Kartellrecht Das sagt die Industrie - Chistian Köhler

Das sagen der Bundesverband Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie e.V. und der Markenverband.

Mittwoch, 13. Oktober 2010 - Management
Markus Oess
Christian Köhler, Hauptgeschäftsführer des Markenverbandes:

Ist der Handel übermächtig bei den Verhandlungen?
In Deutschland stehen die markenorientierten Hersteller einem hoch konzentrierten Handel gegenüber. Der starke Konsolidierungsprozess im Einzelhandel sowie die zunehmende Bedeutung von Handelsmarken begünstigen die Verhandlungsposition des Einzelhandels gegenüber den Herstellern von Markenartikeln. Die Präferenz der Konsumenten, ihre Einkäufe zu bündeln, kann ebenfalls die Verhandlungsposition des Einzelhandels begünstigen. Demgegenüber sind die Hersteller nur bedingt in der Lage, den Einzelhandel mittels alternativer Absatzwege wie beispielsweise Direktvertrieb zu umgehen. Auf diese Weise manifestiert sich in bilateralen Händler-Hersteller-Beziehungen Nachfragemacht des Einzelhandels. Und mit ihr gehen leider auch immer wieder Drohungen und Sanktionen durch den Einzelhandel gegenüber den Herstellern einher. Diese Schwächung der Markenhersteller durch die Verhandlungsmacht des Einzelhandels kann nach den Feststellungen des DIW die Funktionsfähigkeit der Märkte einschränken.

Wie sieht der Markenverband die Diskussionen um vertikale Preisabsprachen? Welche Bedeutung kommt dabei dem Thema Marken- und Preispflege (Aktionen, Meistbegünstigtenklausel etc.) zu?
Das Verbot der Preisbindung der Dritten Hand ist ein Kernbestandteil des deutschen und europäischen Kartellrechts und das aus gutem Grund: Es ist das Spiegelbild der Tatsache, dass der Dritte, also der Handel sein eigenes wirtschaftliches Risiko trägt. Und es trägt dem Umstand Rechnung, dass auch die unterschiedlichen Händler untereinander im Wettbewerb stehen. Gleichwohl ist es natürlich notwendig, dass sich Hersteller und Händler miteinander über Preisstellungen, auch über den Abgabepreis des Handels austauschen. Das ist schon deshalb notwendig, weil er natürlich ein wesentlich bestimmendes Element für die Marge des Händlers ist. Viel mehr aber noch ist der Preis ein integraler Bestandteil jedes Markenversprechens; der Konsument erwartet eine Preisstellung innerhalb einer gewissen Bandbreite, soll die Marke nicht ihre Glaubwürdigkeit verlieren.

Es geht also darum zu unterscheiden zwischen Vereinbarung, Druckausübung und Argumentation. Überzeugungsarbeit kann und darf nicht als quasi kriminell diskreditiert werden, auch dann nicht, wenn sie wiederholt wird. Und auch klare unverbindliche Preisempfehlungen der Hersteller dürfen nicht dadurch unzulässig werden, wenn sie mehr als einmal ausgesprochen werden. Vereinbarungen über Mindestpreise hingegen sind klar unzulässig, ebenso wie die Ausübung von Druck. Nur muss der „Druck" auch tatsächlich geeignet sein, den Händler zu veranlassen, seinen Abgabepreis entgegen seiner Überzeugung festzusetzen. Das aber ist bei der bestehenden Nachfragemacht kaum vorstellbar. Wie der Konsumentenpreis ein wichtiges Element des Markenversprechens ist, so gehören Vermarktungsvereinbarungen, wie z.B. über Aktionen, zu den Instrumenten moderner Markenführung. Selbstverständlich gilt auch für sie das Verbot der Preisbindung der Dritten Hand, aber sie sind doch notwendig und zulässig.

Wie bewerten Sie die Forderung des HDE, die Industrie auch künftig an den Risiken der Neueinführung beteiligen zu können?
Die Markenhersteller tragen schon heute das Risiko von Neueinführungen. Sie sind es, die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung tragen. Sie sind es, die durch Investitionen erst die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Innovationen entstehen. Der Markterfolg der Innovationen ist alles andere als gesichert und selbstverständlich. Wenn sich der HDE jetzt darüber hinausgehend dafür ausspricht, die Hersteller müssten auch das Preissetzungsrisiko des Handels tragen, ist das nicht nachzuvollziehen. Wie gesagt, Preissetzungsfreiheit und Preissetzungsrisiko gehören untrennbar zusammen. Wer das eine will, kann das andere nicht ablehnen. Die Position des HDE degradiert den Handel, der für sich doch gerade reklamiert, als eigenständige Wirtschaftstufe einen eigenen Beitrag zur Wertschöpfung zu liefern zu bloßen Handelsvertretern oder Kommissionären. Das entspricht aber vermutlich nicht dem Selbstverständnis der im Handel tätigen Unternehmen.