Mitarbeiter Wir schaffen das!

Dauerstress, nervige Kunden, doofe Chefs und dann auch noch die Pandemie – es ist nicht einfach, als Mitarbeiter gute Laune zu behalten. Mit welchen Maßnahmen Sie sich selbst motivieren können, beschreibt Trainerin und LP-Autorin Malaika Loher.

Dienstag, 18. Mai 2021 - Management
Malaika Loher
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Die Corona-Krise fordert die Motivationsfähigkeit von Führungskräften und Teams im Lebensmitteleinzelhandel. Inmitten wechselnder Gefühlszustände von Kollegen und Kunden bei konstant hohem Arbeitspensum ist es oft nicht leicht, die Selbstregeneration zu erhalten. Viele Mitarbeiter im Handel haben das Gefühl, seit einem Jahr im „Dauer-Vorweihnachtsgeschäft“ zu sein. Vor allem, wenn Kunden unfreundlich sind, das Team nicht gut zusammenarbeitet oder die Vorgesetzten den Druck weitergeben, wird es schwierig, sich selbst zu motivieren. Je positiver das Umfeld, desto positiver bleibt man selbst, insbesondere in Krisenzeiten.

Probleme nicht weitergeben
So sieht das auch das Ehepaar Sonja und Markus Lischka. Gemeinsam führen sie drei Rewe-Märkte mit knapp 100 Mitarbeitern in Landsberg am Lech. Das Unternehmerpaar setzt auf Optimismus und positive Führung. Sonja Lischkas Leitsatz „My pressure ist not your problem“ (übersetzt: Mein Druck ist nicht dein Problem) helfe ihr, den eigenen Druck nicht an Mitarbeiter weiterzugeben. „Sobald ich in den Schuhen der Vorgesetzten stehe, habe ich eine Vorbildfunktion und Fürsorge-Rolle“, erklärt sie.

Markus Lischka setzt auf Belohnung der Kollegen für ihren Einsatz. Ein Oktoberfest haben sie gefeiert, als es kurzzeitig möglich war. „Von dieser Zusammenkunft haben die Leute lange gezehrt, weil sie gemeinsam eine herausfordernde Zeit gestemmt haben“, freut sich der positiv ansteckende Unternehmer. Er betont auch seine Verantwortung, als Marktleiter mit anzupacken. „Wir als Chefs haben auch die Ärmel hochgekrempelt und standen genauso wie die Mitarbeiter an der Ware und haben Ordnung gemacht. Seine Frau pflichtet ihm bei und erinnert an die ausgezahlten Corona-Prämien, die Taskforce-Truppe zum Verräumen während der Hamsterkaufphase und die immer wieder zeitnah abgefeierten Überstunden als Regenerationstage.

Vorsicht Motivationsfalle
Führungskräfte gehen in der Regel mit einer anderen Einstellung an die Dinge heran als Mitarbeiter. Deshalb geraten Chefs schnell an Grenzen, wenn es darum geht, Menschen zu motivieren. Extrinsische, also von außen kommende Motivation, braucht den Gegenpart im Inneren, die intrinsische Motivation. Beide Pole müssen zusammenspielen. Wird zum Beispiel das private Umfeld zur Belastung oder steht der Mensch unter dauerhafter Überforderung, laugt das die intrinsische Motivation aus.

Lob ist kein Selbstläufer
Kein Wunder, dass Mitarbeiter dann müde werden, sich wieder und wieder dem Groll der Kunden auszusetzen, selbst wenn das Team oder die Chefs loben.

Lob hat eine geringe Halbwertzeit, wenn es nicht an einem inneren Sinn andockt. Deshalb dienen die folgenden sieben Tipps sowohl Führungskräften als auch Mitarbeitern als innerer Motivator.
Sie stammen von Malaika Loher. Die Soziologin, Führungskräftecoach und Unternehmerin arbeitet seit 15 Jahren mit Menschen im Handel an deren Motivation und Kundenorientierung (www.malaikaloher.de).

Tipp 1: Liebevoll auf Durchzug schalten
Das notwendige Einfordern ständig wechselnder Regeln bleibt die tägliche Herausforderung. Kunden beschweren sich und laden ihren Frust am einzigen Ort ab, an dem echte Menschen zur Verfügung stehen: im Lebensmitteleinzelhandel. Der Trick ist, freundlich, aber entschieden mit Humor und Ruhe zu kommunizieren. Tiefes Durchatmen und Ignorieren der Emotionen helfen bei der Abgrenzung. Man stelle sich eine Art Glasscheibe um sich herum vor, durch die die negative Stimmung und der Angriff der Kunden nicht hindurchkommt. Ziel ist es, den eigenen Stress-pegel niedrig zu halten. Manchmal hilft es, sich bewusst zu machen, dass der Kunde eine Vorgeschichte hat, die ihn zu dieser Reaktion verleitet. Diese Geschichte hat nichts mit der eigenen Person zu tun. Man geht sozusagen in eine liebevolle, verständnisvolle innere Haltung, ohne ein kommunikatives Fass aufzumachen.

Tipp 2: Positive Rhetorik zum Stressabbau nutzen
Diskussionen über aktuelle Politik, Regeln oder Probleme sollte man grundsätzlich vermeiden. Äußern Sie keine Kritik, belehren Sie niemanden und verstricken Sie sich nicht in Dialoge über Überzeugungen. Brechen Sie solche Gespräche freundlich, aber klar ab! Halten Sie sich an Fakten. Bleiben Sie innerlich bei Ihrem Tagesgeschäft und sprechen Sie positiv darüber.
Wenn Sie schwierige Kunden haben, nutzen Sie unverfängliche Themen über Angebote, Aktionen und spezielle Sortimentsänderungen der strategischen Gesprächsführung. Hören Sie sich selbst beim Sprechen zu und ändern Sie den Ton ins Positive.

Erst mal Abstand gewinnen!
Manchmal ist es passend, Abstand zu negativ gestimmten Kunden zu nehmen und sich erst beim nächsten Besuch wieder auf ein strategisches Gespräch einzulassen. Das vermeidet Stress. Das Unternehmerpaar Lischka setzt sowohl zum Kunden als auch zu Mitarbeitern immer auf den Faktor Kommunikation.

Sonja Lischka sucht häufig das Mitarbeiter-Gespräch. „Gerade, wenn Lästereien auftauchen, spielen wir mit offenen Karten und holen die betreffenden Kollegen an einen Tisch, um Themen zu klären. In 99,9 Prozent der Fälle handelt es sich um Missverständnisse, die schnell geklärt werden können.“ Ihr Mann ergänzt: „Und manchmal müssen wir Chefs einfach nur nicht im Weg stehen, sondern die Kollegen einfach mal machen lassen. Dann läuft es oft von alleine.“

Tipp 3: Den Geist ablenken
Wenn ich die Situation nicht ändern kann, ist der einzige Weg aus dem Dilemma, die innere Haltung zu einer Situation zu verändern. Es ist eine harte und klare Entscheidung für Optimismus und damit der Abschied von der Teilnahme an pessimistischen Gesprächsrunden im Kollegenkreis oder innerhalb des privaten Umfeldes. Das erfordert auf jeden Fall Selbstdisziplin!

Sprechen Sie grundsätzlich seltener über immer gleiche negative Themen, die Sie ohnehin nicht ändern können. Fokussieren Sie Ihren Geist auf das, was Sie gerade tun. Wenn Sie kassieren, kassieren Sie, wenn Sie verräumen, machen Sie das Regal besonders ordentlich, wenn Sie ein Mitarbeitergespräch führen, fokussieren Sie sich auf Ihr Gegenüber. Konzentrieren Sie sich auf den Atem. Setzen Sie beim Gehen jeden Schritt von der Ferse zur Zehe bewusst, fühlen Sie Ihren Körper, statt sich im Geist zu verlieren. Das ist Training. Das Gehirn hat viele Tricks parat, um Sie in gewohnte Sorgengedanken zu lenken – Sie haben es in der Hand.

Tipp 4: Gegen-Bewegung
Im Einzelhandel bewegen sich Menschen in der Regel den ganzen Tag. Sie gehen, sie heben, sie bücken sich, sie sitzen. Das immer gleiche Bewegungsmuster stumpft den Geist ab und beeinträchtigt damit die Motivation.

Im normalen Nicht-Corona-Alltag haben wir in der Freizeit den Drang, genau die Bewegungen zu tun, die wir im Beruf nicht tun. Jeder selbst kann dafür Sorge tragen, den Körper agil zu halten, denn genau das braucht die Psyche, um ebenfalls flexibel zu bleiben. Es ist sinnvoll, Kraft, Ausdauer und Flexibilität regelmäßig zu trainieren. Das Internet bietet viele Möglichkeiten: etwa die Yoga-App für die täglichen 20 Minuten oder das High-Intensity-Training für die ganz Sportlichen. Alles ist gesund, nur nicht Corona-News bis spät in die Nacht mit Chips und Bier konsumieren. Sorgen Sie für einen gesunden Körper, auch wenn der Geist schwach ist. Irgendwann kommt die Motivation wie ein Bumerang zurück!

Tipp 5: Prioritäten setzen und danach leben
Krisen an sich durchleben wir permanent im Leben: Trennung, Krankheit, Todesfälle, Pflege von Angehörigen, schwierige Situationen mit Kindern, Finanzprobleme, Arbeitsplatzverlust. Das Besondere an der Corona-Krise ist, dass sie alle gleichzeitig trifft. Es gibt zahlreiche Gelegenheiten, an die eigenen Grenzen zu stoßen.

Diese extreme Zeit hat einen klaren Vorteil. Sie macht uns kollektiv bewusster. Bewusst für das, was wirklich zählt, wie gerne wir unseren Job machen, wie dankbar wir für Sicherheit und wie froh wir über ein Stück Alltag sind. Dinge, über die wir uns vorher beschwert haben, sind auf einmal erstrebenswerte Zustände. Wer sich das bewusst macht, kann sehen, wie gut es tut, alles auf den Prüfstein zu stellen. Es gilt zu wählen, mit wem man seine Zeit verbringt und wo die beruflichen und privaten Prioritäten sind. Durch diese Analyse stellen Sie für Ihre Zukunft wichtige Weichen.

Tipp 6: Ausnahmezeiten für Experimente nutzen
Eine Zeit mit vielen Hürden und Sorgen ist zugleich auch eine Zeit für Versuche, Experimente und verrückte Ideen. Probieren Sie alles aus. Was nicht funktioniert, vergessen Sie wieder. Keine Idee ist in Aufbruchszeiten schlecht. Ganz im Gegenteil. Eine Chance führt zur nächsten. Mit jedem Scheitern werden Sie noch besser. Sie bleiben in Bewegung und schaffen sich Erfahrungen, von denen Sie später profitieren. Ihre Kunden werden es dankbar annehmen. Stress kann unfassbare Power aktivieren, wenn Sie die Energie in Produktivität umlenken wie in aktives Verkaufen. Informieren Sie Kunden einmal ganz anders über Produkte!
Finden Sie Zusatzangebote, die Sie bisher nicht angeboten haben. Markus Lischka berichtet beispielsweise über den Erfolg einer Aktion, bei der junge Mitarbeiter die Aufgabe bekamen, regionale Produkte besonders stark anzubieten, mit dem Hintergedanken „Wir versorgen unsere Region mit den wichtigsten Dingen, wie Toilettenpapier oder Hefe“. Seine Mitarbeiter haben wahnsinnige Abverkäufe geschafft, weil sie den Sinn in der Sache gesehen haben.

Tipp 7: Helfen macht glücklich
Nehmen Sie alles an, wie es ist, und verändern Sie, was Sie mit Freude anpacken können. Vor allem aber, nehmen Sie die Krise an. Das ist vielleicht keine der besten Zeiten im Leben, aber sie wird vorübergehen. Und für jedes Problem gibt es eine Lösung, vielleicht nicht sofort, aber sehr bald. Sie werden sehen, wie entspannend diese Haltung zum Leben ist.
Eine Idee zum Schluss: Andere Menschen aufzubauen macht glücklich. Helfen Sie, unterstützen Sie, geben Sie reichlich Optimismus, ohne dafür etwas zu erwarten. Diesen Energie-Cocktail wollen Sie bald nicht mehr missen.