind bestimmte Auflagen verbunden. So müssen mindestens 70 Prozent der verarbeiteten Gurken aus dem Spreewald stammen und von einem dort ansässigen Betrieb verarbeitet werden. In unserem Beispiel erfolgen Ernte und Produktion zu 100 Prozent in der Region.
Gurken anbauen und ernten
Zum Gurkenanbau: Im Spreewald werden auf einer Netto-Anbaufläche von rund 600 ha Spreewälder Gurken erzeugt. Leichte, dunkle, sandige Böden, ein feuchtwarmes Klima sowie optimale Wasserbedingungen lassen das Fruchtgemüse dort gut gedeihen. Die Hersteller geben ihren Vertragsbauern in der Regel bestimmte Richtlinien vor. So dürfen die Landwirte in unserem Beispiel kein gentechnisch verändertes Saatgut einsetzen, und sie müssen sich an die Richtlinien des integrierten Anbaus „des Landes Brandenburg" halten. 60 Prozent aller angelieferten Gurken müssen kürzer als 9 cm sein, das Längen-Dickenverhältnis sollte idealerweise 3:1 betragen.
Auf dem Feld wird ab Mitte März in jeder Reihe eine schwarze Mulchfolie mit Tropfschlauch verlegt. Dadurch kann sich der Boden gut erwärmen. Mitte bis Ende April werden die Gurken durch gestanzte Löcher in die Folie gesät. Nun deckt man die gesamte Fläche mit Agrarflies ab, damit die kleinen Pflanzen vor Spätfrösten und kalten Winden geschützt sind und sich gut entwickeln können. Die Bewässerung erfolgt mit dem Tropfschlauchsystem, das sich unter den Folienreihen befindet.
Sobald die Gurkenpflanzen Anfang Juni zu blühen beginnen, entfernen die Landwirte das Agrarflies. Nach und nach wachsen die Pflanzen in den Reihen zu einem Teppich zusammen.
Mitte Juni bis Ende August ist Gurkenernte. In einem etwa dreitägigen Rhythmus wird jede Pflanze 22 bis 30 Mal beerntet. Dafür fährt ein Traktor mit einer speziellen Erntemaschine, dem Gurkenflieger, über die Felder. Er hat eine Arbeitsbreite von 30 Metern. Die Erntehelfer pflücken darauf die Gurken im Liegen. Sie legen die Früchte auf ein Transportband, welches das Gemüse direkt auf einen Transportanhänger befördert.
In der Sortierstation werden die frischen Gurken maschinell nach Länge und Dicke in 14 Größen sortiert und verwachsene sowie beschädigte Exemplare ausgemustert. Jetzt müssen die Gurken im Kühlhaus schnell auf 7 °C herunterkühlen. Das ist sehr wichtig, damit sie schön knackig bleiben. Noch am selben Tag, spätestens am Tag darauf, gelangen die Gurken ins Glas.
Gurken verarbeiten
Für die Herstellung von Spreewälder Gewürzgurken (Essiggurken) wird das Gemüse zunächst dreimal gewaschen. Danach sortieren Mitarbeiter beschädigte Früchte erneut aus. Die Gewürzmischung wird als Erstes maschinell ins Glas gefüllt. Sie besteht aus frischem Dill, Senfsaat und frischen Zwiebeln. Das Abfüllen der Gurken in die Gläser erfolgt ebenfalls maschinell. Da die Glasöffnung sehr eng ist, müssen auch hier viele Gurken von Hand bzw. mit einem Kopfraumautomat nachgedrückt werden.
Zum Schluss kommt der Aufguss aus Branntweinessig, Zucker, Salz, weiteren Gewürzen und natürlichen Aromen hinzu. Nun werden die Gläser verschlossen und im Pasteur bei 90° C schonend haltbar gemacht. Nach einer Lagerzeit von zwei bis vier Wochen entfalten die Spreewälder Gurken ihren typischen Geschmack.
Spreewälder Gewürzgurken haben eine definierte Herkunft. Kurze Wege vom Feld in die Verarbeitung sind gewährleistet. Der Essiggehalt ist bei Spreewälder Gurken mit 0,6 bis 0,8 Prozent deutlich niedriger als bei vergleichbaren Gewürzgurken. Spreewälder Gurken werden mit frischen Kräutern, vor allem mit frischem Dill und frischen Zwiebeln, gewürzt. Süßungsmittel sind im Gegensatz zu anderen Gewürzgurken-Produkten nicht zugelassen.
Sauer macht lustig: Die Spreewälder Salz-Dill-Gurke, auch Saure Gurke genannt, wird anders hergestellt, und zwar mittels Fassgärung. Dafür kommt das Gemüse in ein Fass mit einer leichten Salzlösung und wird mit frischem Dill abgedeckt. Der typische Saure-Gurken-Geschmack wird dabei mit Hilfe einer natürlichen Milchsäuregärung erzeugt. Beim Abfüllen verwendet man den naturtrüben Aufguss der Fass vergorenen Sauren Gurken. Diese Gurken enthalten deshalb keinen Essig!
Vielseitiges Sortiment
Spreewälder Gurken gibt es in vielen Variationen: als ganze grüne sowie als geschnittene grüne Gurken in verschiedenen Würzungen. Hinzu kommen so genannte Schäler wie Senfgurken in Stücken und Sticks.
Ganze Gurken sind mindestens vier Jahre haltbar, geschnittene drei. Beide haben eine Restlaufzeit von einem Jahr. Die Produkte sind in Gläsern in verschiedenen Gebindegrößen erhältlich, zum Beispiel von 370 ml bis 2.650 ml, sowie in Dosen und Eimern. Einige Varianten gibt es auch in Bio-Qualität.
Manche Supermärkte bieten Spreewälder Gurken als „Frische" im kleinen Eimer oder Fass an. Da diese Produkte nicht durch Pasteurisation haltbar gemacht wurden, müssen sie kühl bei 4° bis 8° C lagern. So sind sie etwa acht Wochen haltbar. Wer diese Rohkonserven in Selbstbedienung anbietet, muss bestimmte Hygienevorschriften beachten. So muss auf dem Fass eine Klarsicht-Abdeckung installiert sein, und der Kunde darf die Gurken nur mit der dafür vorgesehen Zange entnehmen. Der Deckel des Fasses sollte nach jeder Entnahme wieder zugeklappt werden. Nach Ladenschluss gehören die Fässer in den Kühlraum.
{tab=Spreewälder Gurke g.g.A.}
Im Jahr 1996 einigten sich die Gurkenerzeugungs- und Verarbeitungsbetriebe der Wirtschaftsregion Spreewald auf folgende Definition für Spreewälder Gurken:
- Die Gurken werden im Wirtschaftsraum Spreewald nach kontrolliert-integriertem Anbau erzeugt.
- Mindestens 70 Prozent der Rohwaren müssen aus dem Wirtschaftsraum Spreewald stammen.
- Die Verarbeitung erfolgt ausschließlich in Betrieben, die im Wirtschaftsraum Spreewald ansässig sind.
- Es werden frische Zutaten wie frische Zwiebeln und frischer Dill verwendet.
- Bei Glasware bis 1.700 ml Nennvolumen erfolgt die Süßung ausschließlich durch Zucker.
- Die Gesamtsäure aus Gärungsessig im Endprodukt ist geringer als 1 Prozent.
- Salz-Dill-Gurken (Saure Gurken) enthalten einen Kochsalzgehalt von maximal 3 Prozent im Endprodukt.
- Spreewälder Gurken zeichnen sich durch besondere geschmackliche Merkmale aus, die für die traditionellen Rezepturen der Region charakteristisch sind.
Die EU-Kommission hat sich dieser Definition angeschlossen und im Jahr 1999 den Namen „Spreewälder Gurke" als geografische Angabe geschützt (g.g.A.). Unser Beispielbetrieb
verwendet 100 Prozent der Rohware aus der Region. Der Spreewaldverein e.V. lässt die
Einhaltung dieser Kriterien durch unabhängige Prüfeinrichtungen kontrollieren.