Süßwarenindustrie Wirtschaftlich und politisch angespannt

Die Süßwarenindustrie hat derzeit nicht nur mit hohen Kosten für Energie und Arbeitskräfte, Rohstoffnachschub- und Logistikproblemen zu kämpfen, sondern ist auch wegen politischer Vorgaben wie des Nutri-Score oder Werbeverboten unter Druck.

Freitag, 11. Februar 2022 - Management
Andrea Kurtz
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Bildquelle: Verena Günther

„Unser Verband blickt für die Branche mit ihren genussbringenden Produkten auf ein insgesamt schwieriges Jahr 2021 zurück.“ Dr. Carsten Bernoth, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Süßwarenindustrie (BDSI), zeigte sich im Vorfeld der Internationalen Süßwarenmesse, ISM, mehr als besorgt. Die wirtschaftlich deutlich angespannte Situation mit teils dramatischen Steigerungen von Rohstoffpreisen und der Kosten für Energie, Logistik und Verpackungsmaterialien würde den über 200 deutschen industriellen Herstellern von Süßwaren und Knabberartikeln neben den Auswirkungen der Corona-Pandemie erheblich zu schaffen machen, erläutert Dr. Bernoth. „Diese Belastungen sind in dieser Form bislang einmalig“, sagt er. „Der Markt für wichtige Rohstoffe ist leer gefegt; langjährig bestehende Lieferketten funktionieren nicht mehr.“ Besonders zu spüren bekommen die Hersteller deutliche Preiserhöhungen und Lieferschwierigkeiten beim Einkauf agrarischer Rohstoffe wie Weizen, Soja und Zucker, aber auch bei Verpackungsmaterialien. Ein Beispiel: Allein der Weizenpreis kletterte am Warenterminmarkt binnen eines Jahres um 50 Prozent.

Die Politik ist gefordert
Besondere Sorge bereiten dem Hauptgeschäftsführer die hohen Energiekosten. Der Strompreis für Industriekunden habe sich innerhalb eines Jahres verdoppelt, getrieben vom ebenfalls steilen Anstieg des CO2-Preises. „Die Belastungsgrenze ist erreicht“, so Dr. Bernoth energisch. „Die Politik ist gefordert, vor allem mittelständische Unternehmen vor weiteren kostspieligen und bürokratischen Belastungen zu schützen.“

Auch für den Außenhandel müssten neue Weichen gestellt werden, so der BDSI. Mit einem Anteil (Menge) von über 50 Prozent geht mehr als jede zweite Tonne deutscher Süßwaren in den Export. Rund 80 Prozent werden in die Mitgliedstaaten der Europäischen Union geliefert, doch steigt der Export in Drittstaaten seit Jahren kontinuierlich an. Doch politische Verwerfungen führen zu Einbrüchen. Deutlich abgenommen habe 2021 beispielsweise die Bedeutung des Vereinigten Königreiches als Exportmarkt durch den Brexit. Der EU-Binnenmarkt habe dadurch rund 67 Millionen Verbraucher verloren.
Dazu komme, dass die Mitgliedstaaten etwa bei der Nährwertkennzeichnung, der Umwelt- beziehungsweise Recyclingkennzeichnung eigene Wege beschreiten. „Dies führt zu enormen Belastungen der Unternehmen, müssen sie doch im schlimmsten Fall für jeden Mitgliedstaat eine eigene Verpackung vorhalten“, so Dr. Bernoth.

Zankapfel Nutri-Score
In Italien beispielsweise sei derzeit ein Verfahren gegen ein Produkt anhängig, welches europaweit vertrieben wird und den Nutri-Score trägt. Die europäische Politik müsse hier wieder einheitliche Rahmenbedingungen für die Unternehmen schaffen. „Sonst droht eine Marktbereinigung zulasten kleiner und mittelständischer Unternehmen über die nationalen Gesetzgebungen“, warnt Dr. Bernoth.