Minister Hubertus Heil will sachgrundlose Befristungen beschränken. Was halten Sie davon?
Uwe Schlegel: Als Rechtsanwalt halte ich mich bei politischen beziehungsweise gesellschaftspolitischen Fragen eher bedeckt. Es ist für mich aber offensichtlich, dass die SPD befristeten Arbeitsverträgen grundsätzlich ablehnend gegenübersteht, CDU/CSU hingegen am geltenden Recht gerne festhalten würden. Andererseits hatten die Koalitionäre bereits im Koalitionsvertrag über die Große Koalition 2017 die Eckpunkte einer Änderung des Rechts der sachgrundlosen Befristung im Teilzeit- und Befristungsgesetz verabredet. Es passiert also derzeit nichts, was überrascht.
Was hat Minister Hubertus Heil denn genau geplant? Wie ist der weitere Zeitplan?
Die Reform des Rechts der sachgrundlosen Befristungen wird vermutlich an drei Stellen relevant werden. Zunächst wird die Höchstdauer sachgrundloser Befristungen nach derzeitigem Stand der Dinge von bislang 24 Monaten auf 18 Monate reduziert werden. Weiterhin soll innerhalb dieser 18 Monate lediglich eine Verlängerung möglich sein. Bislang konnte der sachgrundlos befristete Arbeitsvertrag – innerhalb der bis dato maßgeblichen 24 Monate – drei Mal verlängert werden. Schließlich geht es um das sogenannte Vorbeschäftigungsverbot nach § 14 Abs. 2 Satz 2 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes. Dieses hatte bislang zur Folge, dass beinahe jede Vorbeschäftigung eine (weitere) sachgrundlose Befristung verhinderte. Hier ist geplant, dass bei einer länger als drei Jahre zurückliegenden Beschäftigung beziehungsweise Vorbeschäftigung eine – gegebenenfalls – erneute sachgrundlose Beschäftigung möglich sein soll. Letzteres würde also eher mehr sachgrundlose Beschäftigung ermöglichen, als das bislang der Fall war. Nach den mir bekannten Plänen soll das Gesetzesvorhaben noch in dieser Legislatur über die Bühne gehen. Das geänderte Gesetz soll zum 1.1.2022 in Kraft treten.
Mit dem Gesetz will das Ministerium auch gegen Kettenbefristungen vorgehen. Sind diese ein großes Problem in Deutschland?
Kettenbefristungen halte ich für kein nennenswertes Thema. Es gibt Fälle, aber hierbei handelt es sich nach meiner Erfahrung nicht um ein massenhaft auftretendes Problem. Damit wir uns nicht missverstehen: Ich rede nicht dem Rechtsmissbrauch das Wort. Der gehört natürlich unterbunden.
Hubertus Heil möchte befristete Verträge zur Ausnahme machen. Wird dadurch den Unternehmern nicht die Flexibilität genommen?
Befristete Arbeitsverträge waren und sind immer die Ausnahme. Das zeigen die statistischen Erhebungen deutlich. Eine wesentliche Einschränkung wirtschaftlicher Aktivitäten durch die Reglementierung befristeter Arbeitsverträge vermag ich nicht zu erkennen. Im Übrigen sollte Minister Heil sich erst mal an die eigene Nase fassen. Im öffentlichen Sektor gibt es sehr viele Befristungen.
Laut Minister Heil sind viele Befristungen nicht notwendig, sondern nur Mittel zur Umgehung des Kündigungsschutzes. Ist diese Aussage richtig?
Ja und nein. Aus Erfahrung weiß ich, dass einige Arbeitgeber das Mittel des befristeten Arbeitsvertrages bewusst dazu einsetzen, den Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum zu testen. Dann dient der befristete Arbeitsvertrag letztlich dazu, die Probezeit zu verlängern. Andererseits ist nach geltendem Recht nach Ablauf von 24 Monaten so oder so Schluss mit der sachgrundlosen Befristung. Dann spätestens setzt der Kündigungsschutz ein. Aber auch nur, wenn die dafür notwendigen Voraussetzungen nach dem Kündigungsschutzgesetz erfüllt sind. Das verlangt vor allem eine bestimmte Zahl regelmäßig beschäftigter Arbeitnehmer. Da in sogenannten Kleinbetrieben grundsätzlich kein Schutz nach dem Kündigungsschutzgesetz besteht, spielt hier der befristete Arbeitsvertrag rechtlich so gut wie keine Rolle.
Wie sollten Unternehmer bei Einstellungen jetzt vorgehen? Welche Gefahren drohen durch das Gesetz?
Ich sehe keine größeren Gefahren auf die Unternehmer und Unternehmen zukommen. Wir reden seit Jahren vom Fachkräftemangel. Gute Arbeitskräfte ködert man nicht mithilfe eines befristeten Arbeitsvertrages, sondern auch dadurch, dass man attraktive arbeitsvertragliche Konditionen offeriert. Dazu gehört der Umstand, dass ein Arbeitsverhältnis von Anfang an als unbefristetes Rechtsverhältnis angeboten wird.