Recht Gute Begründung

Das Bundesverfassungsgericht hat die Bedingungen für befristete Arbeitsverhältnisse präzisiert. Was das für Sie als Arbeitgeber in der Praxis bedeutet, das weiß die Fachanwältin Nina Hartmann von CMS.

Freitag, 06. Juli 2018 - Management
Nina Hartmann
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Das höchste deutsche Gericht hat am 6. Juni 2018 entschieden, dass Arbeitgeber Arbeitsverträge von Arbeitnehmern nicht mehr ohne Vorliegen eines besonderen Grundes befristen dürfen, wenn bereits irgendwann zuvor zwischen denselben Vertragsparteien ein Arbeitsverhältnis bestanden hat.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hebt damit – wie zu erwarten war – eine anderslautende Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zum Vorbeschäftigungsverbot auf. Das hat erhebliche Folgen für die Praxis.

Was ist das Vorbeschäftigungsverbot?
Nach dem Willen des Gesetzgebers stellen unbefristete Arbeitsverhältnisse den Grundsatz im Arbeitsleben dar, befristete Arbeitsverhältnisse sollen deshalb die Ausnahme sein. Das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) stellt dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis sicher. Denn: Die Befristung von Arbeitsverhältnissen bedarf eines Sachgrundes. Der bekannteste Sachgrund für eine Befristung ist wohl die Elternzeitvertretung.

Daneben können Arbeitsverträge zum Beispiel für Arbeitnehmer befristet werden, die gerade ein Studium absolviert haben und denen der Übergang in eine Anschlussbeschäftigung erleichtert werden soll.

Nur dann, wenn zwischen den Vertragsparteien zuvor kein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestand, kann ausnahmsweise ein befristetes Arbeitsverhältnis ohne Sachgrund (maximal zwei Jahre) eingegangen werden.

Dieses sogenannte Vorbeschäftigungsverbot ist gesetzlich in Paragraf 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG verankert und stößt seit Inkrafttreten des Gesetzes im Jahr 2001 auf Kritik. Aufgrund des zeitlich unbegrenzt geltenden Verbots ist nach dem Gesetzeswortlaut eine sachgrundlose Befristung auch dann ausgeschlossen, wenn zwischen der Vorbeschäftigung und der erneuten Anstellung viele Jahre liegen.

Das BAG legte das Vorbeschäftigungsverbot dann im Jahr 2011 einschränkend aus und vertrat die Auffassung, dass die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrags trotz Vorbeschäftigung wieder zulässig sei, wenn das Ende des vorangegangenen Arbeitsverhältnisses mehr als drei Jahre zurückliegt.

Was sagt das BVerfG?
Das BVerfG ist zunächst zu dem Ergebnis gelangt, dass das Vorbeschäftigungsverbot und damit die gesetzliche Einschränkung von sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnissen mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Auch die Tatsache, dass Vorbeschäftigte in der Konkurrenz um einen sachgrundlos befristeten Arbeitsplatz gegenüber nicht Vorbeschäftigten regelmäßig den „Kürzeren“ ziehen dürften, führt nicht zur Unzulässigkeit des Vorbeschäftigungsverbots. Vorbeschäftigte könnten in ein Dauerarbeitsverhältnis übernommen oder mit Sachgrund befristet beschäftigt werden. Die negativen Folgen für Vorbeschäftigte seien hinzunehmen, um die Gefahr von langen „Befristungskarrieren“ auszuschließen.

Damit bestätigt das BVerfG die gesetzgeberische Intention: Sachgrundlose Befristungen sollen nur als Ausnahme bei einer Neueinstellung gestattet sein.

Die Rechtsprechung des BAG zur zeitlichen Beschränkung des Vorbeschäftigungsverbots auf drei Jahre hält das BVerfG allerdings für nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Ausnahmen vom Vorbeschäftigungsverbot soll es aber geben, wenn die Gefahr der Kettenbefristung von Beschäftigten nicht besteht und das Verbot der sachgrundlosen Befristung nicht erforderlich ist, um das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten.

Ein absolutes Vorbeschäftigungsverbot sei dann unzumutbar und das Gesetz müsse einschränkend ausgelegt werden. Eine Unzumutbarkeit soll vorliegen, wenn eine Vorbeschäftigung sehr weit zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist.

Welche Folgen hat die Entscheidung des BVerfG?
Sofortige Geltung der Gerichtsentscheidung: Die Entscheidung des BVerfG ist ab sofort von allen Gerichten und Rechtsanwendern zu beachten, das heißt, die Rechtsprechung des BAG zur „Drei-Jahres-Grenze“ gilt nicht mehr. Arbeitgeber können Arbeitsverträge mit demselben Arbeitnehmer künftig grundsätzlich nicht mehr mehrmals sachgrundlos befristen. War ein Bewerber aber etwa bereits in seiner Schul- oder Studienzeit, etwa als Werkstudent, bei einem Unternehmen tätig, kann mit diesem Unternehmen nach Abschluss der Ausbildung ein befristeter Arbeitsvertrag ohne Sachgrund abgeschlossen werden.

Auswirkungen auf aktuelle Befristungen: Nicht abschließend geklärt ist allerdings, was mit aktuell sachgrundlos befristeten Arbeitsverträgen passiert, die im Vertrauen auf die zeitliche Beschränkung des Vorbeschäftigungsverbots bei einer mehr als drei Jahre zurückliegenden Vorbeschäftigung abgeschlossen wurden. Hier besteht das Risiko, dass diese nun als unbefristete Arbeitsverhältnisse fortgelten.

Alternative Gestaltungsmöglichkeiten für den Arbeitgeber
Kann ein Arbeitgeber keine sachgrundlose Befristung wegen einer erst kurz zurückliegenden Vorbeschäftigung in gleicher Position mehr in Betracht ziehen, ist eine befristete Anstellung nur möglich, wenn diese zum Zwecke der Elternzeitvertretung, einer befristeten Projekttätigkeit oder wegen nur vorübergehendem Beschäftigungsbedarf, etwa bei einer Inventur, erfolgen soll. Liegt kein sachlicher Grund vor, bleibt letztlich nur der Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages oder die befristete Beschäftigung über ein Zeitarbeitsunternehmen.

Baldige Abhilfe durch eine Änderung des Gesetzes?
Nach dem Koalitionsvertrag zwischen SPD und Union soll die aufgehobene Rechtsprechung des BAG in Zukunft gesetzlich verankert werden. Eine Befristung ohne Sachgrund soll danach doch wieder möglich sein, wenn die Vorbeschäftigung drei Jahre zurückliegt. Nach der Entscheidung des BVerfG sind allerdings Zweifel angebracht, ob eine starre Drei-Jahres-Grenze überhaupt verfassungsgemäß wäre. Diesbezüglich bleibt abzuwarten, wie der Gesetzgeber die widerstreitenden Grundrechtspositionen des Arbeitgebers und Arbeitnehmers in diesem Fall in verfassungsmäßiger Weise in Einklang bringen wird. Wird die Drei-Jahres-Grenze tatsächlich im Gesetz verankert, dürfte die nächste Entscheidung des BVerfG nicht allzu lange auf sich warten lassen.