Unfaire Handelspraktiken Stumpfes Schwert schärfen oder abschaffen

Zehn Stellen, 20 Monate, 50 Fälle, ein Dutzend Verfahren, keines mit einem Verstoß gegen UTP-Verbote beendet. Es drängen sich Fragen auf.

Sonntag, 07. Mai 2023 - Management
Christina Steinhausen
Artikelbild Stumpfes Schwert schärfen oder abschaffen
Bildquelle: BLE

Merkwürdig klingt es, wenn eine Durchsetzungsbehörde offen einen „kooperativen Regulierungsansatz“ verfolgt. Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) hat wegen des Verbots unlauterer Handelspraktiken 2022 sechs Verfahren geführt. In über 50 Fällen unterstützte sie Unternehmen aus dem Agrar- und Lebensmittelsektor dabei, den Anforderungen des Agrarorganisationen-und-Lieferketten-Gesetzes (AgrarOLkG; es ist die Umsetzung der UTP-Richtlinie der EU in deutsches Recht) zu entsprechen.

Wer wird der Erste am Pranger?
Dr. David Jüntgen leitet das UTP-Referat bei der BLE. Der Kartellrechtler ist kein Hardliner, wo Einsicht und guter Wille gezeigt würden, fände man immer Lösungen. Schließlich wolle kein Unternehmen dasjenige sein, das als erstes und damit medienwirksam am öffentlichen Pranger steht. Diese Befürchtung haben wohl einige. Von den 2022 fünf neu eingeleiteten Verfahren beruhten zwei auf Beschwerden, drei wurden von Amts wegen eingeleitet. Ein Verfahren aus 2021 sowie drei aus 2022 konnten abgeschlossen werden; Verstöße gegen UTP-Verbote wurden nicht festgestellt.

Muss Gesetz angepasst werden?
Ist also alles gut? Die Übermacht der Handelsriesen halb so wild? Nein, betont Jüntgen. Nur sind ihm oft die Hände gebunden. Denn sie dürfen nur anwenden, was das Gesetz hergibt. Es beschreibt Tatbestände holzschnittartig und malt schwarz-weiß. Die Realität sei aber in der Regel grau. Konzerne mit großen Rechtsabteilungen und findigen Juristen fänden leicht Auswege.

Im Juni 2022 endete die einjährige Übergangsfrist, um Verträge an das AgrarOLkG anzupassen. Weil sich danach noch immer Lieferanten sorgten, dass der für sie beabsichtigte Schutz in der Praxis Wettbewerbsnachteile gegenüber nicht geschützten Konkurrenten, die Gefährdung von Geschäftsmodellen und Existenzen bedeute, führte die BLE im Dezember ein anonymes Meldesystem ein. Das läuft so gut, dass Jüntgen nun mehr Leute brauchen könnte. Evaluiert wird das Gesetz in Deutschland 2023, die UTP-Richtlinie von der EU 2025. Wird das Schwert dann schlussendlich geschärft oder von der Politik für untauglich erklärt?

Zur Person

Dr. David Jüntgen ist Kartellrechtler und hat lange beim Bundeskartellamt gearbeitet. Der 46-Jährige leitet das UTP-Referat bei der BLE. Mit seiner eigenen umfasst es zehn Stellen (zwei davon im Prüfdienst, je eine in IT und Rechtsreferat).

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