Verpackungen Obst im Schutzmantel

Avocados und Zitrusfrüchte sollen länger haltbar sein, wenn sie mit einer speziellen unsichtbaren Schutzschicht überzogen werden. Edeka und Rewe setzen auf diese Coating-Technologie.

Freitag, 12. Februar 2021 - Management
Hedda Thielking
Artikelbild Obst im Schutzmantel
Bildquelle: Christian Schmid

Weniger Plastikmüll und weniger Lebensmittelverschwendung in der Obst- und Gemüseabteilung – das haben sich viele Händler auf die Fahne geschrieben. Doch wie lassen sich hier Verpackungen reduzieren, ohne dass Haltbarkeit, Qualität und Geschmack der Früchte darunter leiden – vor allem, wenn sie lange Transportwege hinter sich haben? Der Edeka-Verbund und die Rewe-Group scheinen mit dem sogenannten Coating einen Weg gefunden zu haben. Aus lebensmitteltechnologischer Sicht versteht man unter Coating eine Ummantelung von Lebensmitteln mit einem dünnen Schutzfilm. Eine Technologie, die im Frischfruchtbereich vergleichsweise neu ist. Sie soll dafür sorgen, dass die Schale weniger Wasser verdunstet, von außen weniger Sauerstoff in sie eindringt, die Früchte somit langsamer reifen und länger haltbar sind. Weiterer Vorteil: Abschriften lassen sich reduzieren.

Edeka erweitert Apeel-Sortiment
Edeka und Rewe verwenden für ihre Früchte allerdings unterschiedliche Überzugmittel. Edeka kooperiert seit Dezember 2019 mit Apeel Sciences (USA). Die Apeel-Schutzschicht besteht aus pflanzlichen Ölen. Diese werden aus Traubenkernen oder Schalenresten gewonnen, die beim Keltern oder in der Saftproduktion übrig bleiben. Aktuell bieten Edeka und Netto bundesweit Avocados, Orangen, Mandarinen und Clementinen mit diesem Coating an. Die Orangen und Mandarinen werden bei Erzeugern in Spanien beschichtet, bei den Avocados geschieht das aktuell in einem Reifelager in den Niederlanden. Dabei wird die flüssige Apeel-Substanz maschinell auf die Schalen aufgesprüht.

Von KW 4 an erweitert der Edeka-Verbund das Apeel-Sortiment um die Früchte Grapefruit und Zitrone. Sukzessive sollen im Verlauf des Jahres Ananas, Mango, Limette mit der Apeel-Schicht folgen. „Wir stellen fest, dass deutlich weniger Avocados, Orangen und Mandarinen weggeworfen werden müssen. In einem Pilotversuch wurden in rund 2.900 Märkten von Edeka und Filialen von Netto mit Apeel behandelte Avocados aus Chile und Peru angeboten. Es zeigte sich, dass Apeel-Früchte ungefähr doppelt so lange haltbar sind“, informiert Edekas Pressesprecherin Jennifer Teichert. Sie sagt weiter: „Über zwölf Wochen hinweg mussten in den Obst- und Gemüseabteilungen mit Apeel insgesamt 50 Prozent weniger Avocados abgeschrieben werden als bei Kontrollgruppen ohne Schutzmantel. Avocados mit Coating machten ein Umsatzplus von 20 Prozent, was wir auf die geringeren Abschriften und auf die erhöhte Kundennachfrage zurückführen.“

Rewe konzentriert sich auf Avocados
Die Rewe-Group arbeitet mit dem Hersteller Agricoat Natureseal (Großbritannien) zusammen. Dieses Überzugmittel besteht aus zertifizierten Palmölen (RSPO „Runder Tisch für nachhaltiges Palmöl“), Sonnenblumenölen sowie Zucker aus Zuckerrohr. Es handelt sich um eine essbare, auf pflanzlichen Ölen und Zuckern basierende Schutzschicht, die geschmacklos, geruchlos, farblos, abwaschbar und biologisch abbaubar ist. Rewe wendet das Coating bisher für die Rewe Beste Wahl Avocado an. Diese Avocados sind in rund 500 Rewe-Märkten in Nordrhein-Westfalen erhältlich. Eine Ausweitung auf weitere Märkte ist derzeit nicht vorgesehen. Tests in den Lägern haben ergeben, dass die Haltbarkeit der Avocados im Idealfall auf acht Tage verdoppelt werden kann. „Die Rewe-Group sieht im Coating einen weiteren Baustein in der langfristigen Nachhaltigkeitsstrategie, die Menge an Food Waste bis 2030 zu halbieren. Aber vor allem profitieren auch die Kunden von der längeren Haltbarkeit“, sagt Pressesprecher Thomas Bonrath.

Landgard setzt auf Softripe
Die Erzeugergenossenschaft Landgard sieht das Coating eher kritisch. Im Rahmen eines gemeinsamen Projektes mit der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg wurde unter anderem das Apeel-Coating bei Avocado, Mango und Orange untersucht. „Erste Ergebnisse weisen deutlich darauf hin, dass eine optimale Luftfeuchtigkeit und Temperatur während der Lagerung und Reifung von Obst einen höheren positiven Effekt auf die Haltbarkeit haben als der Coating-Prozess selbst. So kam es bei Coating-Produkten dazu, dass die Früchte von außen einen guten Eindruck machten, jedoch innerlich verdorben waren“, berichtet Thomas Averhoff, Geschäftsführer Landgard Nord Obst & Gemüse GmbH. Für Landgard habe sich die natürliche Reifung mithilfe der Softripe-Technologie als optimale Technologie hinsichtlich Haltbarkeit und Aromen erwiesen. Im Softripe-Verfahren wird die Frucht in einer luftdichten Kammer gereift. Sauerstoff, Stickstoff, Kohlendioxid und das Fruchtgas Ethylen werden laut Landgard laufend kontrolliert und optimal für die zu reifende Frucht eingestellt. Dadurch kann über die Fruchtatmungs-Aktivität der aktuelle Zustand der Frucht ermittelt werden.

Was das Coating betrifft, gibt es somit unterschiedliche Erkenntnisse. Wie sich die verschiedenen Coating-Substanzen auf die Inhaltsstoffe und Sensorik bestimmter Obst- und Gemüsearten auswirken und wie die Verbraucher Produkte mit Coating annehmen, untersucht derzeit das Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie e. V. (ATB).

Schutzschichten von Apeel und Agricoat – Die Unterschiede
Bei dem Schutzmantel von Edeka-Partner Apeel handelt es sich chemisch um Mono- und Diglyceride von Speisefettsäuren wie bei dem Zusatzstoff E 471, der unter anderem als Emulgator verwendet wird. Im Mai 2019 hat die EU-Kommission ihn zur Oberflächenbehandlung für exotische Obstarten, deren Schalen üblicherweise nicht gegessen werden, zugelassen – aber nur für Zitrusfrüchte, Melonen, Ananas, Bananen, Papayas, Mangos, Avocados und Granatäpfel. Apeel Sciences bereitet aktuell einen Zulassungsantrag für weitere Produkte mit verzehrbarer Schale vor (z. B. Erdbeeren, Gurken, Tomaten).
Der Überzug von Agricoat, Partner der Rewe-Group, besteht aus zertifizierten Palmölen (RSPO „Runder Tisch für nachhaltiges Palmöl“), Sonnenblumenölen sowie Zucker aus Zuckerrohr. Der Zucker reagiert mit den pflanzlichen Fettsäuren zu sogenannten Zuckerestern. Zuckerester von Speisefettsäuren sind bereits als Zusatzstoff (E 473) zur Oberflächenbehandlung von frischem Obst zugelassen. Auch dieses Überzugmittel verlangsamt laut Rewe-Group die Reifung, und Vitamine sollen länger erhalten bleiben.
Kein Coating bei Bio-Früchten
Die Überzugmittel auf der Basis der Zusatzstoffe E 471 und E 473 sind gesundheitlich unbedenklich. Für Bio-Lebensmittel ist das Coating aber – wie das Wachsen bei Zitrusfrüchten – nicht zugelassen.