Gegenwehr der Supermärkte Discounter im Härtetest

Jahrzehntelang zeigte die Erfolgskurve der Discounter himmelwärts. Jetzt sinkt der Stern von Aldi & Co. Zum Auslaufmodell wird das Discount-Prinzip sicher nicht. Aber im gnadenlosen Wettbewerb trennt sich die Spreu vom Weizen. Wer bleibt, wer muss gehen?

Mittwoch, 20. April 2011 - Management
Brigitte Oltmanns
Artikelbild Discounter im Härtetest
Bildquelle: Daniel Klages-Saxler, fotolia

Sinkende Umsätze, rückläufige Marktanteile in vielen Sortimenten, ruinöse Rabattschlachten am laufenden Band: Es ist heutzutage nicht mehr so einfach, in Deutschland ein Discounter zu sein. Das war vor Kurzem noch anders. Seit die Brüder Albrecht in den 1960er Jahren die Deutschen lehrten, wie man preiswert einkauft, und schnell Nachahmer fanden, hat das Discountprinzip bestens funktioniert. Der Anteil am FMCG-Markt (Güter des täglichen Bedarfs) kletterte bis auf 45 Prozent. Auch in Handelssparten außerhalb des Lebensmittelhandels und in allen Bevölkerungsschichten wurde „Geiz ist geil" salonfähig. Über vier Jahrzehnte reichte es fast, ein Discounter zu sein, um Erfolg zu haben.

Doch das Blatt hat sich gewendet. Bereits 2009 geriet Branchenprimus Aldi, der mit 43 Mrd. Euro Umsatz immer noch so viel verdiente wie seine Wettbewerber zusammen, laut GfK in die roten Zahlen. 2010 meldeten die Marktforscher dann ein weiteres Umsatzminus von einem Prozent. „Aldi verliert Umsatz an Lidl, Edeka und Rewe", sagt GfK-Discountexperte Wolfgang Twardawa. Deutschlands Discount-Pionier konnte keine neuen Kunden mehr hinzugewinnen, die Einkaufsfrequenz der Kunden und die Höhe der Kassenbons fielen niedriger aus als im Vorjahr.

Wettbewerber Lidl sei mit einem Umsatzplus von knapp 4 Prozent zwar der Gewinner im Discountbereich gewesen, habe aber nur durch Flächenexpansion zulegen können, bilanziert die GfK. Schätzungen zufolge ist das Filialnetz um etwa 50 Märkte erweitert worden. Auch zu Beginn des Jahres 2011 erlebten die Discounter eine Bauchlandung: Nach Informationen der Symphony IRI Group stand den Absatzverlusten von mehr als 2 Prozent ein Umsatzrückgang von 1,5 Prozent gegenüber.

Vor Jahren war es vor allem die konzeptionelle Schwäche der Vollsortimenter hierzulande gewesen, die das Wachstum der Discountriege begünstigt hatte. Mittlerweile haben sich – auch im Zuge eines langjährigen Konsolidierungs- und Abschmelzungsprozesses unter den Supermärkten – die Fronten verschoben: Besonders den verbliebenen führenden LEH-Ketten Edeka und Rewe ist es gelungen, sich erfolgreich als starke Händlermarken zu positionieren. Auf der einen Seite spielen sie verstärkt ihre natürlichen Stärken wie Vielfalt, Frische und Service aus, auf der anderen Seite schlagen sie den Wettbewerber Discount mit den eigenen Waffen – den gestärkten und im Preiseinstieg aufgewerteten Handelsmarken. „Die lange versäumte Gegenwehr der Supermärkte – neue Konzepte, Trading Up, City-Märkte, weniger Nonfood – fängt jetzt an zu greifen", resümiert Joachim Stumpf, Geschäftsführer der Münchner BBE-Unternehmensberatung.


Die Herausforderer von einst, die Discounter, sehen da blass aus. Der Schauplatz für die Verteilungskämpfe im Handel ist inzwischen ein anderer. Wachstum bei Discountern kann derzeit nur auf Kosten der Wettbewerber im eigenen Lager stattfinden. Der Kampf um Kunden, Umsätze und Marktanteile wird mit harten Bandagen geführt. Die schon 2009 von Aldi initiierten aggressiven Preissenkungsrunden gehen unvermindert weiter; dies machte im Januar 2011 die erste Rotstiftaktion vor allem bei Drogerieartikeln deutlich. Zugleich sind neue Konzepte gefragt. Der Preis als Waffe hat nach Ansicht von BBE-Chef Stumpf dabei aber noch nicht ausgedient: „Die klare Positionierung wird nur über den Preis gehen." Doch die Grenzen zum Supermarkt würden weiter verschwimmen, zum Beispiel durch mehr Frische und mehr Serviceangebote, prognostiziert der Unternehmensberater.

In der Tat probieren die Discounter derzeit viel aus, was in diese Richtung gedeutet werden kann. Sie testen neue Konzepte, die das Schiff wieder auf Kurs bringen sollen – von Backautomaten bis zu emotional gestalteten Werbekampagnen, von Standortaufwertungen über Kooperationen mit anderen Händlern bis zum Ambiente-Markt. Das neue Ambiente-Konzept in Düsseldorf wird in der Branche schon als der Anfang einer strategischen Neuausrichtung bei Penny gehandelt – hin zu aufgewerteten Frischesortimenten und einer attraktiveren Präsentation. Bei Penny Italien hatte man das Konzept schon vor drei Jahren eingeführt; jetzt soll sich der Erfolg auch hierzulande einstellen. Für Penny sieht BBE-Mann Stumpf auch die größte Herausforderung, ein klares Profil zu erlangen. „In Ballungsräumen könnte das Trading Up funktionieren." Ein Transfer auf alle Filialen sei aber schwierig, da Lidl und Netto dort besser positioniert seien. Auch Betriebswirtschaftler Prof. Dr. Thomas Roeb von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg hat seine Zweifel: „Das Trading Up haben Aldi Süd und Lidl schon lange praktiziert – Penny holt hier eher auf, als selbst Maßstäbe zu setzen. Hinzu kommt, dass die Maßnahmen sehr den Konzepten ähneln, die Plus schon vor mehr als fünf Jahren eingeführt hatte und die dort nur mäßigen Erfolg zeitigten."

Insgesamt gilt Penny eher als Wackelkandidat, den das gleiche Schicksal ereilen könnte wie das des Discounters Plus. Alain Carparros' öffentliches Nachdenken über Pennys Zukunft leistet entsprechenden Spekulationen Vorschub. Netto wiederum sieht man nach wie vor in der Discount-Liga erfolgreich mitspielen, aufgrund seiner standortflexiblen Filialkonzepte, des von den Kunden gut angenommenen Hybrid-Konzepts wie auch dank seines überdurchschnittlichen Ertragspotenzials.
An der Zukunft der beiden Branchenleader zweifelt niemand ernsthaft. Auch wenn sich Aldi Nord aus Sicht von Stumpf auf das Niveau von Aldi Süd vorarbeiten müsste, um neues Wachstum zu generieren. Insgesamt hat in der Discountbranche – wie zuvor bei den Supermärkten – ein Bereinigungsprozess begonnen, aus dem am Ende auch hier die Besten mit neuen Konzepten zu alter Ertragsstärke zurückkehren könnten.

Gleichzeitig arbeiten die Großen der Branche allerdings mit Nachdruck an der Auslandsexpansion, die derzeit erheblich mehr Potenzial als das Inlandsgeschäft verspricht. Aldi Süd finanziert mit dem Verkauf von Märkten und Grundstücken den Filialausbau in Australien, Großbritannien und den USA. Erzrivale Lidl konzentriert sich bei seinen Expansionsplänen auf Europa. Der Marktzweite im Discountsegment soll, so meldete kürzlich die niederländische Fachzeitschrift Distrifood, im Oranjestaat zudem an einem neuen Auftritt arbeiten, der sich mit der Umgestaltung der Märkte sowie neuen Werbe- und Vkf-Konzepten wiederum in Richtung Supermarkt bewegt.

{tab=Reduzierter Werbedruck}

Mit neuen Auftritten, neuen Formaten und neuem Selbstbewusstsein melden sich die Vollsortimenter zurück – und erzielen Wachstumsraten, von denen die Discounter derzeit nur träumen können. Dies wird auch mit hohem Werbeaufwand nach außen kommuniziert: Der Handel steht im Werbejahr 2010 nach Informationen von Nielsen Media Research mit mehr als 2 Mrd. Euro weiter an der Spitze der werbeumsatzstärksten Branchen. Der Etat ist gegenüber dem Vorjahr zwar um 73 Mio. Euro gesunken. Der Rückgang basiert aber vor allem auf dem reduzierten Werbedruck der Discounter. „Die reine Preispolitik der Discounter hat ausgedient. Diese müssen sich 2011 neu positionieren, denn billig allein funktioniert nicht mehr", erklärt Ludger Wibbelt, Geschäftsführer von Nielsen Deutschland. Die Konsumenten verlangten verstärkt nach Transparenz und Nachhaltigkeit, so der Nielsen-Chef. „Aldi scheint diese Ausrichtung mit seiner Imagekampagne in Publikumszeitschriften bereits begonnen zu haben."

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