Brexit Vorsichtig optimistisch

Mehr als ein Jahr nach dem Brexit-Referendum ist auf britischer Seite keine klare Austrittsstrategie erkennbar. Dass die geschwächte Premierministerin nun auf pragmatische Kompromisse angewiesen sein dürfte, gibt aber Grund zu vorsichtigem Optimismus.

Donnerstag, 10. August 2017 - Management
Boris Planer
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Bildquelle: Planet Retail

Die britischen Unterhauswahlen am 8. Juni 2017 markierten für Großbritannien den vorläufigen Tiefpunkt eines politischen Prozesses, der nicht ansatzweise so verläuft, wie Premierministerin Theresa May es sich erhofft hatte.

In dieser Lage gilt es nun, potenzielle Brexitschäden zu vermeiden
Boris Planer

Sie selbst hatte die Wahlen angesetzt in einem Vorstoß, der das politische London komplett überrumpelt hatte. Aus einem Gefühl der Stärke heraus plante sie, die parlamentarische Mehrheit ihrer konservativen Partei weiter auszubauen. Die Absicht war wohl lobenswert, denn es dürfte ihr darum gegangen sein, die radikalen „Brexit-Hardliner“ in ihrer Partei während der erwartbar schwierigen Verhandlungen mit Brüssel isolieren und übergehen zu können.

Was in den Wochen zwischen der Ankündigung und dem Wahltag geschah, glich einem Absturz. Und es ist wichtig, die Entwicklung des politischen Prozesses zu verstehen, um die Folgen für die europäischen Handelsbeziehungen nach dem Brexit im März 2019 abschätzen zu können. Was war also passiert?

Die Turbulenzen tauchten quasi aus dem Nichts auf. Ein unerwarteter Vorschlag im konservativen Wahlprogramm über eine höhere Eigenbeteiligung an Pflegekosten löste das aus, was heute landläufig als „Shitstorm“ bezeichnet wird, und zwang May mittem im Wahlkampf zu eine Kehrtwende – gerade als sie dabei war, sich als „starke und stabile Führerin“ zu positionieren. Dann wurde sie von ihrer Vergangenheit als Sparkommissarin bei der Polizei eingeholt, just als das Land binnen Wochen von drei Terroranschlägen heimgesucht wurde.

Dann verweigerte sie sich kurz vor den Wahlen einer Fernsehdebatte. Gleichzeitig gewann ihr sozialdemokratischer Konkurrent Jeremy Corbyn bei jungen Wählern enorm an Popularität, und im Gegensatz zum Brexit-Referendum gingen die jungen Leute diesmal zur Abstimmung.

Als schließlich der Abend des 8. Juni kam, war klar: Theresa May hatte nicht nur gewaltige Stimmverluste erlitten, sondern auch ihre absolute Mehrheit verloren. Es folgte eine informelle Koalitionsvereinbarung mit der nordirischen Democratic Unionist Party (DUP), die Mays Pläne für einen harten Brexit nie wirklich unterstützt hatte und zudem im Ruf stand, homosexuellenfeindlich zu sein, was das Vertrauen in die Regierungschefin weiter untergrub. Da die DUP-Fraktion wohl zu klein ist, um den moderaten Flügel der neuen konservativen Fraktion auszubremsen, dürfte für die Premierministerin mittlefristig kein Weg um Gespräche mit den Sozialdemokraten herumführen.

Brexit-Verhandlungen ohne klare Richtung
Kurzum, die britische Regierung ging Ende Juni geschwächt und ohne einen klaren Kurs in die Austrittsverhandlungen mit Brüssel. Trotz dieser Ausgangslage bleiben ohne eine Übergangsvereinbarung realistischerweise nur 15 Monate, um die Verhandlungen abzuschießen – eine Mammutaufgabe.