Test - Bio-Märkte Rot, süß und von hier?

Produkte aus der Region werden vom Verbraucher immer stärker nachgefragt. Regional gilt als ökologisch. These: Bio-Läden machen das besonders gut. Die LP hat dort eingekauft. Sind die besser als der LEH?

Donnerstag, 13. September 2018 - Management
Susanne Klopsch
Artikelbild Rot, süß und von hier?
Natürlich ist Deutschland eine Region (Europa übrigens auch).
Bildquelle: Peter Eilers, Mirco Moskopp, Silvia Schulz

Wie hoch ist der Einfluss des Transportwegs auf die Ökobilanz? Darüber streiten Experten weiterhin. Klar ist aber: Aus Konsumentensicht punkten Lebensmittel aus dem Umland mit den kurzen Transportwegen. Oft schmecken die Produkte auch besser, denn sie werden zum optimalen Reifezeitpunkt geerntet. Wenn man in Berlin Äpfel aus dem Havelland statt aus Chile isst, hat das auch psycho-soziale Aspekte. Der Verbraucher fühlt sich mit der Region verbunden, und es stärkt die heimische Landwirtschaft. Nicht zuletzt machen regionale Produkte unabhängig(er) von Preiserhöhungen oder Missernten anderswo und sichern die Versorgung.

Die Test-Kriterien

Auf die folgenden Rubriken wurde geachtet, wobei auf die ersten vier Kriterien der Schwerpunkt gelegt wurde:

  1. Erscheinungsbild der Obst- und Gemüseabteilung
  2. Präsentation der regionalen Produkte
  3. Wie wirkt das Verkaufspersonal?
  4. Beratungsgespräch
  5. Ist-Aufnahme (Abgleich mit dem theoretischen Ernte-Kalender)
  6. Regionale Produkte im Markt (vor dem Betreten, im Markt, Zweitplatzierung,...)

Erschütternde Ergebnisse
Das Ergebnis des LP-Einkaufstests in Biomärkten ist ernüchternd. Egal wo die Tester auch unterwegs waren, in Berlin, Weiterstadt oder Darmstadt, die Momentaufnahme war alles andere als gut oder zumindest durchschnittlich. Dabei wurden dort nur die Obst- und Gemüseabteilungen der Biomärkte unter die Lupe genommen. Und das auch nur in den Bundesländern, in denen laut BMEL (Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft) der prozentuale Anteil der landwirtschaftlich genutzten Flächen nach den Prinzipien des ökologischen Landbaus am höchsten, über dem Mittelwert des Landes liegt. In Deutschland sind es durchschnittlich 7,5 Prozent, in Hessen 12,6 und in Brandenburg 11,1 Prozent. Da ist es für den Konsumenten schwer verständlich, warum die Äpfel im Bioladen aus aller Herren Länder und nicht aus der Heimat kommen. Und es gibt sie in diesem Jahr schon so früh.

Im Einkaufstest betrachten wir die Rubriken Erscheinungsbild der Obst- und Gemüseabteilung und Eindruck vom Verkaufspersonal als Standards. Und genau diese zwei Rubriken sind die im Test gewesen, in denen die Märkte die besten Ergebnisse erzielt haben. Beim Erscheinungsbild hatten die Tester Ordnung und Sauberkeit, den hygienischen Zustand, die Begehbarkeit inklusive ausreichender Gangbreiten, aber auch die Warenanordnung zu beurteilen. Ferner ging es um die Warenpräsenz sowie die Frische und Qualität der angebotenen Waren. Bis hierher gab es in keinem besuchten Biomarkt größere Auffälligkeiten. Weder in die eine noch in die andere Richtung. Bei den Preisschildern und Informationen wurde es schon ein wenig wackelig. Denn Preisschilder können so oder so aussehen. In den Biomärkten gab es alles: ansprechende, gut lesbare Schilder sowie Schilder, deren beste Zeiten schon lange vorbei waren. Im Markt der Bio Company hängen links und rechts an Regalseiten Plakate vom Apfelhof Augustin. Nur war von den hier angepriesenen 15 Sorten nicht eine erhältlich. Von den fünf im Angebot erhältlichen kamen lediglich zwei aus Deutschland. Bei Denns lag ein Flyer aus, der mit Apfelparadies betitelt ist. Zehn Sorten sind beschrieben. Im Markt gab es keine davon. Beides – zumindest in der Theorie – kundenorientiert und informativ. Aber in der Praxis?

Das ist regional

Im Supermarkt, auf dem Wochenmarkt, im Bioladen: Überall finden sich Werbung, Plakate und Hinweise auf Lebensmittel „aus der Region“. Viele Hersteller oder Händler nutzen den Trend zu regionalen Lebensmitteln und werben mit Begriffen wie „Region“, „von Hier“, „Heimat“ und „nah“, ohne die Begriffe weiter zu definieren oder zu erklären. Der bundesweite Marktcheck der Verbraucherzentralen von 2015 zeigt, dass viele dieser derart beworbenen Lebensmittel alles andere als regional sind, sondern teilweise erhebliche Entfernungen zurückgelegt haben. Da der Begriff nicht gesetzlich definiert und geschützt ist, wird er häufig immer noch irreführend verwendet.


Verpackungsmaterial war in allen Märkten ausreichend vorhanden. Mal Papier- und Folientüten, mal nur Papiertüten. Prima sind Obst- und Gemüsenetze, die der Kunde kaufen kann. Doch wie soll der Kunde auf sie aufmerksam werden, wenn sie wie bei Denns in einer Ecke mehr versteckt als präsentiert werden? Obst und Gemüse waren vielfach unverpackt. Prima. Doch dann sollte es zum Service gehören, Kunden die Möglichkeit zu geben, die Hände zu schützen oder sie säubern zu können. Zwei einzelne große Handschuhe auf den Kartoffeln reichen da nicht aus und sind auch alles andere als hygienisch.

In der dritten Standard-Rubrik ging es ums Personal. Auch hier nur um die Basics, also Dienstkleidung und Namensschild. Darüber hinaus hatten die Tester zu erfassen, ob es Blickkontakt gab und wie freundlich und damit einladend die Mitarbeiter mit den Kunden agierten. Bis hierher gab es kaum nennenswerte Unterschiede. Doch schon bei der Begrüßung, die zweifelsohne ein Standard im Kundenkontakt sein sollte, gab es Defizite. Auch die Nachfrage, was genau der Kunde möchte, war für viele Mitarbeiter eine so hohe Hürde, dass sie umgangen wurde. Dabei werden Kunden im persönlichen Gespräch gebunden und so erst zu Stammkunden, die gerne wiederkommen. In diesen beiden Rubriken erreichten die Biomärkte jedoch Werte, die mit bereits erfolgten Tests der Lebensmittel Praxis absolut vergleichbar sind. Aber danach ging es ans Eingemachte.

Inszenierung am Point of Sale
Wissenschaftler des Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (Zalf) im brandenburgischen Müncheberg haben ausgerechnet, dass Berlin und mithin das Umland überwiegend mit regionalen Bio-Produkten versorgt werden könnten. Die Forscher ermittelten die Fläche, die zur Deckung des Bedarfs an Bio-Lebensmitteln benötigt würde – pro Einwohner knapp 2.900 Quadratmeter Land. In der Summe entspräche das einem Kreis mit einem Radius von etwa 107 Kilometern rund um Berlin.

Kommen wir zur Praxis. Regionale Produkte in der Obst- und Gemüseabteilung suchten die Tester meist vergebens. Im Terra-Verde-Markt in Darmstadt fand sich so gut wie nichts aus der Region in der Warenauslage. Wenn, dann kamen die Waren aus Deutschland oder der großen weiten Welt. Biologisch erzeugt in Venezuela und dann einmal rund um den Globus ins Regal der Biomärkte. Und von Inszenierung der Produkte konnte in keinem Bio-Markt die Rede sein. Das können heimische Bauern auf dem Wochenmarkt, südländische Einkaufsstätten und normale Supermärkte besser.

Gute Nachricht bei der Rubrik Beratungsgespräch zu Beginn: Im Terra-Verde-Markt Darmstadt befand sich Personal in der Abteilung. Im Tegut-Markt (wegen der Bio-Profilierung beim Test dabei) in Weiterstadt machten die Tester nur eine Verkäuferin hinter der Fleischtheke und eine an der Kasse aus. Hier musste auf Beratung verzichtet werden. Aber auch in den Berliner Bio-Märkten gab es in der Obst- und Gemüseabteilung zum Besuchszeitpunkt keinen einzigen Mitarbeiter. Da hieß es für die Tester, sich einen im Markt zu suchen. Und – wer sucht – der findet. Bevor es an die Antworten geht, hier noch ein Erlebnis der besonderen Art. Im Markt der Bio Company kamen auf Wunsch der Tester gleich drei Mitarbeiter (in einer Front) auf den Kunden zu. Emotional gar nicht gut. Doch wer jetzt denkt, viele Mitarbeiter wissen viel, der irrt. Denn auf die einfache Frage, woher die Möhren kommen, wenn an ihnen das Schild „fair und regional“ steckt, hatten die Mitarbeiter keine Antwort. Auch auf die Frage, was regional überhaupt heißt, gab es nur vage Vermutungen. Bei Denns musste die Mitarbeiterin ganz passen. Hier hörten die Tester: „...das steht nicht in den Unterlagen. Und an welche Produkte die Schilder ‚regional‘ kommen, gibt die Zentrale vor.“ Nicht gut.


Auswertung mal anders

In Anlehnung an die Europameisterschaften gibt es für jede Rubrik Bronze, Silber und Gold.

Der Medaillenspiegel

Markt                 Gold   Silber   Bronze
 
Alnatura                  4x     2x       -
Bio Company          2x     3x       1x
denns                       3x     1x       1x
tegut                          -      1x       1x
Terra-Verde              1x     1x       1x

Da in den verschiedenen Rubriken mehrere Märkte dasselbe prozentuale Ergebnis erzielten, gibt es 18 statt 22 Medaillen.

Bei Alnatura hatten die Tester Glück. Der Mitarbeiter, der mit dem Rücken zur Abteilung stand und Molkereierzeugnisse bestellte, konnte antworten: „Regional heißt aus Brandenburg und wenn die Waren Demeter-zertifiziert sind, kommen sie immer aus Brodowin.“ Hätte er das nicht so belehrend geäußert, wäre es besser angekommen. Zudem woher soll der Verbraucher wissen, dass „nur“ Brodowin Demeter-zertifizierte Ware an Alnatura liefert? Es steht nirgendwo. Kein Schild, keine Landkarte ...

Und überhaupt: Wie kommunizieren die Bio-Märkte dem Kunden, woher sie ihre Waren beziehen? Mit einem anonymen Bild von einem Lieferanten auf einem Plakat am Check-out? Wohl kaum. Mit Plakaten (siehe Äpfel) und Flyern in der Abteilung? Ja. Aber dann sollten die Waren auch verfügbar sein. Und auch in den Werbemitteln, die im Markt auslagen, keine Hinweise. Wohl bemerkt beziehen wir uns hier nur auf den Obst- und Gemüsebereich. Dabei gibt es praktische Beispiele, wie Händler Kunden zeigen, wo die Produkte herkommen. Auf gut sortierten Wochenmärkten ist es Pflicht, mit seinem Namen über dem Marktstand oder auf dem Verkaufsfahrzeug anzuzeigen, wer hier welche Waren woher verkauft. Beim Konsum Dresden gibt es personifizierte größere Regalschilder. Auf denen steht der Lieferant mit Name, Firmierung und Bild. Ähnliches gibt es auch im Weinfachhandel. Und der normale Supermarkt visualisiert Produkte aus Brodowin auch aufmerksamkeitsstark.

Die Tester hatten erwartet, dass die Biomärkte in punkto Regionalität dem klassischen Lebensmittelhändler einen Schritt voraus sind. Aber – Fehlanzeige. Und dabei wurde bewusst nur die Obst- und Gemüseabteilung betrachtet. Doch das Gravierendste war, dass zwar mit dem Begriff Region geworben wird, die Mitarbeiter – abgesehen vom Schulmeister im Alnatura Markt – aber nicht im Thema standen und weder fachlich noch emotional mit Kompetenz punkten konnten.

Hier wurde getestet

Folgende Märkte wurden besucht

  • Alnatura, Bölschestr. 63, 12587 Berlin
  • denns, Bahnhofstr. 33–38, 12555 Berlin
  • Bio Company, Weißenhöher Str. 108, 12683 Berlin
  • Tegut , Max-Planck-Str. 6, 64331 Weiterstadt
  • Terra Verde Biomarkt, Dieburger Str. 77, 64287 Darmstadt Anmerkung: Tegut haben wir in den Test miteinbezogen, weil das
  • Unternehmen sich besonders mit Bio profiliert.

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