Bewusste Ernährung Klimaschutz auf dem Reisfeld

Reis zählt weltweit zu den Hauptnahrungsquellen, kommt jedoch ­
mit einem enormen ökologischen Fußabdruck. Davert investiert, um Emissionen und Risiken in den Lieferketten zu reduzieren.

Dienstag, 28. Mai 2024 - Strategie
Bettina Röttig
Artikelbild Klimaschutz auf dem Reisfeld
Bildquelle: Davert

Reis ist ür rund vier Milliarden Menschen weltweit ein Grundnahrungsmittel. Zugleich leben laut International Rice Research Institute (IRRI) rund 144 Millionen Kleinbauern vom Reisanbau. Der fortschreitende Klimawandel bedroht jedoch die Ernten, mit Folgen für die Ernährungssicherheit und Lebensgrundlage der Bauern. Dabei trägt der Sektor selbst zu der Entwicklung bei. 10 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen aus der Landwirtschaft gehen laut IRRI auf das Konto des Reisanbaus. Dafür verantwortlich ist vor allem das Treibhausgas Methan, das 25-mal schädlicher ist als CO2 und im Nassanbau durch natürliche Fäulnisbakterien in der Schlammschicht der Reisfelder entsteht. Zudem stecken 40 Prozent des Bewässerungsverbrauchs und 13 Prozent der globalen Düngemittel im Anbau der auch hierzulande beliebten Beilage, weiß Madeleine Kröger, Nachhaltigkeitsbeauftragte beim Bio-Pionier Davert (Midsona).

Je größer das Problem, desto größer ist manchmal auch der Hebel für Verbesserungen. „Vom nachhaltigen Reisanbau und -konsum geht enormes Potenzial für eine nachhaltige Entwicklung aus“, betont Kröger. Im Rahmen einer Patenschaft für das Reisprojekt Kotwa unterstützt Davert zusammen mit Partnern eine ökologisch orientierte und sozial gerechte Entwicklungs- und Transformationspartnerschaft. Dabei liegt der Fokus auch auf der klimafreundlichen Weiterentwicklung des Reisanbaus. „Wir haben uns im Rahmen der Science Based Targets Initiative sehr ambitionierte Ziele gesetzt und unterstützen unsere Lieferanten dabei, klimafreundlicher zu wirtschaften“, so Kröger.

Aus dem Demeter- und Fairtrade-zer­ti­fi­zier­ten Projekt im Nordosten Indiens bezieht Davert Langkorn- und Basmati-Reis sowie halbe rote Linsen. Mehr als 400 Familien aus fünf Dörfern in der Region Uttar Pradesh am Fuße des Himalajas bauen Reis an. „Vorgesehen war unser heutiges Projekt als reine Abnahmepartnerschaft, doch in den ersten Gesprächen hat sich schnell gezeigt, dass gemeinsam mit unserem Lieferanten und einer engagierten NGO viel mehr möglich ist und wir gemeinsam das Projekt größer aufziehen und mehr erreichen können“, so Kröger.

Umstellung der Anbaumethode
Die Verbesserungen machen Mut. Der Wirkungsgrad wurde von Trainees als Teil des durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit geförderten ASA Preneur Programm erhoben. Im Vergleich zum konventionellen Reisanbau in Indien verursacht der Anbau im Projekt Kotwa demnach rund 20 Prozent weniger CO2-Emissionen pro Hektar. Im Vergleich zu klassischen Öko-Farmen wurden rund 5 Prozent weniger CO2-Emissionen pro Hektar und 11 Prozent weniger Treibhausgasemissionen pro Kilogramm Reis gemessen – ein wichtiger Fortschritt. Zugleich konnten 33 Prozent Wasser für die Bewässerung eingespart werden. Und das bei einem um 5 Prozent gestie­genen Ertrag pro Hektar und 45 Prozent Wertsteigerung pro Kilogramm Paddy (Rohreis), erzählt Madeleine Kröger. Sie besucht das Projekt regelmäßig und steht mit ihren Kollegen im ständigen Austausch mit den Akteuren vor Ort.

Zentrale Maßnahmen, die zum Erfolg führten, waren die Umstellung auf eine Kombination aus Demeter- und SRI-Anbau sowie der Aufbau einer zentralen Versuchs- und Trainingsfarm als Hilfs- und Inspirationspunkt, erklärt sie. Die Abkürzung SRI steht für System of Rice Inten­sification (System der Reisintensivierung). Bei dieser Methode werden jüngere Setzlinge in größeren Abständen gepflanzt, um ein kräftigeres Wurzelwerk zu erzielen. Die Felder werden nicht geflutet, der Methan-Ausstoß dadurch reduziert. Der Demeter-Anbau fördere die Artenvielfalt und trage zur Revitalisierung der Böden bei. Lokal präparierter Dung und Kompost helfe den Bauern, Geld zu sparen und gute Resultate zu erzielen.

Auch für die Menschen am Anfang der Lieferkette soll das Projekt Verbesserungen ansto­ßen. „Die größte Herausforderung war, dass wir in einem ganzen System denken müssen, also mit 400 Farmern und deren Familien und Dorfgemeinschaften sowie Wanderarbeitern.“ In der Region sei es klassisch, sich landwirtschaftliche Arbeitskraft aus der Gemeinschaft oder von Wanderarbeitern zu organisieren.

Zu den finanziellen Verbesserungen trägt bei, dass das Saatgut subventioniert wird und die Produzenten Demeter- und Fairtrade-Prämien erhalten. Nach eigenen Auswertungen sollten die Farmer über das Projekt existenzsichernde Einkommen beziehen, dies will Davert künftig einmal verifizieren lassen.

„In Indien ist das Thema Hunger weniger ein Problem als die Themen Gesundheitsversorgung und Bildung“, sagt Kröger. Hierzu habe man bereits viel erreicht. So werde mittlerweile mit Biogas gekocht und nicht mehr über offenem Feuer in geschlossenen Räumen. 100 Prozent der Frauen haben nun Zugang zu Menstruationshygieneprodukten. Die Verfügbarkeit von sicherem Trinkwasser wurde durch die Ausgabe von Filtern erreicht. Auch der Zugang zu sanitären Einrichtungen wurde verbessert und durch die Prämienzahlungen wurden zwei Schulen finanziert und 54 solarbetriebene Straßenlichter im Dorf installiert.

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Prozent der ­weltweiten CO2-Emissionen aus der Landwirtschaft kommen aus dem ­Reisanbau.
Quelle: IRRI

50

Prozent der Weltbevölkerung sind auf Reis als Hauptnahrungsquelle ­angewiesen.
Quelle: IRRI

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Prozent weniger Treibhausgasemissionen pro Hektar erzielte das Projekt Kotwa im Vergleich zum konventionellen Reisanbau in Indien.
Quelle: Midsona

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Prozent weniger CO2-Emissionen pro Kilogramm Reis werden mit der Kombination aus Demeter- und 
SRI-Anbau im 
Vergleich zu klassischem Bio-Reis aus der Region
 erreicht.
Quelle: Midsona

Lieferketten absichern
Projekte wie dieses helfen dem Unternehmen Midsona dabei, die Risiken und Treibhausgasemissionen entlang der Lieferkette zu reduzieren. Die Marke Davert gehöre zu den wichtigsten Herstellermarken für Bio-Reis in Deutschland und bedingt durch das komplementierende Handelsgeschäft von Midsona habe das Unternehmen einen großen Anteil am europäischen Reisimportgeschäft – entsprechend bedeutend sei es, die Lieferketten abzusichern. Zudem gilt es, neuen Regulierungen nachzukommen. „Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz beschäftigt uns. Hierfür sind wir aber sehr gut aufgestellt.“ 62 Prozent der Rohwaren bezieht die Midsona direkt im Ursprung. „Wir haben in unserer Strategie verankert, dass Fairtrade-, Demeter- und Naturland-zertifizierte Rohwaren bevorzugt werden. Wir fördern auf individueller Basis die Umstellung von Farmen, übernehmen die Zertifizierungsgebühren und geben durch langfristige Partnerschaften Sicherheiten“, sagt sie.

Seit 2023 hat der Bio-Produzent begonnen, eine Lieferkette für Bio-Erdnüsse im südafrikanischen Malawi aufzubauen. „Wir haben angefangen, inspiriert durch das Projekt Kotwa, eine Organic Farmer Field School in Malawi aufzubauen und versuchen, eine ganzheitlich nachhaltige Lieferkette über Agroforstwirtschaftliche Prinzipien über Community Building aufzubauen. Dies wird die erste Bio-Lie­fer­kette in Malawi sein“, berichtet Kröger. In drei Jahren wisse man erst, ob das Projekt erfolgreich sei und die Zertifizierung erfolgreich abgeschlossen werden kann. Bei all den Unsicherheiten in der Region sei das Risiko groß. „Ich kann nicht ausschließen, dass das Projekt fehlschla­gen wird. Aber wir versuchen alles. Und aus Fehlern lernt man auch.“
Und Lernen ist das Ziel. Über Wissenstrans­fer will sie die Erkenntnisse und Errungenschaften aus Projekten wie dem in Kotwa auf andere Anbaugebiete übertragen und noch mehr Impact erzielen. Dennoch sei klar, dass es nicht die eine Lösung für alle Produzenten und Ursprün­ge geben wird. In diesem Jahr stehe der Besuch des Reisanbaus in Italien auf dem Plan. „In Italien auf den arbeitsintensiven Trockenreisanbau umzustellen, wird vermutlich viel schwieriger, denn dort gibt es mutmaßlich tendenziell zu wenig verfügbare Arbeitskraft“, so Kröger.

Kommunikation zum Kunden
Noch mehr Transparenz entlang der Lieferketten sieht das Unternehmen auch für Kunden der Marke Davert künftig als essenziell. „Die größte Herausforderung ist der Markt. Reis ist ein Basisprodukt. Konsumenten verstehen nicht unbedingt, warum sie bio- und Fairtrade-zertifizierten Reis kaufen sollten, der mehr kostet.“ Bei weniger verfügbarem Haushaltseinkommen sei es umso wichtiger, über die sozial-ökologischen Aspekte und das Engagement der Marke Davert zu sprechen.

Mit der Initiative „Exploring the Origin“ sollen Verbraucher künftig auf eine interaktive Produktreise mitgenommen werden und die Lieferketten verständlich und transparent vom Ursprung bis in die Produktion in Deutschland dargestellt werden – inklusive Herausfor­derun­gen. Das Kommunikationsprojekt soll mit dem Davert-Nussmus-Sortiment starten. Projektpartner und Dienstleister für das Tracking der Rohwaren ist Seedtrace, eine End-to-End-Plattform für Transparenz und Rückverfolgbarkeit in der Lieferkette. Ab September 2024 finden Konsumenten einen QR-Code, der zur digitalen Plattform führt, auf den Verpackungen der Nussmuse.

Weitere Produkte sollen sukzessive folgen. „Wir sind überzeugt, dass es für eine nachhaltige Entwicklung eine Verbindung zwischen Verbrauchern und Produzenten braucht, die wir über diese Initiative schaffen“, erklärt Kröger.