Gastro-Test Sterneküche im Supermarkt?

Gastronomische Konzepte im Supermarkt sind nicht neu. Dabei können aktuelle Konzepte unterschiedlicher nicht sein. Bei dem einen fühlt sich der Gast wie im Sterne-Restaurant. Beim anderen gibt es Bulette mit Brot. Die Lebensmittel Praxis machte den Test.

Donnerstag, 14. Dezember 2017 - Management
Susanne Klopsch
Artikelbild Sterneküche im Supermarkt?
Bildquelle: Martin Kämper, Carsten Hoppen

Fest steht: Der Wurm muss dem Fisch und nicht dem Angler schmecken. Deshalb ging es im Test auch nicht darum, was auf den Teller kam. Unter die Lupe kamen neben dem Personal das Ambiente, das Angebot, die Qualität und der Service. Es gibt eine Vielzahl von Kriterien, die einfach stimmen müssen – egal ob teuer oder preiswert.

Ambiente
Erlebniswelt Lebensmitteleinkauf – das ist ein Konzept, bei dem alle Sinne des Kunden angesprochen werden sollen. Dazu gehören immer öfter gastronomische Angebote. Doch wo ist der beste Platz für das Restaurant? Egal ob außerhalb des Marktes, in der Vorkassenzone oder in den Sortimenten: Der Kunde muss vor dem Einkauf darauf aufmerksam gemacht werden. Hier besteht offensichtlich bei vielen Supermärkten Nachholbedarf. Im Test gab es weder bei Edeka Simmel (nur auf dem kleinen stationären Lageplan) noch im Frische-Paradies eindeutige Hinweise auf das Angebot. Und wer bei Globus versehentlich den falschen Eingang nimmt, muss erst zum anderen Eingang laufen, um das Restaurant zu finden. Die nächste Frage: Was passiert mit dem Einkauf während des Essens? Denn geht der Kunde mit seinem Einkauf zum Auto, besteht die Gefahr des Nicht-Wiederkommens. Bei Edeka Gayermann (Bäcker – Frühstückscafé) und im Frische-Paradies war schon mit zwei geparkten Einkaufswagen der vorhandene Platz ausgeschöpft. Ein Tipp: Gut gelöst hat dieses Problem Ikea in seinen neueren Märkten.

Doch vor allem muss sich der Gast beim Essen wohlfühlen. Fragen, die bewegen, sind: Wie sind Gestaltung und Raumaufteilung? Wie warm ist es in der Gastrozone, wie riecht es dort, welche Geräuschkulisse erwartet den Kunden?

Beeindruckt waren die Tester vom Konsum: Eine Kleinfläche mit einem To-stay-Bereich an der Fensterfront, die mit Stadtplan, Abfahrtszeiten der Straßenbahn und mehr echte Gast-Orientierung lebt. Die Farben sind frisch, er Ausblick kurzweilig. Der Aufenthalt bei Edeka Simmel erinnerte dagegen eher an einen Wartesaal. Denn auch wenn der Bereich abgetrennt ist, störte das laute Klappern (Flaschen) des auspackenden Mitarbeiters dahinter.

Im Gastronomiebereich sind zudem die sanitären Einrichtungen für die Aufenthaltsqualität enorm wichtig. Bei dem einen gibt es sie gar nicht (Konsum), beim anderen befinden sie sich auf einer anderen Etage (Edeka Simmel).

Die Lösung bei Globus? Fragwürdig, denn wenn sich die Eingänge zu den Theken daneben befinden, kann der Toilettenduft über den Gang zum Essen wabern.

Überhaupt sind Ordnung, Sauberkeit und Hygiene das A und O in der Gastronomie. Krümel über Krümel auf den Tischen, klebrige Gläserspuren auf den Tischen, ein Fußboden mit Flecken und Brotkrumen – das hat nichts mit Wohlfühlatmosphäre zu tun.

Besuchte Märkte
  1. Edeka Gayermann in der Berliner Barnetstraße
  2. Edeka Simmel in der Dresdner Antonstraße
  3. Edeka Zurheide in der Düsseldorfer Nürnberger Straße
  4. Frische-Paradies, Morsestraße in Berlin
  5. Globus in der Koblenzer Jakob-Caspers-Straße

Angebot
Wie eingangs erwähnt, war es nicht die Aufgabe der Tester, am Angebot zu mäkeln. Sie prüften, wie und wo dieses kommuniziert wurde. Wie attraktiv, inhaltlich ausgewogen und logisch Karte oder Angebotstafel aufgebaut waren. Ferner, ob es Angebote für Kinder, Allergiker, des Tages, der Woche gab. Daneben achteten sie auf Besonderheiten und Spezialitäten. Für die Gestaltung ist es wichtig, zu wissen, dass eine Speisekarte von rechts nach links und nicht wie alles andere von links nach rechts gelesen wird.

Im Test der Lebensmittel Praxis hatte nicht der Händler die Nase vorn, der ein riesiges Angebot offerierte, sondern der, der sich auf seine Zielkundschaft fokussierte. Deshalb gab es für Edeka Zurheide vier von vier Sternen oder in Prozent ausgedrückt: 88. Da stört es wenig, wenn es für Kinder keine Spaschintos oder Pommes mit Ketchup gibt. So auch im Frische-Paradies. Auch hier sucht der Gast vergebens nach kindgerechten Angeboten. Aber einen Räuberteller oder die Pasta ohne alles gab es ohne Wenn und Aber.

Unterschiede stellten die Tester bei der Betreiberzeit der Restaurants fest. Bei Edeka Simmel (im Markt) und im Frische-Paradies entsprechen sie nicht den Öffnungszeiten des Marktes. Beide bieten ihre Speisen und Getränke nur zum Mittagstisch an. Die Tester empfanden das als passend und positiv. Denn jeder Händler (und auch Kunde) weiß, wie schwierig es ist, eine Frischetheke von morgens bis abends präsent, frisch, ansprechend, appetitlich und ohne Out-of-Stocks vorzuhalten. Da ist es nur konsequent, den Mittagstisch zu festgelegten Zeiten anzubieten. Zumal viele Kaufleute ihren Kunden gastronomische Abendveranstaltungen offerieren.

Wünschenswert sind allerdings mehr kleine Portionen. Aber nennt sie bitte nicht „Seniorenteller“!

Preis-Leistung oder Qualität haben ihren Preis
Für das Verhältnis von Preis und Leistung wurden nach dem Restaurantbesuch Sterne vergeben. Aber sind vier Sterne für den Konsum nicht übertrieben? Nein. Das Angebot war mit einem Blick überschaubar. Gäste die etwas Warmes wollten, konnten zwischen Tagessuppe und Donnerstag-Knackern „frisch aus dem Rauch“ wählen. Bei der Brötchenauswahl hatte der Gast die Qual der Wahl. Ein cleverer Schachzug – denn wenn der Kunde aus allen drei Preiskategorien wählen kann, fühlt er sich wertgeschätzt. Das überzeugte. Über alles erreichten die Restaurants 78,6 Prozent der möglichen Punkte. Doch wie bekannt, ist der Durchschnitt nur ein Bikini, der viel, aber nicht alles zeigt. Wer in der Rubrik „Genuss“ nicht überzeugte, war das Frische-Paradies. Nur zwei von vier Sternen. Dazu hörten die Tester vom Nebentisch: „Wird Zeit, dass der richtige Koch wiederkommt.“

Personal – Kundenpflege
Kommen wir zur Königsklasse: das Personal. Neben Perfektion beim Bedienen der Gäste, Aussprechen von Empfehlungen (auch Wein) und Abräumen der Speisen gehört zum Service eine gute Mischung aus Intuition, Ruhe, Selbstsicherheit und Freude am Bedienen.

Dafür ist es aber notwendig, dass das Personal die angebotenen Speisen selbst gegessen hat, um den Gästen genau sagen zu können, was sich hinter dem Namen auf der Karte verbirgt und wie so manches schmeckt. Spätestens nach den ersten zehn Sekunden sollte die Servicekraft wissen, was für Gäste sie am Tisch oder vor/an der Theke hat. Nur dann gelingt das zwischenmenschliche Spiel von der spaßigen Bedienung über die einfühlsame oder die unsichtbare, je nachdem, welche Signale ausgesendet und empfangen werden.

Die gute Nachricht: In drei Märkten gab es vier Sterne. Vielleicht macht es sich in den gastronomischen Konzepten des Einzelhandels bemerkbar, dass das gut ausgebildete Fachpersonal aus der Gastronomie gerne (siehe Öffnungszeiten) in den Handel wechselt. Von dem einen oder anderen Händler war das jedenfalls zu hören.

Doch das Personal hatte nicht in allen besuchten Märkten Sternstunden. Im Globus war von Freundlichkeit nicht viel zu spüren. Auch ist es kein schöner Anblick, wenn die Mitarbeiterin hinter der Kasse ins Brötchen beißt und damit keine Chance hat, mit dem Gast zu sprechen.

Unaufmerksamkeit ist für den Gast ein leidiges Thema. Bei Edeka Simmel wusste die Mitarbeiterin hinter der Theke (Speisen-Ausgabe) und „Kassiererin“ zur besten Mittagszeit nicht, dass zwei der angebotenen Getränke (Selbstbedienung) nicht erhältlich waren. Da fragt sich der Gast natürlich, wer denn die handgeschriebenen Zettel an den Zapfhähnen angebracht hat und wie sich das Personal auf seinen Einsatz vorbereitet.

Die Tester lobten die Mitarbeiter bei Edeka Gayermann. Beide hatten eine überaus charmante Art, jeden Gast sehr individuell einzufangen und das an einem Tag mit Stromausfall, an dem nicht alles so funktionierte, wie es funktionieren sollte. Chapeau!

Ein Fazit?
Vielleicht dies: Das passende Umfeld, die Gestaltung des Restaurants sind wichtig, um den Gästen vom ersten Moment an eine Atmosphäre zum Wohlfühlen zu bieten. Doch das zentrale Element für einen positiven, angenehmen Eindruck ist und bleibt die zwischenmenschliche Beziehung. Dafür muss der Händler wieder zum Kunden werden: Wann haben Sie das letzte Mal in Ihrem Restaurant gegessen?

Denken Sie daran: Die Gastronomie ist eine der wenigen Branchen, bei der sich der Gast beim Betreten des Geschäfts bereits fest entschlossen hat, Geld auszugeben. Hier wird nichts ausprobiert und danach wieder weggelegt, sondern mit Sicherheit Umsatz gemacht. Aber wie viel, das entscheidet im Wesentlichen der angebotene Service.