Verpackung Der Markt liefert die Antworten

Im Jahr 2018 hat die EU das Verbot von Einwegplastik beschlossen, jetzt tritt es in Kraft. Es stellt einige etablierte Gewohnheiten auf den Kopf – öffnet aber auch neue Märkte.

Donnerstag, 15. Juli 2021 - Verpackung
Bernd Liening
Artikelbild Der Markt liefert die Antworten
Bildquelle: Recup

Ab Samstag, dem 3. Juli 2021, sind viele Einwegplastikprodukte in der EU verboten. Zwar darf der Handel seine Lagerbestände noch abverkaufen, aber dann ist Schluss mit Trinkhalmen, Rührstäbchen, Luftballonstäben, Einweg-Geschirr aus Plastik und To-go-Bechern aus Polystyrol. Das Verbot gilt auch für Einwegprodukte aus biobasierten oder biologisch abbaubaren Kunststoffen. Und ebenso für Einweggeschirr aus Pappe, das nur zu einem geringen Teil aus Kunststoff besteht oder mit Kunststoff überzogen ist.

Erlaubt bleiben weitere Wegwerfprodukte aus oder mit Kunststoff wie bei Feuchttüchern, Tampons und bestimmten anderen Hygieneartikeln. Alle müssen jetzt aber ein spezielles Kennzeichen tragen, das den Verbraucher vor Umweltschäden durch Plastik warnt und ihn über die richtige Entsorgung informiert. Sogar an Zigaretten mit kunststoffhaltigen Filtern wurde gedacht: Sie bleiben zwar erlaubt, müssen aber ebenfalls ab Juli 2021 entsprechend gekennzeichnet werden.

Auf einmal mehr Tempo
Die EU-Kommission hatte die Veröffentlichung der Labels bereits für Mitte 2020 angekündigt, um Herstellern und Händlern genügend Zeit für die Anpassung der internen Prozesse und den Aufdruck des neuen Labels zu geben. Tatsächlich aber musste erst der 10. März 2021 ins Land ziehen, bis das Werk gediehen war. „Nun ist Eile geboten“, kommentierte der Handelsverband Deutschland (HDE) den Brüsseler Schleichgang trocken. Denn eine Verschiebung des Startdatums soll es trotz der verspäteten Veröffentlichung nicht geben. Das Siegel zeigt eine tote Schildkröte – und soll so auf die tödliche Verschmutzung der Meere durch Plastikmüll hinweisen. Bei Verstößen gegen die Kennzeichnungspflicht drohen Bußgelder von bis zu 100.000 Euro.

Gegen die Wegwerfmentalität
Die Deutschen nutzen für Heißgetränke jährlich 2,8 Milliarden Einwegbecher, das entspricht 34 Stück pro Kopf. Diese Zahlen liefert eine Studie des Umweltbundesamtes (UBA). „Oft landen die Becher und Deckel nach kurzer Zeit in der Umwelt“, beschreibt das Amt die Problematik. 60 Prozent der Einwegbecher sind kunststoffbeschichtete Papierbecher, die restlichen 40 Prozent reine Kunststoffbecher. Zusätzlich fallen etwa 1,3 Milliarden Einweg-Kunststoffdeckel an. Alleine die kunststoffbeschichteten Pappbecher, klassische Coffee-to-go-Becher, füllen laut UBA pro Jahr acht Millionen Stadt-Mülleimer.

Dass es beim Kaffeetrinken unterwegs auch anders geht, zeigen die verschiedenen Becher-Pfandsysteme, die lange vor dem Verbot entwickelt wurden. Die 2016 gegründete Recup GmbH in München bietet mit den beiden deutschlandweiten Pfandsystemen Recup (To-go-Becher) und Rebowl (Take-away-Schalen) eine Alternative zu Einweg. Auch das Unternehmen Faircup entstand bereits 2016. Die Besonderheit bei den Faircup-Bechern ist, dass sie unter anderem auch in Leergutautomaten in beteiligten Supermärkten zurückgegeben werden können. 2019 gab es dafür das Umweltzeichen „Blauer Engel“, weil die Becher nur aus sortenreinem Kunststoff hergestellt werden, langlebig sind und eine Lebensdauer von mindestens 500 Spülzyklen aufweisen. Im Dezember 2020 hat Faircup auch eine Mehrweg-Pfandverpackung für Speisen gelauncht, die Fairbox. Die Behältnisse sind vollständig recyclingfähig und für die Rückgabe in Leergutautomaten geeignet. Mittlerweile hat Faircup deutschlandweit Partner wie Bäckereien, Tankshops, Cafés und LEH. Seit 2019 ist die Cupforcup GmbH aus Düsseldorf mit ihrem Pfandsystem „Good Cup“ für Coffee to go am Markt, ebenfalls bundesweit.

Systeme nähern sich an
Das Prinzip ist bei den Systemen weitgehend identisch. Der Verbraucher erhält bei einem der Systempartner einen Kaffee im Pfandbecher, nimmt diesen mit und tauscht ihn beim nächsten „Kaffeestopp“ gegen einen neuen Becher ein. Die Systempartner zahlen dafür eine Gebühr.

Dass große Tankstellenbetreiber wie Shell und Aral damit arbeiten, spricht für die Kundenakzeptanz. Shell hat eigenen Berechnungen zufolge mit dem Pfandsystem (Recup) im Jahr 2020 über zwei Millionen Einwegbecher an seinen deutschen Stationen eingespart.

Das Verbot von Einwegplastik betrifft den LEH nicht nur in seiner Gastronomie mit dem To-go-Geschäft, es zieht sich quer durch wichtige Sortimente, von Hygieneartikeln bis hin zum Partyzubehör. Für viele Kunststoffprodukte gibt es aber Alternativen, die zum Teil bereits in den Regalen stehen. Die Metro AG hat sich dieses Themas lange vor dem Verbot angenommen und dazu eine kleine Übersicht zusammengestellt. „Unsere Alternativen sind Monomaterialien, nachwachsende Rohstoffe und Mehrweg“, heißt es zu den umweltfreundlichen Angeboten beim Einweggeschirr. Nachwachsende Rohstoffe wie Holz, Pflanzenfasern, Zuckerrohr oder Maisstärke werden als Materialien für Einweggeschirr genutzt, ohne dass dies zulasten der Nahrungsmittelproduktion gehen muss. Verfügbar von verschiedenen Herstellern sind zum Beispiel unbeschichtete Pappteller, und -becher, die für den direkten Kontakt mit trockenen, feuchten und fettenden Lebensmitteln geeignet sind. Oder Teller, Menüboxen und Suppenschalen hergestellt aus Bagasse, den faserigen Resten, die beim Auspressen von Zuckerrohr anfallen.

Das EU-Verbot hat bereits internationale Hersteller auf den Plan gerufen. So hat das kalifornische Unternehmen Ecotensil zum Jahresanfang mit der Einführung seines kunststofffreien Pappbestecks als Alternative zu Plastik-Einwegbesteck in Europa begonnen. Die multifunktionalen Utensilien der neuen Sortimentsreihe „AquaDot“ sind kunststofffrei, recycel- und kompostierbar, langlebig und lassen sich sogar falten. Das Sortiment lässt sich sowohl als On-Pack-Lösung – hygienisch verpackt – an Feinkostsalaten, On-the-go-Snacks oder Desserts anbringen als auch in vorhandene Verpackungen (Becher, Einzelportions‧snacks) integrieren.

Zum Teil treibt der Handel aus Eigeninitiative die Entwicklung von Mehrweglösungen voran, die der Gesetzgeber – noch – gar nicht auf seinem Sanktionsradar hat. So verzichtet Penny seit September 2020 bei allen Joghurt-Eigenmarken im 500-Gramm-Becher auf den Plastikdeckel. Stattdessen gibt es Mehrwegdeckel im Doppelpack für 99 Cent. Die Deckel bestehen aus Platin-Silikon, das spülmaschinenfest, lebensmittelecht und weitaus länger haltbar ist als Plastik. Die Rewe Group teilt dazu mit, dass bis Ende 2030 „jede Verkaufs- und Serviceverpackung der Eigenmarkenprodukte einen umweltfreundlicheren Mehrwert bieten“ soll.