Flüchtlinge Keine Zauberei - Keine Zauberei: Teil 5

Ein fester Job ist der beste Weg zur Integration von Flüchtlingen. Lebensmittelhändler bieten motivierten Migranten – nicht nur wegen des Fachkräftemangels – verschiedene Zugänge in die deutsche Arbeitswelt an. Bürokratische Hürden, ungeklärte Rechtsfragen und mangelnde Sprachkenntnisse sind dabei die größten Hindernisse.

Dienstag, 16. Oktober 2018 - Management
Sonja Plachetta
Artikelbild Keine Zauberei - Keine Zauberei: Teil 5
„Wir müssen diesen Menschen eine Chance geben.“<br />
Nadine Bayer, Ausbilderin von Tamim Azimi in der Metro in Sankt Augustin
Bildquelle: Metro AG, Peter Eilers, Rewe Süd, Carsten Hoppen
Interview mit Corinna Trier  - Für Bildungswillige

Leiterin des HR-Kompetenzcenters der Rewe Süd, über das Weiterbildungsprogramm „Rewe Kombi“.

An wen richtet sich das Programm „Rewe Kombi“ der Rewe Süd?
Corinna Trier: Wir haben das Programm entwickelt für Bildungswillige, die sich qualifizieren wollen, aber keine Ausbildung mehr machen können, weil sie zum Beispiel Geld verdienen müssen. Es richtet sich an Menschen über 25 Jahre ohne Berufsabschluss, an Quereinsteiger, Umschüler und bietet auch Müttern eine Chance auf einen Wiedereinstieg. Für Geflüchtete ist das Programm ebenfalls geeignet.

Gab es für diese Gruppen bei der Rewe Süd bisher keine Beschäftigungsmöglichkeit?
Wir haben diese Menschen schon immer qualifizieren können, aber bisher gab es kein strukturiertes Programm, das sie auf die externe Prüfung als Verkäufer bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) vorbereitet. Bei „Rewe Kombi“ arbeiten die Menschen Vollzeit oder Teilzeit bei uns und verdienen mindestens Tarif. Zusätzlich begleiten wir sie drei Jahre lang bis zur IHK-Prüfung. Das selbstständige Lernen zu Hause auf eine Prüfung, die erst in drei Jahren stattfindet, ist für viele eine Hürde. Um ihr Durchhaltevermögen zu stärken, haben wir das Lernen für sie strukturiert, und wir betreuen die Teilnehmer während der gesamten Zeit. Sie bekommen Lernmaterialien und nutzen dieselbe Lernplattform wie unsere Auszubildenden, zum Beispiel mit unseren E-Learning-Programmen zu Warenkunde. Zudem organisieren wir Fachseminare, zwölf Pflichtseminare und weitere nach individuellem Bedarf. Am Anfang geht es zum Beispiel darum, wie man richtig lernt, am Ende um die Prüfungsvorbereitung.

Welche Voraussetzungen braucht ein Geflüchteter, der an „Rewe Kombi“ teilnehmen möchte?
Bei der Rewe Süd haben wir die Besonderheit, dass wir einen Integrationskoordinator, Ibrahim Maiga, haben. Er prüft alle Bewerbungen von Geflüchteten mit guten Bleibeperspektiven und sorgt dann dafür, dass sie entsprechend ihrer Qualifikation und ihrer Bedürfnisse entweder die Einstiegsqualifikation machen, direkt in die Ausbildung oder in „Rewe Kombi“ kommen oder als Angestellte arbeiten. Wer gut Deutsch kann und mit einer Ausbildungsvergütung auskommt, kann direkt mit der Lehre beginnen. Wer noch nicht gut Deutsch spricht oder andere Lernschwächen hat, ist in der Einstiegsqualifikation gut aufgehoben. Wer älter ist, mehr Geld braucht und solide Deutschkenntnisse hat, kommt für „Rewe Kombi“ in Frage.

Muss man bei „Rewe Kombi“ Vollzeit arbeiten?
„Rewe Kombi“ geht normalerweise über 36 Monate. Im Prinzip geht das auch in Teilzeit, aber dann dauert das Programm entsprechend länger, und da stellt sich die Frage, ob das jemand durchhält.

Endet „Rewe Kombi“ mit dem Verkäufer-Abschluss?
Erst einmal ja. Aber der Mitarbeiter kann verlängern und den Einzelhandelskaufmann dranhängen. Dafür braucht er dann in Vollzeit noch einmal 18 Monate, insgesamt also 54 Monate.

Was muss ein Rewe-Händler oder Marktleiter tun, wenn er einen an „Rewe Kombi“ interessierten Mitarbeiter hat?
Er muss sich im Klaren darüber sein, dass er sich kümmern muss. Unserer Erfahrung nach brauchen die „Rewe Kombi“-Teilnehmer etwas mehr Zuwendung als andere Mitarbeiter. Der Händler oder Marktleiter muss ihn freistellen für unsere Seminare, und er muss bereit sein, ihn überall im Markt einzusetzen. Das Kennenlernen aller Abteilungen ist bei „Rewe Kombi“ ähnlich wie bei einem Auszubildenden klar strukturiert.

Wie wird das Programm angenommen?
Nach der Einführungsphase nehmen wir jetzt richtig Fahrt auf. Wir haben derzeit an die 30 Teilnehmer, darunter sind auch neun Geflüchtete. Die ersten werden Ende 2019 ihre Prüfung ablegen. Die Agentur für Arbeit sagt, dass das Programm einen Nerv trifft, weil es Menschen gibt, die noch etwas lernen möchten, es sich aber nicht leisten können, eine Ausbildung zu machen. Auch wenn es aufwendig ist, diese Menschen zu betreuen, lohnt es sich doch – auch vor dem Hintergrund, dass der Arbeitsmarkt in Bayern wegen Vollbeschäftigung leer ist.

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Bild öffnen Tamim Azimi arbeitet in der Metro Sankt Augustin als Fischverkäufer. Nach dem Ende seiner Ausbildung hat der Afghane einen Zwei-Jahres Vertrag bekommen. Wie es danach weitergeht, weiß er noch nicht.
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Nadine Bayer, Ausbilderin von Tamim Azimi in der Metro in Sankt Augustin
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