Verbrauchervertrauen Besserer Durchblick durch mehr Transparenz

Neue ’Lebensmittel-Skandale’ perforieren die Vertrauensbasis. Es gilt leider nicht das Verursacher-Prinzip. Somit ist die gesamte Branche gefordert.

Montag, 11. März 2013 - Management
Dieter Druck
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„Der Handel sollte einen klaren Fokus auf Qualitäts- und Marken-produkte legen und die hervorgehoben platzieren.“ Susanne Ponick, Marketingleiterin Apetito Retail
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Wem und was soll der deutsche Verbraucher in diesen Tagen noch glauben. Ein so genannter Lebensmittel-Skandal folgt dem andern. Die Flut der Witze über wiehernde Hackfleischergänzungsmittel war noch nicht ganz abgeebbt, da wurde mit falsch deklarierten Eiern ein weiteres Fass aufgemacht. Und das Thema wurde flugs abgelöst von Schimmelpilzgiften in Futtermitteln. Und kurz vor dieser Skandal-Trilogie waren Noroviren in chinesischen Erdbeeren nachgewiesen worden. Es sind unterschiedliche Sachverhalte und meist wenige schwarze Schafe dafür verantwortlich. Aber im Kern stehen letztlich immer die Lebensmittel. Und die Nachrichten von oftmals verallgemeinernden Medien treffen auf in der Regel wenig differenzierende Verbraucher und Nichtregierungsorganisationen.

Die Öffentlichkeit ist wieder einmal sensibilisiert und Verbraucherschützer sowie andere NGOs sehen sich bestätigt in dem von ihnen über Jahre gezeichneten Negativimage einer Branche.

Eine Konstanz zeigen auch die Diskussionen um Ursachen und Konsequenzen für das Handeln. „Nicht viel reden und abducken“, empfiehlt ein Hersteller. Das sollen auch einige Agenturen ihren Kunden gesagt haben. Sechs Wochen Ruhe halten und dann hat der Verbraucher sowieso alles vergessen – ein gewisser Zynismus steckt schon hinter dieser Denke. Es ist kein aktives Handeln, was einen kritischen Verbraucher überzeugen könnte. Ob der Käufer nun angesichts der kurzen zeitlichen Abfolge schon abgestumpft ist oder nicht, es bleibt immer etwas zurück und es wird schwer sein, das verloren gegangene Vertrauen zurück zu gewinnen.

Vertraut sind immerhin die Abläufe danach und die Aussagen. Politiker versprechen die „rückhaltlose Aufklärung“ und Verbesserungen in der Kette. War da nicht schon mal was? Zitate von Ilse Aigner, Bundesministerium für Ernährung Landwirtschaft und Verbraucherschutz, in Medien aus dem Jahr 2011 nach Panscherei und Dioxinfunden in Futtermitteln: „Wir werden die geltenden Standards durchleuchten.“; „Die Kontrollen werden verstärkt.“; „Wir werden die Lebensmittelkette sicherer machen.“; „Mit dem neuen Frühwarnsystem wird das Netz der Kontrollen engmaschiger und die Lebensmittelkette noch sicherer.“ Dann folgt ein Zehn-Punkte-Programm, das dem Plagiatsvorwurf des jeweiligen Amtsvorgängers nicht standhalten würde. Dagegen halten Verbraucherzentrale und vergleichbare Organisationen pauschal der Politik Versagen auf der ganzen Linie vor.

Die Auswirkungen bekommen letztlich Handel und Hersteller zu spüren. Laut aktueller GfK-Analyse will ein Drittel der Bundesbürger künftig auf fleischhaltige Fertiggerichte verzichten. Einige Händler registrieren eine Kaufzurückhaltung bei Fertiggerichten, die aber durch ein verstärktes Thekengeschäft kompensiert werde, weil der eigene Herd zur Zeit wohl häufiger angeworfen wird. Ebenso ist eine gewisse Verlagerung der Nachfrage nach rindfleischfreien Fertiggerichten bzw. solchen mit Fleischalternativen und Halal-Produkten denkbar. Auch der Metzger des Vertrauens profitiert derzeit, wie der Verband konstatiert. Ob dies Langzeiteffekte sind, bleibt abzuwarten.

Gleichzeitig bekommt der Aspekt Regionalität einen weiteren Schub. Die Umstellung auf Rindfleisch deutscher Herkunft, war eine erste Maßnahme auf Handels- wie auch Herstellerseite, z.B. für die Eigenmarken der Rewe. Der Nachfrageschub könnte wiederum Preissteigerungen auslösen verbunden mit der Frage, wer trägt die Mehrkosten? Gleiches gilt für zusätzliche DNA-Tests auf Pferdefleisch , die z.B. die Edeka umgesetzt hat.

Die Auswirkungen des aktuellen Geschehens auf den Markt werden unterschiedlich beurteilt, aber Hersteller und Handel sehen Handlungsbedarf. Vor allem soll mehr Transparenz geschaffen werden.

Zum Beispiel Real: „Intelligente Rückverfolgbarkeitslösungen leisten einen entscheidenden Beitrag dazu, die Transparenz entlang der Lieferkette und damit den Verbraucherschutz weiter zu erhöhen. Die Metro Group hat daher zusammen mit der Standardisierungsorganisation GS1 die Initiative ergriffen und wird eine signifikante Modernisierung herbeiführen“, heißt es in Mönchengladbach.


Heutige Supply-Chain-Systeme basieren auf dem Konzept, dass die Informationen über die Produkte gleichzeitig mit den Warenlieferungen von Station zu Station an den nachfolgenden Supply-Chain-Partner weitergereicht werden. Der neue Ansatz sieht eine dezentrale Lösung vor. Auf dem Produkt wird nur noch eine individuelle Seriennummer (S-GTIN) angebracht (und nicht die umfassende Produktinformation). Diese ermöglicht über eine „Suchmaschine“ jederzeit Informationen abzurufen. Als Vorteile dieser Neuerung werden u. a die Ablösung von Einzellösungen durch einen generellen Lösungsansatz, verbesserte Sicherung und Kontrolle durch transparente Lieferketten, effizientere Rückrufmöglichkeiten, sowie die Umsetzbarkeit auch für kleine Lieferanten genannt.

Ein Drittel der Bundesbürger will künftig keine fleischhaltigen Fertiggerichte mehr kaufen.

Einer der ersten Hersteller der im Zusammenhang mit Pferdefleisch im Hack in den Medien auftauchte war Schuhbecks Geniesser Service (SGS). Das in Laage ansässige Unternehmen verweist auf sein gut funktionierendes Qualitätssicherungssystem. „Wir haben sofort auf erste Hinweise auf mögliche Falschetikettierungen in England und Frankreich reagiert und unser gesamtes Rindfleischprogramm untersucht. Somit hatten wir sehr schnell Analyseergebnisse und haben gehandelt“, sagt Sprecher Sven Hamann. Weiterhin werde jetzt jede Rindfleisch-Zukaufware vor der Verarbeitung einer DNA-Probe unterzogen. Der Anteil des zugekauften Rindfleisches soll gleichzeitig reduziert und verstärkt frische Rindfleisch-Rohware aus der Region bezogen werden, die in der eigenen Hausmetzgerei vorbereitet wird.

Bei Freiberger Lebensmittel stellt man generell einen Absatzrückgang bei tiefgefrorenen Nudelgerichten fest, während die Nachfrage nach Pastagerichten, die Hackfleisch enthalten, nahezu stagniert. „Wir werden künftig noch mehr auf Transparenz und Offenheit setzen, auch in der Zusammenarbeit mit den Medien, um das Vertrauen der Konsumenten in industriell hergestellte Lebensmittel zu verbessern“, sagt Geschäftsführer Helmut Morent. Der Pferdefleischskandal habe seine Ursache nicht in unzureichenden Sicherheitsmechanismen, sondern sei verursacht von Einzeltätern, die mit viel krimineller Energie tätig waren. Vor Kriminalität würden leider auch keine Zertifikate schützen . Und: „Wir sehen die Verantwortung weniger bei den Politikern als bei Herstellern und Handel. An unsere Partner im Handel appellieren wir, noch mehr auf Qualität zu setzen und die gegenwärtige Preispolitik zu überdenken.“

„Die Marke Frosta ist von den aktuellen Lebensmittelskandalen nicht betroffen. Wir kennen alle unsere Lieferanten, kaufen immer direkt beim Produzenten und haben transparente Lieferwege. Die Ex-Factory-Verkäufe unserer Marke sind auf unverändert gutem Niveau“, sagt Marketingleiter Torsten Matthias. Dies mag Zeichen dafür sein, dass allgemein in Zeiten der Verunsicherung die Verbraucher stärker zu Markenprodukten greifen. Grundsätzlich sieht man in Bremerhaven aber die Notwendigkeit von mehr Transparenz. „Wir finden, dass der Verbraucher wie bei frischem Obst und Gemüse auch bei verpackten Lebensmitteln das Recht hat, zu erfahren, woher seine Lebensmittel kommen“, sagt Matthias. Frosta arbeite deshalb bereits seit dem Sommer 2012 an einem Tracking-Konzept, das dem Verbraucher maximale Transparenz bieten soll. Im April wird der „Zutatentracker“ starten. Der Verbraucher gibt auf zutatentracker.de den Tracking-Code der Packung ein und erhält per Mausklick detaillierte Informationen über Herstellung und Herkunft jeder einzelnen Zutat des jeweiligen Produkts. Smartphone-User scannen einfach den QR-Code von der Verpackung und erhalten so direkt am PoS die Informationen.

Ein ganzheitliches Qualitätsverständnis ist Ansatz bei Nestlé. Der fußt auf den vier Dimensionen Sicherheit und Geschmack sowie Gesundheit und Ökologie/Soziales. Das Programm bündelt eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen zu den jeweiligen Qualitätsdimensionen – von der Auditierung der Lieferanten nach Sicherheits-, Umwelt- und Sozialstandards über die nutritionelle Überarbeitung von Rezepturen (z.B. Zuckerreduzierung) bis hin zur Umstellung von Lieferketten. Darüber hinaus ist Nestlé bestrebt, die Verbraucher umfassender und besser über die Produkte zu informieren, u.a. durch Einführung von QR-Codes, die Hintergrundinformationen zu den Produkten liefern. Such der direkte Kundenkontakt wird gesucht per Telefon, Mail und Social-Media-Plattformen, wie Facebook, Nestlé Ernährungsstudio und Nestlé Marktplatz.

Fertiggerichte-Hersteller Apetito verweist u.a auf den Rohwarenbezug aus geprüften Betrieben. „Durch den direkten, regelmäßigen Kontakt zu Lieferanten und Erzeugern sowie unser lückenloses Chargenrückverfolgungssystem gewährleisten wir ein hohes Maß an Sicherheit“, konstatiert Susanne Ponick, Marketingleiterin Apetito Retail. Und wegen der aktuellen Ereignisse stehe man in noch engerem Kontakt als sonst. „Zudem schafft eine klare Deklaration der Zutaten eine Transparenz für die Verbraucher, die aber auch aufgrund des vielfältigen Angebotes die Möglichkeit haben, alternative Produkte auszuwählen. Deshalb sollte der Handel aus unserer Sicht einen klaren Fokus auf Qualitäts- und Markenprodukte legen und diese hervorgehoben platzieren. Marken sind unter solchen Umständen Bezugspunkte für einen verunsicherten Verbraucher.

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Bild öffnen Verbrauchervertrauen: Mehr Durchblick durch mehr Transparenz. (Bildquelle: iStockphoto)
Bild öffnen „Der Handel sollte einen klaren Fokus auf Qualitäts- und Marken-produkte legen und die hervorgehoben platzieren.“ Susanne Ponick, Marketingleiterin Apetito Retail
Bild öffnen „Mit dem ’Zutatentracker’ gehen wir weit über das hinaus, was Verbraucher-verbände fordern und Politiker diskutieren.“ Torsten Matthias, Leiter Marketing Frosta
Bild öffnen „Wir appellieren an unsere Handelspartner, noch mehr auf Qualität zu setzen und die gegenwärtige Preispolitik zu überdenken.“ Helmut Morent, Geschäftsführer Freiberger Lebensmittel
Bild öffnen Skandale 1985, 1987 (Bildquellen: Shutterstock, iStockphoto)
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