Energiekosten Es geht an die Substanz

Vielen Händlern und Herstellern werden die Gewerbestromverträge nicht verlängert. Es droht eine deutliche Verteuerung der Energiekosten. Nicht nur für den HDE eine existenzbedrohende Fehlentwicklung.

Freitag, 23. September 2022 - Management
Markus Wörmann
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Bildquelle: Fotos www.luxteufelswild.de, Hauke Seyfarth / StMELF, Stegemann, FDP

Der Handelsverband Deutschland (HDE) hat Wirtschaftsminister Robert Habeck in einem offenen Brief dazu aufgerufen, das dritte Entlastungspaket nachzubessern und den Einzelhandel stärker zu berücksichtigen. Insbesondere beklagt der Verband, dass die Branche nicht von den Hilfen für energieintensive Betriebe profitieren soll. In dem von HDE-Präsident Josef Sanktjohanser und HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth unterzeichneten Appell heißt es: „Der Einzelhandel ist [...] einer der größten Energienutzer in Deutschland, wird aber nicht als energieintensiv eingestuft. Von zentraler Bedeutung sind daher die im Paket vorgesehenen Unternehmenshilfen. Wir sind alarmiert, weil nach heutigem Stand offensichtlich nur die offiziell als energieintensiv eingestuften Unternehmen von den geplanten Hilfen profitieren sollen.“ Der Handel sei zugleich nicht in der Lage, die exorbitant steigenden Energiekosten über die Endverbraucherpreise weiterzugeben. Der Preisanstieg bei Lebensmitteln lag zuletzt bei über 16 Prozent, und hier seien die höheren Energiepreise noch nicht berücksichtigt. „Bei einer durchschnittlichen Umsatzrendite von rund 1,5 bis 2 Prozent ist eine Vervielfachung von teils heute 10-fach höheren Energiekosten sofort existenzbedrohend“, so der HDE.

Keine Kompensation möglich
Eine solche Vervielfachung erlebt demnächst Edekanerin Mechtild Möllenkamp aus Osnabrück, wie im Handelsblatt zu lesen war. Ihr aktueller Versorger verlängert den Gewerbestromvertrag nicht über das Jahresende hinaus. Sollte sich kein Alternativanbieter finden, fällt sie in die Grundversorgung, wodurch die Kilowattstunde nicht mehr 4,5 Cent kostet, sondern sich wohl eher zwischen 50 Cent und 1 Euro einpendelt. Für ihre Märkte bedeute dies eine Mehrbelastung von 1 Millionen Euro.

Die Kritik aus der Wirtschaft am sogenannten Entlastungspaket ist groß, und die ersten Ministerien versuchen sich in Schadensbegrenzung. Rasch ließen Landwirtschaftsminister Cem Özdemir und Wirtschaftsminister Robert Habeck verkünden, dass auch das Lebensmittelhandwerk, also Bäcker, Fleischer und Brauer, vom Entlastungspaket profitieren soll. Wie genau, sei noch innerhalb der Koalition abzustimmen. Vom Lebensmitteleinzelhandel oder der Lebensmittelindustrie ist keine Rede.

Proteste aus der Politik
Der Ernst der Lage sei bei der Ampel-Regierung offensichtlich nicht angekommen, wettert der ernährungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion Albert Stegemann. Sonst würde Habeck „nicht so planlos in Talkshows daherreden“, und Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir würde seinen Fokus auf die Verbraucher richten, „die sich nicht den täglichen Einkauf im Bio-Markt leisten können“, sagt er.

Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber fordert einen Vorrang für Agrarbetriebe bei der Gasverteilung. Zum Beispiel brauchten die Ferkel-Erzeuger sehr viel Wärme für die Tiere, sagte die CSU-Politikerin am Freitag im Bayerischen Rundfunk. Andere Beispiele für hohen Energieverbrauch seien Molkereien, Melkroboter und Schlachthöfe.
„Ganz wichtig“ bleibe es, das Energiekostendämpfungsprogramm für Unternehmen zu öffnen, „die energieintensiv sind“, so auch Manfred Todtenhausen (FDP). „Bundeswirtschaftsminister Habeck muss zeitnah Hilfen konkretisieren, um Handwerk, Einzelhandel und Mittelstand effektiv zu entlasten.“