Carsten Koch und David Strack „Platzhirsch für Lebensmittel“

Mit den Stärken der Edeka Nord neue Kunden von sich überzeugen: Das ist das Ziel der Geschäftsführer Carsten Koch und David Strack. Im sich verändernden Wettbewerbsumfeld setzt das Spitzenteam auch auf innovative Sortimente, zum Beispiel von Food-Start-ups.

Sonntag, 01. Oktober 2017 - Management
Sonja Plachetta
Artikelbild „Platzhirsch für Lebensmittel“
Bildquelle: Frederik Röh

Die Wettbewerbssituation im Norden verändert sich durch die vom Kartellamt genehmigte Übernahme der Coop durch Rewe, die bis 2019 alle Sky-Märkte umflaggen will. Fürchten Sie die Rewe mehr als bisher Sky?
Carsten Koch: Zunächst einmal: Die Entscheidung des Kartellamts zugunsten der Rewe hätten wir als Edeka Nord gern einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen, haben aber unsere Beschwerde mit Rücksicht auf die national laufende Tengelmann-Übernahme zurückgezogen.

David Strack: Sicher müssen wir immer hellwach sein. Aber: Sky bzw. Coop ist oben im Norden viel verankerter, viel lokaler verwurzelt, als es die Rewe heute ist. Wir gehen davon aus, dass sich Coop-Kunden nach der Umflaggung deshalb genau umschauen, welche Einkaufsalternativen es in ihrem Umfeld gibt, und da sehen wir große Chancen für uns.

Welche Chancen sind das?
Strack: Wir wollen klar kommunizieren, was wir dem Kunden bieten. Bei Lokalität und Regionalität sind wir viel authentischer als die Rewe. Diesen nordischen Charakter und unseren lokaleren Marktansatz werden wir noch stärker herausstellen, um den Coop-Kunden zu zeigen, dass wir diese Kaufmotive besser abdecken, u. a. mit unserer Eigenmarke „Unsere Heimat“.

Koch: Ein Geschäft zu kaufen, heißt ja nicht, die Kunden zu kaufen. Die muss man gewinnen. Das hilft uns, denn für unsere Verankerung im Norden haben wir rund 700 sogenannte Testimonials, nämlich unsere selbstständigen Einzelhändler. Die stehen auch für regionale Sortimentsvielfalt.

Strack: Zudem zählen die Schwächen, die die Coop zuletzt im warengeschäftlichen Bereich an den Theken bei Fleisch, Wurst und Käse gezeigt hat, zu unseren Stärken, und diese Sortimente meinen wir, deutlich besser abbilden zu können als die Rewe.

Koch: Wir sind also hinreichend selbstbewusst, dass wir viele ehemalige Coop-Kunden von uns überzeugen können.

Klingt fast so, als wäre es gar nicht so schlimm, dass Sie die Sky-Läden nicht bekommen haben.
Koch: So ist das nicht. Wir hätten die Märkte gern gehabt, und uns wäre deutlich mehr dazu eingefallen, was wir aus ihnen hätten machen können. Es ist nicht nur für uns schade, dass wir sie nicht übernommen haben.

Carsten Koch

Carsten Koch ist seit Juli 2005 Geschäftsführer der Edeka Nord. Seit August 2008 ist er Sprecher der Geschäftsführung, zu der außer David Strack auch Martin Steinmetz gehört, der für die Ressorts Controlling, Logistik und IT sowie Fleischwerk zuständig ist. Koch verantwortet die Ressorts Finanzen, Immobilien und allgemeine Verwaltung. Der studierte Jurist und Politologe arbeitete zuvor als Wirtschaftsanwalt und ab 1999 als Leiter der Rechtsabteilung des Edeka-Verbands. 2004 stieg er dort zum Geschäftsbereichsleiter Recht auf.

Sondern auch für die Kunden?
Koch: Zum Beispiel, ja, oder auch für die Mitarbeiter.

Bereitet es Ihnen Kopfzerbrechen, dass die Discounter zuletzt laut GfK wieder stärker gewachsen sind als die Vollsortimenter?
Strack: Da muss man zwischen den einzelnen Discountern unterscheiden. Aldi Nord unternimmt gewaltige Anstrengungen hinsichtlich der Läden, der Verdichtung und der Weiterentwicklung der Sortimente. Letztlich läuft es aber bei Aldi und Lidl auf ein Trading-up hinaus, das uns sogar in die Karten spielen kann. Denn was wir feststellen, ist, dass wir an Koppelstandorten, an denen wir mit Lidl gemeinsam vertreten sind, stärker wachsen als an Koppelstandorten mit Aldi, wo wir in etwas geringerem Maße wachsen, aber auch dort immer noch mehr, als an Standorten ohne Discounter.

Koch: Es bleibt aber dabei, was schon vor dem Relaunch der Discounter galt: Aus Sicht der Verbraucher ist es hochgradig sinnvoll, beim Vollsortimenter einzukaufen, weil das Sortiment der Discounter trotz der durchaus ansprechenden Ladengestaltung stark begrenzt bleibt. Unser Anspruch, der beste Lebensmittelversorger im Absatzgebiet zu sein, bleibt davon unberührt. Wir wissen, dass das Uptrading nur Sogwirkung für einen kleinen Teil der Bevölkerung hat. Der Schwerpunkt findet immer noch im mittleren und unteren Preissegment statt, aber es ist die Spitze, die den Rest zieht. Deshalb müssen wir die Genussspitzen erreichen.


Ist eine Art, diese Genussspitzen zu erreichen, Ihr neues Vorkassen-bäcker-Konzept Dallmeyers Deli?
Koch: Eindeutig, ja. Die tägliche Nahrungsaufnahme findet immer häufiger unterwegs statt. Der Kunde will schnell, aber schmackhaft-lecker essen.

Strack: Wir testen das Konzept derzeit an vier Standorten in Hamburg und Lübeck. Die Idee ist, die Vorkassenzone moderner zu gestalten und auch jüngere Kunden anzulocken mit Gerichte von der Frontcooking-Station. Es gibt jeden Tag drei warme Gerichte mittags und abends, darunter traditionelle wie Königsberger Klopse, aber auch To-go-Artikel wie Chia-Pudding und frische Smoothies.

An wie vielen Standorten wollen Sie dieses Konzept einsetzen?
Strack: Bisher wird es gut angenommen, aber wir müssen noch eine Menge üben. Das werden wir genau ansehen. In den Städten ist der Supermarkt oft der ausgelagerte Kühlschrank der Anwohner, da ist die Einkaufsfrequenz viel höher als in ländlichen Gebieten, wo es noch den klassischen Wocheneinkauf gibt, und deshalb wird das Konzept nach unserer Hypothese in Städten sicher besser angenommen. Aber wir werden einen Deli auch auf dem Land testen, denn dort sind unsere Märkte oft sozialer Treffpunkt.

Macht die Großfläche mit Marktkauf noch Spaß?
Koch: Manche Häuser ja, manche derzeit noch nicht. Es ist schon so, dass die Ära dieser Dinosaurier in ihrer bisherigen Form vor dem Ende steht, aber wir sind keinesfalls fantasielos für die Neugestaltung dieser Märkte.

Strack: Wir arbeiten seit 2016 an der Repositionierung von Marktkauf, Stichwort ,Marktkauf 2020‘. Dabei ist aufgefallen, dass die bisherige Positionierung alles andere als klar war. Wir durchforsten mit unserer Mannschaft die Sortimente und analysieren, was unsere Stärken und wer unsere Kunden sind. Ziel ist, Marktkauf zu einer selbstbewussten Großfläche zu machen. Wir wollen der Platzhirsch für Lebensmittel und alle haushaltsnahen Produkte sein. Dabei ist uns klar, dass wir die Kunden belohnen müssen, wenn sie auf eine 5.000-qm-Fläche kommen. Da muss mehr passieren als in einem Edeka-Markt, was gerade bei Food in der Vergangenheit nicht der Fall war. Wir hatten z. B. zu kleine Frischsortimente, auch in den Theken.

Koch: Da fehlten ganz klar die Genussspitzen.

Dr. David Strack

David Strack ist seit September 2014 Geschäftsführer der Edeka Nord und verantwortet die Ressorts Vertrieb/ Marketing sowie Einkauf Food und Nonfood, den Regie-Einzelhandel, das Qualitätsmanagement und die Backwarensparte. Der Betriebswirt begann 1994 seine berufliche Laufbahn bei Aldi Süd. Später war er u. a. Geschäftsführer Deutschland Category Management/ Einkauf/ Marketing bei Plus in Mülheim. Ab 2008 führte Strack bei der Media-Saturn- Holding die internationale Expansion und war geschäftsführender Gesellschafter von Media Markt Wiesbaden.

Was tun Sie noch, um das Einkaufserlebnis bei Marktkauf zu verbessern?
Strack: Wir testen derzeit viele verschiedene Dinge, um das Einkaufserlebnis zu stärken, zum Beispiel haben wir das Thema Convenience und eigene Produktion ausgebaut, es gibt auch eigene Smoothie-Bars. An einzelnen Standorten werden zudem verschiedene Warenwelten als Leuchttürme hervorgehoben. Auch das Thema Nonfood dürfen wir natürlich nicht vernachlässigen.

Was macht Marktkauf jetzt schon besser als Kaufland?
Strack: Wir sind deutlich innovativer und näher am Kunden.

Koch: Das Thema Bedientheken können wir traditionell besser.

Strack: Von der Food-Stärke der Edeka wird Marktkauf in Zukunft noch stärker profitieren.

Wie gehen Sie mit dem Online-Wettbewerber Amazon Fresh in Hamburg um?
Koch: Unser Vorteil gegenüber Amazon ist: Wir haben schon Lebensmittelkunden. Und wir haben sowohl absatz- als auch beschaffungsmäßig eine mehr als 100-jährige Erfahrung. Amazon musste erst Whole Foods kaufen, um diese Defizite zu kompensieren. Außerdem haben wir mit unseren Märkten in unserem Absatzgebiet mehr als 700 Logistik-Zentren. Letztlich ist Online-Bestellung nur eine erweiterte Dienstleistung unserer Kaufleute, die schon seit mehr als 100 Jahren Lebensmittel auch nach Hause liefern.

Strack: Unsere Aufgabe ist nicht, E-Commerce als eigenen Vertriebskanal aufzubauen, sondern das Instrumentarium für unsere selbstständigen Kaufleute weiterzuentwickeln. Weil Food online zu bestellen inzwischen für viele Kunden sehr convenient ist, können unsere Kaufleute unsere kontinuierlich weiterentwickelte Online-Plattform Olivia nutzen, die der Edeka-DNA entspricht. Damit kann jeder Kaufmann dezentral und flexibel seine Sortimente online stellen. Er kann z. B. Werbeartikel vom Online-Versand ausnehmen. Wer sich von unseren Händlern mit online beschäftigen will, dem rate ich, auf unsere Lösung zurückzugreifen und keine eigene zu nutzen. Wir sehen, dass die Kaufleute, die Olivia nutzen, sehr erfolgreich damit sind.


Wie viele Kaufleute machen bisher bei Olivia mit?
Strack: Um die 30.

Wie hoch ist deren Online-Umsatzanteil?
Koch: Teilweise erstaunlich hoch. Das geht zum Teil deutlich über die 1 Prozent Online-Anteil am Food-Umsatz hinaus, von dem oft die Rede ist.

Was sind Ihre Ziele für 2017?
Koch: Was die Expansion angeht, nehmen wir alles, was gut und bezahlbar ist. Das kann auch ein Standort unter 400 qm sein. Wir modernisieren viel und schließen derzeit mehr altersschwache Märkte als wir Neueröffnungen haben. Gleichwohl werden wir einen größeren Flächenzuwachs haben als im vergangenen Jahr.

Wie hat sich der Umsatz 2017 bisher entwickelt?
Strack: Wir entwickeln uns auf einem guten Niveau, jedoch nicht ganz so stark wie im Vorjahr. Der bereinigte Konzernumsatz liegt bisher bei +2,7 Prozent.

Woran liegt das?
Koch: Uns gelingt hier im Norden eine Marktanteilssteigerung. Deshalb führen wir dieses leichte Innehalten, wie ich es einmal bezeichnen möchte, darauf zurück, dass der Markt insgesamt seine euphorische Hitze vielleicht etwas reduziert hat. Hinzu kommt, dass der Umsatz in den Sommermonaten in unserem Absatzgebiet trotz ausgebuchter Touristenorte nicht so stark angezogen hat, wie im ebenfalls vom Wetter her schlechten Sommer 2016.

Strack: Der Außer-Haus-Verzehr hat in den Touristenzentren wegen des schlechten Wetters zugenommen, dieser Umsatz geht an uns vorbei.

Wann starten Sie mit der Lunar-Einführung in den Märkten?
Koch: Wir beginnen mit den ersten Märkten um die Jahreswende – sowohl in der Regie als auch im SEH.

Bis wann wollen Sie alle Märkte umstellt haben?
Strack: Lunar bietet vielfältige Chancen, deshalb wollen wir das schnellstmöglich umsetzen. Mehr als 100 bis 120 Märkte pro Jahr werden wir aber nicht schaffen, sodass wir vor 2022 auf keinen Fall fertig sein werden.

Wie lautet Ihr Fazit zum zwischenzeitlich beendeten Naturschutz-Modellprojekt „Landwirtschaft für Artenvielfalt“?
Koch: Dringend weitermachen. Dafür gibt es den eigennützigen Grund, dass es für Edeka markenstützend ist. Vor allem gibt es aber tatsächlich Erfolge, um die Re-duzierung der Artenvielfalt im Bereich der Insekten, Amphibien und Vögel einzudämmen. Der Bruterfolg bei Braunkehlchen etwa wurde durch die Maßnahmen des Programms auf nahezu das Doppelte erhöht. Künftig soll der Grad der Extensivität bei der Nutzung der Böden noch gesteigert werden.

Wie geht es weiter mit dem Projekt?
Koch: Wir werten bis spätestens Ende des Jahres gemeinsam mit dem WWF, dem Biopark Mecklenburg-Vorpommern und dem Landwirtschaftsministerium MV das Pilotprojekt aus. Wir sind sicher, dass das ein dauerhaftes Projekt wird. Es wird auch innerhalb der Edeka-Gruppe eine größere Verbreitung finden. Wir haben seit September die Zusammenarbeit mit dem Biopark verstärkt und werden weitere Bioprodukte in unser Programm aufnehmen. Es gibt zudem neue Verpackungsgrößen und eine neue Aufmachung. Neu sind auch Mehle.

Strack: Viele dieser Produkte laufen dann unter unserer Eigenmarke „Unsere Heimat“.

Was tut sich sonst bei den Sortimenten?
Strack: Wir haben unser Fachberaterteam ausgebaut, um die Sortimente zu optimieren. Wir haben es zum Beispiel bei salzigen Snacks geschafft, trotz Verzicht auf den Marktführer Intersnack die Marktanteile zu steigern. Dort unterstützen wir sehr innovative Sortimente, u. a. Gemüsechips.

Greifen Sie für innovative Sortimente auch auf Food-Start-ups zurück?
Strack: Unbedingt, z. B. über die Edeka-Plattform Foodstarter. Wir sind offen für innovative Konzepte und auch bereit, Produkte von Start-ups einzulisten. Die Produktion und die Menge sind dabei für die Start-ups meist keine Hürden. Probleme auf dem Weg ins Regal gibt es derzeit bei der Logistik, der Warenwirtschaft und der Qualitätssicherung. Trotzdem: Die Industrie wird sich warm anziehen müssen angesichts dieser vielen kreativen Ansätze, weil gerade von den großen Herstellern zu wenig Innovatives kommt.