Neue Gesetze Was tun bei Greenwashing-Klagen?

Nachhaltigkeit wird immer häufiger zum Gegenstand und Maßstab von neuen Gesetzen. Die Zahl der Klagen wird auch zunehmen, wie Anwältin Anna-Maja Schaefer im Interview erläutert.

Freitag, 23. September 2022 - Management
Jens Hertling

Wo sehen Sie als Juristin die größten Fallstricke für die Unternehmen im Bereich Nachhaltigkeit?
Anna-Maja Schaefer: Kunden, Investoren und andere Stakeholder legen immer größeren Wert auf Engagement von Unternehmen im Bereich Nachhaltigkeit. Nachhaltigkeit wird auch bei Produkten zum Verkaufsargument. Damit steigt die Gefahr des Greenwashings. Das heißt, dass Unternehmen versuchen, sich ein nachhaltiges Image zu verleihen oder ihre Produkte als nachhaltig darzustellen, ohne dass es dafür eine überprüfbare Grundlage gibt. Dass Greenwashing gesetzlich nicht definiert ist, macht es für Unternehmen nicht einfacher festzulegen, was grün oder nachhaltig ist und was nicht. Während es für durchschnittliche Kunden oft unklar ist, wie sich ein „grünes“ oder „nachhaltiges“ Produkt von vergleichbaren Produkten unterscheidet. So beschäftigen sich sektorübergreifend immer mehr Gerichte mit dem Vorwurf des Greenwashings. Viele Unternehmen sind inzwischen sensibilisiert für das Thema, nicht zuletzt durch den starken Absturz des Börsenkurses eines Fondsanbieters nach Greenwashing-Vorwürfen.

Werden die Unternehmen durch die Gesetzesflut nicht überfordert?
Die Vielzahl und Komplexität dieser neuen Regulierung stellt Unternehmen vor große Herausforderungen. Ich sehe es aber in erster Linie als Chance, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Viele Gesetze können ein Anstoß sein, sich mit den ökologischen und sozialen Auswirkungen des Geschäftsmodells zu befassen, Risiken zu erkennen, messbare Nachhaltigkeitsziele zu definieren und eine Nachhaltigkeitsstrategie zu entwickeln, um einen Beitrag zu einer nachhaltigeren Welt zu leisten.

Empfehlen Sie hier eine Beratung?
Das ist vom Einzelfall abhängig, wie die Unternehmen beim Thema Nachhaltigkeit und in der eigenen Rechtsabteilung aufgestellt sind. Das Thema zieht sich durch so viele Rechtsbereiche, dass es schwer ist, alle Gesetze mit Nachhaltigkeitsbezug zu monitoren, die Implikationen für das Geschäftsmodell und Transformationsprozesse zu beurteilen und Maßnahmen gesetzeskonform umzusetzen. Zu der komplexen EU-Nachhaltigkeitsgesetzgebung kommt die nationale Regulierung hinzu. Zudem gehen viele Gesetzgeber in den Mitgliedsstaaten über die Mindestvorgaben der EU-Regulierung hinaus.

Was sind die Knackpunkte beim CSR-Richtlinien-Umsetzungsgesetz?
Das CSR-Richtlinien-Umsetzungsgesetz ist aktuell nur auf kapitalmarktorientierte Unternehmen und Konzerne anwendbar, die im Jahresdurchschnitt mehr als 500 Mitarbeitende beschäftigen. Der Mittelstand ist derzeit nicht zur finanziellen Berichterstattung verpflichtet. Die EU-Kommission hat den Entwurf der Corporate Sustainability Reporting Directive vorgelegt, über den im Juni 2022 eine vorläufige politische Einigung der EU-Institutionen zustande gekommen ist, die noch formell durch den Europäischen Rat und das Europäische Parlament beschlossen werden muss. Danach soll der Anwendungsbereich auf alle großen und perspektivisch auch auf börsennotierte kleine und mittlere Unternehmen ausgeweitet werden. Inhaltlich soll die Nachhaltigkeitsberichtspflicht umfassender werden und neue verbindliche Standards für die Nachhaltigkeitsberichtserstattung eingeführt werden.

Welche Rolle spielt die Taxonomie-Verordnung?
Die Taxonomie-Verordnung definiert gesetzlich verbindlich, welche Wirtschaftstätigkeiten nachhaltig sind. Sie ist Bezugspunkt für eine Vielzahl von Maßnahmen. So müssen Unternehmen, die nicht zur finanziellen Berichterstattung unter der CSR-Richtlinie verpflichtet sind, unter der Taxonomie-Verordnung ihre Angaben zur ökologischen Nachhaltigkeit ihrer Wirtschaftstätigkeiten erweitern. Mit der Corporate Sustainability Reporting Directive wird sich perspektivisch nicht nur die Finanzwirtschaft, sondern die gesamte Realwirtschaft daran orientieren und quantifizieren müssen, welcher Anteil ihrer Wirtschaftstätigkeiten und Investitionen nachhaltig unter der Taxonomie-Verordnung ist.

Das Lieferkettengesetz (LkSG) tritt am 1. Januar 2023 in Kraft. Für wie gelungen halten Sie dieses Gesetz?
Die gesetzliche Verpflichtung, menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten in den Lieferketten zu beachten und hieraus resultierenden Risiken vorzubeugen, ist aus meiner Sicht begrüßenswert. Es zeigt sich bereits jetzt, also vor dem Inkrafttreten des LkSG, dass sich Unternehmen verstärkt mit ihrer Lieferkette und den Aktivitäten ihrer Geschäfts- und Vertragspartner auseinandersetzen. Es kann aber nicht verleugnet werden, dass es an vielen Stellen noch Konkretisierungsbedarf gibt. Hierzu ist das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle durch die Entwicklung von Handreichungen beauftragt. In seiner ersten veröffentlichten Handreichung gibt das Bundesamt Hinweise zur Umsetzung einer Risikoanalyse unter dem LkSG.

Was ändert sich bei einem europäisches Lieferkettengesetz?
Die Europäische Kommission hat im Februar 2022 einen Vorschlag für eine Richtlinie zu unternehmerischen Sorgfaltspflichten für Nachhaltigkeit veröffentlicht. Der Kreis der betroffenen Unternehmen ist danach wesentlich weiter als nach dem LkSG. Während das LkSG nur Unternehmen mit mindestens 3.000 (ab 2024: 1.000) Arbeitnehmern verpflichtet, erfasst die Richtlinie auch kleinere Gesellschaften.

Was ist die größte Abweichung?
Am deutlichsten wird der Unterschied bei der zivilrechtlichen Haftung für Sorgfaltspflichtenverstöße: Während eine solche Haftung nach dem LkSG nicht besteht, ist sie nach der Richtlinie vorgeschrieben. Damit will die EU-Kommission den Weg für direkte Ansprüche von Betroffenen gegen die sorgfaltspflichtigen Unternehmen auf Schadensersatz wegen Menschenrechtsverletzungen oder Umweltschäden in der Wertschöpfungskette ebnen.

Wie sollten sich die Unternehmen darauf vorbereiten?
Unternehmen und ihre Leitungsorgane sollten Nachhaltigkeits-Compliance in ihrer Supply Chain auf die Tagesordnung nehmen.

Nachhaltigkeit: Diese Gesetze sollten Sie kennen

Auf welche Gesetze und Verordnungen müssen Unternehmen bezüglich Nachhaltigkeit achten?

1. Das Corporate Social Responsibility (CSR)-Umsetzungsgesetz: Hier sind große kapitalmarktorientierte Unternehmen, Kreditinstitute, Finanz‧dienstleistungsinstitute und Versicherungsunternehmen dazu verpflichtet, in ihren Lageberichten Informationen zu Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelangen sowie zur Achtung der Menschenrechte und zur Bekämpfung von Korruption und Bestechung zu veröffentlichen.
Mehr Informationen: Bundesminsterium der Justiz: www.bmj.de

2. Das Klimaschutzgesetz: Mit der Änderung des Klimaschutzgesetzes hat die Regierung die Klima‧schutzvorgaben verschärft und das Ziel der Treibhausgasneutralität bis 2045 verankert. Bereits bis 2030 sollen die Emissionen um 65 Prozent gegenüber 1990 sinken.
Mehr Informationen: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2021/kw25-de-klimaschutzgesetz-846922

3. Die Taxonomie-VO: Die Europäische Union verabschiedete im Jahr 2020 die Taxonomie-Verordnung. Die Verordnung enthält die Kriterien zur Bestimmung, ob eine Wirtschaftstätigkeit als ökologisch nachhaltig einzustufen ist, um damit den Grad der ökologischen Nachhaltigkeit einer Investition ermitteln zu können.
Mehr Informationen: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32020R0852

4. Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LKSG): 2021 wurde das Gesetz in der Bundesrepublik Deutschland verabschiedet und ist ab dem Jahr 2023 gültig. Das Gesetz besagt, dass sich Unternehmen bemühen müssen, Menschenrechtsverletzungen innerhalb ihres eigenen Geschäftsbereichs und in ihrer Lieferkette zu vermeiden. Ende Februar legte die EU-Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie über die Sorgfaltspflicht gegenüber Unternehmen im Bereich der Nachhaltigkeit vor. Dieser geht über das in Deutschland bereits geltende LkSG hinaus.
Mehr Informationen: https://www.bmas.de/DE/Service/Gesetze-und-Gesetzesvorhaben/gesetz-unternehmerische-sorgfaltspflichten-lieferketten.html

Quelle: Gutcert