Ladenbau Die „gute“ Kältetechnik

Gekühlte Frische und tiefgekühlte Produkte brauchen ein effizientes Kältemanagement. Worauf es dabei ankommt, erklären Experten der Westfalen Gruppe aus Münster.

Montag, 19. April 2021 - Management
Markus Wörmann
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F-Gas-Verordnung – das Schlagwort für alle, die sich mit moderner Kältetechnik beschäftigen. „F-Gase“ steht für fluorierte Treibhausgase – das sind die teilhalogenierten Fluorkohlenwasserstoffe (H-FKW), die vollhalogenierten Fluorkohlenwasserstoffe (FKW), Schwefelhexafluorid (SF6) und Stickstofftrifluorid (NF3). Allein in Deutschland gibt es heute über 40 Anwendungsbereiche für F-Gase, erklärt das Bundesumweltministerium. Als man in den 1980er-Jahren die zerstörerische Wirkung von FCKW auf die Ozonschicht erkannte, galten jene F-Gase, die sich nicht negativ auf die stratosphärische Ozonschicht der Erde auswirken, als idealer Ersatz. „Ihren negativen Einfluss auf die Erderwärmung hat man damals noch nicht erkannt“, sagt das Bundesumweltministerium heute. Mit der F-Gas-Verordnung will man die umweltschädlichen Auswirkungen fluorierter Treibhausgase bis zum Jahr 2030 um 70 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 senken.

Die neue Verordnung ist aber nicht nur für Laien eine Herausforderung, bestätigt uns Marius Appenzeller, Strategischer Marktmanager Kälte/Klima der Westfalen Gruppe. Das Unternehmen ist einer der größten Distributeure von Kältemitteln. „Auch in der F-Gas-Verordnung gibt es Fragestellungen, die nicht eindeutig beantwortet werden, weil sie nicht bedacht wurden“, erklärt Marius Appenzeller gegenüber Lebensmittel Praxis. Beispielsweise Fragen aus der Peripherie: Was hat ein brennbares Kältemittel für Auswirkungen auf den Brand- oder Explosionsschutz? Deshalb sei es wichtig, Checklisten zu entwickeln, die dem Kunden helfen, das bestmögliche Kühlkonzept und damit Kältemittel zu finden.

Der Countdown läuft
Aufgrund der Verwendungsverbote in der F-Gas-Verordnung sollte jeder Betreiber von Kälteanlagen diese bis spätestens 2030 modernisieren. Ab diesem Zeitpunkt sind Wartung und Instandhaltung auch mit aufgearbeiteten Kältemitteln nicht mehr zulässig. Bereits jetzt lohnt sich ein Wechsel – aufgrund der zu erwartenden Preissteigerungen und Lieferengpässe bei klassischen Kältemitteln mit besonders hohem Global Warming Potential (GWP). Verursacht werden diese Marktbewegungen durch den sogenannten Phasedown (s. Glossar).

Wer sich für einen Kältemittelaustausch entscheidet, ohne die gesamte Anlage auszuwechseln, kann auf Drop-in-Mittel zurückgreifen. Sie müssen allerdings mit den bestehenden Truhen kompatibel sein. „Die Hardware in den Supermärkten kann nicht mit allen Kältemitteln umgehen“, weiß Kälteanlagenbauermeister Dennis Frieske, Technischer Berater Kältemittel bei der Westfalen Gruppe. Und er gibt zu bedenken, dass diese Drop-in-Kältemittel nicht den Umweltstandard erreichen, der von neueren Kältemitteln zu erwarten ist.

Grundsätzlich unterscheidet man zwischen natürlichen und synthetischen Kältemitteln. Zu den natürlichen gehören Propan, Isobutan, Kohlendioxid (CO2) oder Ammoniak. Sie kommen als Moleküle zwar auch in der Natur vor, werden aber wie die synthetischen industriell hergestellt. Alle Mittel haben eine R-Nummer, beispielsweise R290 für Propan. Das ist aber noch kein Qualitätsmerkmal. „Es werden also auch mindere Qualitäten unter einer R-Nummer verkauft, was der Kunde nicht auf Anhieb sieht, wenn er sich keine Spezifikation zeigen lässt“, erklärt Marius Appenzeller.

Kältemittel sollten daher nach dem „AHRI Standard 700“ spezifiziert sein. Dennis Frieske nennt ein Beispiel: „Gerade bei CO2 haben wir hohe Füllmengen, die eine absolute Menge an Feuchtigkeit mit sich bringt. Diese sammelt sich an der kältesten Stelle in der Kälteanlage, was in der Regel auch die dünnste Stelle im System ist, am sogenannten Expansionsventil. Wenn man jetzt minderwertiges CO2 nutzt, kann das Ventil vereisen, was zu Störungen und Effizienzverlust führt. Deshalb ist der Standard sehr wichtig.“

Die Kostenfrage
Natürliche Kältemittel sind bei steckerfertigen Geräten etwa gleich teuer wie synthetische. Bei größeren Anlagen sieht es anders aus: Je nach Technik ist mit höheren Kosten zu rechnen. „Ein Entscheider sollte aber den Total Cost of Ownership (TCO) im Blick haben“, erklärt Dennis Frieske, „denn viele moderne Anlagen verbrauchen weniger Energie und verursachen auf die Lebensdauer gerechnet geringere Kosten.“ Die Berechnung, welche Anlage mit welchem Kältemittel letztlich die effizienteste ist, sollte im Einzelfall durch eine zertifizierte Fachfirma erfolgen. „Es gibt immer mehr Tools, die anhand der Betriebsdaten nicht nur den TCO, sondern auch den TEWI-Wert berechnen“, erklärt Marius Appenzeller. Der TEWI-Wert, der Total Equivalent Warming Impact, berücksichtigt alle direkten und indirekten Beiträge zum Treibhauseffekt, die durch den Betrieb einer Kälteanlage erzeugt werden.

Gerade bei Neubauten empfiehlt es sich, die Kälteanlage in das Gesamtgebäudekonzept zu integrieren, um die größtmögliche Effizienz zu erreichen. Energieberater erarbeiten entsprechende Konzepte, beispielsweise zur Abwärmenutzung.