Interview Prof. Dr. Thomas Roeb Wer mischt weiter vorne mit?

Das Erstarken der Supermärkte steht erst am Anfang, sagt Discount-Experte Prof. Dr. Thomas Roeb. Die Discounter stoßen dagegen an ihre Wachstumsgrenzen.

Mittwoch, 20. April 2011 - Management
Brigitte Oltmanns
Artikelbild Wer mischt weiter vorne mit?

Die Krise verschont keinen Discounter, sagt Discount-Experte Prof. Dr. Thomas Roeb vom Fachbereich Wirtschaft der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg und wagt im LP-Interview eine Prognose zur Zukunft der Branche.

Die bislang erfolgsverwöhnten Discounter zeigen nun eine eher schwache Performance. Ist dies auch Ihre Einschätzung?
Prof. Dr. Thomas Roeb: Auch wenn aus meiner Sicht solche Haushaltspaneldaten mit Vorsicht zu genießen sind, weil Discounter hier tendenziell unterrepräsentiert sind – der Trend scheint zu bestehen. Es wäre aber außerordentlich gewesen, wenn Discounter den Wachstumskurs hätten fortsetzen können, bis es keine anderen Betriebsformen mehr gibt. Klar ist: Discounter haben mit einem Anteil von mehr als 40 Prozent im deutschen LEH eine unübertroffene Bedeutung.

Wo sehen Sie die Ursachen für die Discount-Schwäche?
Die Antwort ist weniger in den Fehlern der Discounter zu finden als in den richtigen Schritten des Wettbewerbs. Edeka und Rewe haben sich konzeptionell deutlich nach vorne entwickelt und nicht nur ihre klassischen Stärken im Bereich Frische ausgebaut, sondern auch ihr Preisprofil geschärft. Hierzu gehören die Stärkung der Eigenmarkenangebote und die Aufwertung der Einstiegspreislagen. Und das Erstarken der Supermärkte steht in einigen Bereichen aus meiner Sicht noch am Anfang.

Die Stärke des einen ist die Schwäche des anderen?
Nein, die Krise des Discounts ist zum Teil selbst verschuldet. Aldi Nord, Penny und früher Plus hatten ihre konzeptionelle Entwicklung – Standorte, Qualität der Eigenmarken, Preisniveau – zu lange vernachlässigt, als dass die um die Jahrtausendwende bei Penny und Plus eingeleiteten Kurswechsel noch hätten Erfolg bringen können. Interessant ist, dass bei den Discountern – konträr zur krisengeplagten SB-Warenhausbranche – kein Unternehmen verschont zu bleiben scheint. Selbst die Spitzenreiter Aldi Süd und Lidl stoßen an ihre Wachstumsgrenzen.

Welche Perspektiven sehen Sie denn für die einzelnen Key Accounts?
Aldi Süd und Lidl besitzen ein sehr stabiles Fundament, um die Krise nicht nur zu durchschreiten, sondern vielleicht sogar von ihr zu profitieren. Deutlichstes Indiz dafür ist der Umsatz pro Verkaufsstelle, der bei Aldi Süd mit circa 7 Mio. Euro und bei Lidl mit fast 5 Mio. Euro deutlich vor den Wettbewerbern liegt. Aldi Nord erreicht mit mehr als 4,5 Mio. Euro ein ähnliches Niveau wie Lidl, konnte dieses Volumen jedoch seit fast 25 Jahren nicht ausbauen und zehrt von mehr vergangenen Leistungen, als von zukunftsgerichteten Konzepten zu profitieren. Offen bleibt, ob der Führungswechsel durch den Tod von Theo Albrecht Veränderungen mit sich bringt.

Wie sieht es bei den Softdiscountern aus?
Mit unter 3 Mio. Euro Filialumsatz liegt der Umsatz bei Netto seit der Übernahme von Plus auf rekordverdächtig niedrigem Niveau. Andererseits erwirtschaftete das Unternehmen mit seinem großen Sortiment vor der Plus-Übernahme trotz der auch damals kaum höheren Umsätze sehr hohe Erträge. Die Umsatzrendite übertraf Lidl und sogar Aldi Nord. Auf diesem Niveau wird sie sich angesichts der durch Plus verschlechterten Kostenstrukturen und des gleichzeitig von Aldi eingeleiteten Preiskriegs kaum halten lassen. Dennoch scheint Netto immerhin das Potenzial zu besitzen, langfristig ertrag- und erfolgreich im Markt zu agieren.

Und Penny? Der Rewe-Discounter testet doch gerade ein neues Konzept in Düsseldorf.
Schwer zu sagen. Der Durchschnittsumsatz von Penny liegt zwar mit mehr als 3 Mio. Euro fast 10 Prozent über dem von Netto. Das Konzept ist jedoch deutlich anders und hat nie die Ertragsreserven besessen, von denen Netto nun profitiert. Der neue Konzept-Laden in Düsseldorf erscheint wenig innovativ. Es ist zwar nicht der große Wurf, aber Penny wird sich wieder stabilisieren.

Marktforscher bezweifeln, dass Norma und Netto Stavenhagen die Krise überleben.
Zweifel an der Überlebensfähigkeit von Norma gibt es seit den 80er Jahren und könnten als Schwarzmalerei abgetan werden. Allerdings gab es noch nie eine solche Krise des Discounts wie heute, und für Randanbieter wie Norma bedeutet das nichts Gutes. Etwas besser scheint die Lage für Netto Stavenhagen zu sein: Die Verankerung in einer Region, die der Wettbewerb aufgrund ihrer Kaufkraft vernachlässigt hatte, bildet ein gutes Fundament für ein kurz- bis mittelfristiges Überleben. Die beschaffungsseitige Abhängigkeit von der Edeka, die gleichzeitig einer der wichtigsten Wettbewerber ist, kann mittelfristig aber zu einem strategisch großen Problem werden.

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PROF. DR. THOMAS ROEB, Discount-Experte

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