Flüchtlinge Keine Zauberei - Keine Zauberei: Teil 3

Ein fester Job ist der beste Weg zur Integration von Flüchtlingen. Lebensmittelhändler bieten motivierten Migranten – nicht nur wegen des Fachkräftemangels – verschiedene Zugänge in die deutsche Arbeitswelt an. Bürokratische Hürden, ungeklärte Rechtsfragen und mangelnde Sprachkenntnisse sind dabei die größten Hindernisse.

Dienstag, 16. Oktober 2018 - Management
Sonja Plachetta
Artikelbild Keine Zauberei - Keine Zauberei: Teil 3
„Wir müssen diesen Menschen eine Chance geben.“<br />
Nadine Bayer, Ausbilderin von Tamim Azimi in der Metro in Sankt Augustin
Bildquelle: Metro AG, Peter Eilers, Rewe Süd, Carsten Hoppen

Netzwerke helfen
Manchmal reicht bereits eine engagierte Ausbilderin wie Nadine Bayer oder eine klare Zuständigkeit. Bei Tegut ist etwa der Ansprechpartner für Zugewanderte „immer der für das entsprechende Gebiet zuständige Referent der Berufsbildung, der die Gegebenheiten und Netzwerkpartner vor Ort kennt und hier koordinieren kann“. Mehrere Migranten haben mit dieser Unterstützung schon erfolgreich bei Tegut die Ausbildung zum Verkäufer oder zum Kaufmann im Einzelhandel absolviert.

Bei der Edeka erstreckt sich die berufliche Integration geflüchteter Menschen auf alle Stufen des genossenschaftlichen Verbunds. In allen Großhandelsbetrieben und in der Edeka-Zentrale gebe es Ansprechpartner, die bei Fragen zu Arbeits- und Asylrecht, Einstellungskriterien oder Fördermöglichkeiten berieten. „Ein Beispiel für unser Engagement ist das Projekt ,Geflüchtete junge Menschen in Ausbildung bei Edeka‘, mit dem bislang knapp 40 Menschen im Großraum Hamburg als Auszubildende eingestellt wurden“, sagt Edeka-Sprecher Rolf Lange. Dafür hätten selbstständige Kaufleute, die Großhandlung Edeka Nord und die Zentrale gemeinsam mit dem Berufsbildungswerk Hamburg ein Netzwerk gebildet. „Dadurch reduziert sich der bürokratische Aufwand für die Kaufleute deutlich, und die Auszubildenden profitieren unter anderem von gemeinsamen Sprachkursen oder Lernpatenschaften“, erklärt Lange. Den größten Anteil an der Integrationsarbeit leisteten die selbstständigen Händler. Einer von ihnen ist André Fleck, der sich als Mentor beim Stipendienprogramm „Geh deinen Weg“ der Deutschlangstiftung Integration engagiert, bei dem der Edeka-Verbund seit 2012 Partner ist.

Die Rewe Süd hat mit „Rewe Kombi“ ein eigenes Programm auch für Geflüchtete aufgesetzt (siehe Interview Seite 18) und mit Ibrahim Maiga sogar einen Integrationskoordinatoren. „Vielen Unternehmen fehlt die Zeit, sich intensiv mit der Thematik auseinanderzusetzen. Sie verzichten deshalb darauf, Geflüchtete bei sich zu beschäftigen“, sagt Corinna Trier, Leiterin des Kompetenzcenters Human Ressources (HR). Das wollte die Rewe Süd nicht. Maiga, ein in Mali geborener Deutscher, unterstützt hauptamtlich Migranten, die in der Bundesrepublik leben und arbeiten wollen. „Er weiß, wie es ist, in Deutschland einzuwandern, und kennt die Herausforderungen aus eigener Erfahrung“, erzählt Corinna Trier.

Einstieg mit Praktikum
Bei den Bewerbern mit Migrationshintergrund prüft Maiga die Bleibeperspektive und entscheidet dann, wo der Geflüchtete im Unternehmen am besten untergebracht ist. Vor einer festen Einstellung absolvieren die Flüchtlinge zunächst ein Praktikum, jährlich sind es etwa 160. 40 von ihnen wurden 2017 in verschiedene Bereiche eingestellt. Bei vielen Unternehmen beginnen die Geflüchteten mit einem solchen Praktikum, bevor sie eine Lehrstelle bekommen. Im Fleischwerk der Edeka Südwest in Rheinstetten werden die Praktikanten beispielsweise mit Sprachkursen gefördert und individuell unterstützt. Zudem gibt es, unter anderem bei Aldi Süd, eine sechs- bis zwölfmonatigen Einstiegsqualifizierung für Bewerber, die für die Ausbildung noch nicht geeignet sind.

Egal, ob jemand Praktikant, Auszubildender oder Angestellter ist: Durch unterschiedliche Kulturen gibt es manchmal Missverständnisse, aus denen Konflikte entstehen können. Um dem entgegenzusteuern, sorgt der Integrationskoordinator Ibrahim Maiga bei der Rewe Süd dafür, dass jedem Geflüchteten ein Pate im Markt als Ansprechpartner zur Seite steht. Manche Probleme treten immer wieder auf, hat er festgestellt. Viele Zuwanderer müssten beispielsweise Pünktlichkeit erst noch lernen. „In einigen Kulturen sind Frauen in Führungspositionen nicht üblich. Für die Geflüchteten ist es dann gewöhnungsbedürftig, Anweisungen von weiblichen Vorgesetzten Folge leisten zu müssen“, erzählt Maiga weiter.

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Bild öffnen Tamim Azimi arbeitet in der Metro Sankt Augustin als Fischverkäufer. Nach dem Ende seiner Ausbildung hat der Afghane einen Zwei-Jahres Vertrag bekommen. Wie es danach weitergeht, weiß er noch nicht.
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Nadine Bayer, Ausbilderin von Tamim Azimi in der Metro in Sankt Augustin
Bild öffnen Corinna Trier entwickelt bei der Rewe Süd das Personal.
Bild öffnen „Pünktlichkeit muss oft noch gelernt werden.“ Ibrahim Maiga, Integrationskoordinator bei der Rewe Süd, hilft auch, wenn bei der Integration Konflikte auftreten.
Bild öffnen „Alle, die das Bild eines toleranten Deutschlands stören, gefährden auch den Wirtschaftsstandort.“ HDE-Präsident Josef Sanktjohanser