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Die Schweiz ist ein Land der Superlative: Mit der Dufourspitze können die Eidgenossen den höchsten Berg im deutschsprachigen Raum ihr eigen nennen. Nestlé ist nicht nur in Europa, sondern weltweit der mit Abstand größte Nahrungsmittelkonzern, und Georg Schneuwly demütigte zuletzt seine Gegner in einer ganz besonderen Disziplin: Der Schweizer gewann die deutsche Meisterschaft im Kartoffelausbuddeln (insgesamt 18,35 kg in 1 Minute). Aber nicht nur hohe Berge und flinke Hände scheinen unsere Nachbarn auszuzeichnen: Auch die Schweizer Innovationsfreude scheint kaum Grenzen zu kennen. Es gibt schließlich nicht viele Länder dieser Größe, wo einem auf Anhieb so viele erfolgreiche Marken in den Sinn kommen: Ricola, Toblerone, Appenzeller, Mövenpick, Camille Bloch, um nur einige prominente Beispiele aus der Nahrungsmittel-Branche zu nennen. Hinzu kommt, dass Produkte aus der Alpenrepublik ihr Premium-Image nicht nur über die Werbung pflegen, sondern die Versprechen auch in unabhängigen Tests beweisen können: Zuletzt attestierte beispielsweise die Stiftung Warentest den Erdbeer-Joghurts von Emmi und Mövenpick eine im Vergleich zum Wettbewerb bessere Qualität und intensiveren Geschmack. Aber was spielt sich genau im Kopf der Konsumenten ab, wenn sie an die Herkunft Schweiz denken? Was assoziieren die deutschen Verbraucher mit der „Swissness“?
Unternehmen aus der Schweiz:
- Narimpex
- Creative New Food
- Chocolats Camille Bloch
- Düring
- Hochdorf
- Switzerland Cheese Marketing
- Appenzeller
- Bell
- Dumet
- Eisberg
- Siu
- Meinen
- Micarna
„Ich denke an Werte wie Natürlichkeit, Eigenständigkeit, Verlässlichkeit, Qualität und Innovationskraft“, sagt Mövenpick -CEO Guido Egli über das Image von Schweizer Produkten in Deutschland. Eine internationale Studie (Swissness Worldwide – Universität St. Gallen et al., 2008) ergab, dass Werte wie Stabilität, Präzision, Exklusivität sowie unberührte Natur gut zur Schweiz passen. „Made in Switzerland“ ist also, und das belegt auch das alljährliche Interesse an unserem Länderreport, mehr als nur eine platte Werbeaussage.
Der „goldene Franken“ setzt Industrie unter Druck
Allerdings könnte die Stimmung in der Alpenrepublik derzeit besser sein. Insbesondere die Exportindustrie steht aufgrund der massiven Aufwertung des Schweizer Frankens unter starken Preisdruck. So wird den Schweizern derzeit zum Verhängnis, was sie ironischerweise selbst für sich immer abgelehnt haben: die Eurozone mit dem Euro als einheitliche Währung. Die hohe Staatsverschuldung vor allem südlicher Länder hat dazu geführt, dass Akteure auf den internationalen Finanzmärkten den Schweizer Franken, neben Gold, als sichere Anlage gewählt haben. Die Folgen: „Der Euro hat in den letzten Monaten gegenüber dem Schweizer Franken massiv an Wert verloren. Anfang 2010 erhielten wir für 1 Euro noch rund CHF 1,50. Heute bekommen wir für 1 Euro nur noch rund CHF 1,20. Dies entspricht einem Rückgang bedingt durch Wechselkursschwankungen von 20 Prozent“, sagt Axel Kuhn, Leiter des Auslandsgeschäfts bei Rivella. Preiserhöhungen seien nicht ausgeschlossen. Und auch Andreas Müller-Henze, Geschäftsführer von Switzerland Cheese Marketing, sagt: „Leider führt der steigende Franken zu drastischen Preiserhöhungen. Bis heute, Stand August, haben sich die Preise um durchschnittlich 2 Euro pro kg beim LVP erhöht.“ Besonders kritisch sei diese Entwicklung im Bezug auf den Emmentaler AOC. Rund 70 Prozent der Produktionsmenge aus dem Emmental werden im Ausland abgesetzt. Diese Sorte ist nicht nur als „typisch Schweizer Käse“ bekannt, sondern muss sich auch gegen viele Kopien behaupten: „Hier bewegt sich die Preisschere zu seinen gleichnamigen Marktbegleitern immer weiter auseinander. Die Gefahr, dass Konsumenten immer öfter auf die preiswerteren Namensvetter aus anderen europäischen Ländern ausweichen, ist gegeben.“
Auch die Emmi AG, der größter Milchverarbeiter in der Schweiz und im hiesigen Lebensmittel-Einzelhandel vor allem bekannt durch Markenkonzepte wie Emmi Caffè Latte oder Kaltbach, bekam die Auswirkung zu spüren. So mussten zuletzt beim Gewinn zweistellige Verluste hingenommen werden. Das es nicht schlimmer kam verdanke Emmi laut CEO Urs Riedener neuen Produkten und den Akquisitionen wie Fromalp und Onken.
Alain Farine, Geschäftsführer der Schweizerischen Vereinigung der AOC-IGP, weist auch auf die Auswirkungen für den Binnenmarkt hin: „Allgemein leiden alle Schweizer Produkte auch auf dem Binnenmarkt wegen des Einkaufstourismus’ der Schweizer Konsumenten in die Nachbarländer sowie durch den Konkurrenzdruck günstigerer Importprodukte.“
Was für die Detailhändler in Grenznähe zu einem echten Problem werden könnte, führt zu einem Umsatzschub in deutschen Lebensmittelmärkten. Horst Lenk, Präsident des Handelsverbandes Baden-Württemberg, spricht gar von einer „Sonderkonjunktur“: Wegen des starken Frankens und damit wesentlich günstigeren Preisen für die Schweizer in Baden-Württemberg kauften diese verstärkt im Ländle ein.
Schutzschilder AOC und IGP
In solchen Situationen dient der Herkunftsschutz für Schweizer Spezialitäten (AOC – „Appellation d’Origine Contrôlée“ und IGP – „Indication géographique protégée“) als Schutzschild. Diese Produkte – hauptsächlich Käse- und Fleischspezialitäten, aber auch Brot, Gemüse, Früchte und Frucht-Schnäpse – werden nach althergebrachtem Rezept und dem traditionellen Handwerk der Bäckermeister, der Käser und der Metzger hergestellt und strahlen über die AOC/IGP-Siegel eine gewisse Exklusivität aus. „Im Vergleich zu austauschbaren Produkten fallen bei den meisten AOC- und IGP-Produkten die Verluste weniger hoch aus“, sagt Farine.
Ein Projekt, das der Schweizer daher sehr begrüßt, ist die gegenseitige Anerkennung für die AOC-IGP-Produkte zwischen seinem Land und der EU. „Für unsere Produkte ist das Abkommen aktuell, da es vom EU-Parlament gerade genehmigt wurde“, sagt Farine (konkret am 14. September 2011, Anmerkung der Redaktion). Dies sei für die weitere Entwicklung des Handels mit diesen Schweizer Spezialitäten ein wichtiger Schritt.
Mit der Ratifizierung des Abkommens werden die Schweizer AOC und IGP im ganzen EU-Raum über den gleichen Schutz wie entsprechende Produkte aus der EU verfügen, und umgekehrt. Damit darf zukünftig in der Schweiz kein „Parmesan“ oder „Feta“ mehr hergestellt werden und die Schweizer werden geschützt vor Plagiaten aus dem Ausland. Diskussion gibt es noch beim Emmentaler AOC: Laut der Schweizerischen Vereinigung der Förderung der AOC-IGP wird in der EU, verteilt über mehrere Länder, mehr als das Zehnfache der Schweizer Produktion dieses Käses hergestellt. Somit stehen die wirtschaftlichen Interessen der EU gegen eine Lösung im Sinne der Eidgenossen.
Schweizer Käse soll Verkaufsschlager bleiben
Dennoch: Die Originale sind nach wie vor beliebt. 2010 wurde laut Müller-Henze so viel Schweizer Käse nach Deutschland verkauft wie noch nie. Und das soll auch so bleiben. In der derzeitige Währungskrise sieht Müller-Henze die Bedeutung der Arbeit von Switzerland Cheese Marketing sogar noch steigen: „Die Aufgabe der SCM ist es, die Nachfrage für Schweizer Käse und deren einzelne Sorten zu fördern. Unsere Maßnahmen braucht es mehr denn je, um die Währungsauswirkungen etwas abzufedern. Wir sind guter Dinge, dass es uns gelingt, weil sowohl der Bund, also der Staat Schweiz, als auch die Produzenten und der Schweizer Handel hinter dem Vermarktungssystem stehen.“
So sind für das gesamtes Sortiment und auch für die einzelnen Sorten wieder Promotions platziert, die die Aufmerksamkeit des Konsumenten auf Appenzeller, Emmentaler und Co. lenken und damit den Abverkauf von Schweizer Käse unterstützen sollen.
{tab=Gewusst?}
Die Schweizer stellen mit 7,6 Mio. Einwohnern nur 0,9 Prozent der Bevölkerung Westeuropas. Mit knapp 70 Mrd. Euro ist der Anteil am Konsumgütermarkt aber mehr als doppelt so hoch ( 2,5 Prozent)
Nach Schweden war die Schweiz das Land mit den stärksten Zuwächsen bei den Einzelhandelsumsätzen zwischen 2006 und 2009 (durchschnittlich 3,3 Prozent)
In keinem Land in Europa ist der Umsatzanteil von Eigenmarken so hoch wie in der Schweiz, nämlich 46,2 Prozent.
Die erste Marlboro-Zigarette außerhalb der USA wurde 1957 in der Schweiz produziert.