Flüchtlinge Keine Zauberei - Keine Zauberei: Teil 4

Ein fester Job ist der beste Weg zur Integration von Flüchtlingen. Lebensmittelhändler bieten motivierten Migranten – nicht nur wegen des Fachkräftemangels – verschiedene Zugänge in die deutsche Arbeitswelt an. Bürokratische Hürden, ungeklärte Rechtsfragen und mangelnde Sprachkenntnisse sind dabei die größten Hindernisse.

Dienstag, 16. Oktober 2018 - Management
Sonja Plachetta
Artikelbild Keine Zauberei - Keine Zauberei: Teil 4
„Wir müssen diesen Menschen eine Chance geben.“<br />
Nadine Bayer, Ausbilderin von Tamim Azimi in der Metro in Sankt Augustin
Bildquelle: Metro AG, Peter Eilers, Rewe Süd, Carsten Hoppen

Aus religiösen Gründen könne zudem der Umgang mit bestimmten Lebensmitteln eingeschränkt sein. Während Maiga dafür plädiert, dies dann zu akzeptieren, stehen andere Händler auf dem Standpunkt, dass zur Arbeit im Lebensmittelhandel auch der Umgang mit solchen Waren gehört. „Beim Einsatz in den Bereichen Verkauf oder Logistik müssen Mitarbeiter wissen, dass zu den Aufgaben auch das Einräumen von zum Beispiel Frischfleisch (Rind, Schwein, Huhn, Kalb), Alkohol und Zigaretten gehört“, betont etwa Aldi Süd.

Die größte Herausforderung im Arbeitsalltag sind aber mangelnde oder noch nicht ausreichende Deutschkenntnisse. Ohne sie können die Flüchtlinge im Markt nicht mit anderen Mitarbeitern und den Kunden kommunizieren. Abläufe geraten bisweilen ins Stocken, weil die Geflüchteten nur ungern zugeben, wenn sie eine Anweisung nicht verstanden haben. Und in der Berufsschule tun sich Auszubildende selbst mit gutem Deutschniveau oft mit der Fachsprache schwer. Manche unterbrechen dann ihre Lehre und verbessern in Sprachkursen erst einmal ihr Deutsch, bevor sie neu durchstarten, wie der Iraker Nasraw Osman bei Edeka Fleck. Wegen der Sprachdefizite ist die Betreuung der Flüchtlinge oft etwas aufwendiger. „Nach jedem Azubimeeting habe ich mir extra Zeit für Tamim genommen, damit er alles versteht“, sagt Nadine Bayer, die Ausbilderin aus der Metro in Sankt Augustin. Sie würde nach der Erfahrung mit ihm wieder einen Geflüchteten ausbilden.

Auch andere Händler sind der Ansicht, dass es sich lohnt, Migranten einzustellen – trotz aller bürokratischer Hürden und auch trotz des Risikos, dass ein zuvor leistungsfähiger Mitarbeiter plötzlich nicht mehr einsetzbar sein könnte, weil aufgrund der Fluchterfahrungen zum Beispiel eine posttraumatische Belastungsstörung auftritt. In solchen Fällen reicht es dann nicht, die Flüchtlinge in ihrer Freizeit zu unterstützen und zum Beispiel in Kontakt mit Vereinen zu bringen, wo sie Anschluss finden können. Dann brauchen sie professionelle Hilfe.

Die Zuwanderer sind willkommen, weil die Unternehmer für offene Stellen oft keine Deutschen mehr finden, die heute stärker als früher einen akademischen Grad anstreben. Der Kaufmannsberuf habe bei Geflüchteten dagegen noch einen hohen Stellenwert, haben viele beobachtet. Dementsprechend motiviert und leistungsbereit seien die neuen Mitarbeiter. Und das zählt. Zur Unternehmensphilosophie von Norma gehört es beispielsweise, dass „nicht die Herkunft eines Mitarbeiters, sondern vielmehr seine Qualifikation, seine Einsatzbereitschaft, aber auch seine Freude an einer Tätigkeit im Handel entscheidend ist“. Die mehr als 13.000 Mitarbeiter des Fürther Discounters stammen aus 70 Nationen. „Herzlichkeit und Einsatzfreude sind wichtiger als Vorbildung“, findet auch Karl Stefan Preuß, der in seinen 22 WEZ-Märkten derzeit sechs Geflüchtete beschäftigt. „Die Arbeit im Lebensmittelhandel ist keine Zauberei. Wer aufgeschlossen und aufmerksam ist, kann alles lernen.“

Bilder zum Artikel

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