Rischart Café München Unterbewusstes bringt Umsatz

Erkenntnisse aus dem Neuromarketing kommen bei der Planung neuer Märkte zum Einsatz. Dass die Wissenschaft funktioniert, zeigen zwei Standorte von Rischart in München. Ein Ortsbesuch.

Montag, 10. Oktober 2022 - Ladenreportagen
Heidrun Mittler
Artikelbild Unterbewusstes bringt Umsatz
Berufstätige nehmen meist im vorderen Bereich Platz.
Bildquelle: Reinhard Rosendahl

Wer erfolgreiche Märkte planen möchte, muss detailverliebt sein. Oder noch besser: detailversessen. So wie Felix Muxel. Der Vorstand der Unternehmensberatung „Gruppe Nymphenburg“ arbeitet seit Jahrzehnten daran, wie man den Kunden besser verstehen kann. Dabei geht es unter anderem um die unterbewussten Motive und Verhaltensweisen des Kunden. Muxel und seine Mitstreiter haben das unter dem Oberbegriff „Limbic“ zusammengefasst.

Die wissenschaftlichen Erkenntnisse nutzt Muxel, um neue Standorte im Handel exakt und präzise zu planen. Denn, so betont er: „Ein Format für alles (‚one fits all‘) – das funktioniert nicht.“

Ein Münchener Urgestein
Dass die Umsetzung aus der Limbic-Lehre funktioniert, zeigt ein Ortsbesuch in München. In der bayerischen Metropole betreibt das Familienunternehmen Rischart 17 Bäckereien und Cafés, der Slogan heißt: „Rischart ist, wo München ist.“

Der jüngste Standort befindet sich am Rotkreuzplatz im Stadtteil Neuhausen. Wie Verkaufsleiterin Nadja Heckl erklärt, hat ein alteingesessener Konditor, der für die gute Qualität seiner Backwaren bekannt war, das Geschäft aufgegeben und den Rischarts angeboten. Um zu ermitteln, wie man die Kaufkraft der Kunden optimal abschöpfen kann, haben die Bäcker die Gruppe Nymphenburg zurate gezogen. Die Unternehmensberater haben unter die Lupe genommen, wer in der Gegend wohnt, wie viel verdient, ob die Haushalte Kinder haben und vieles mehr. Aber auch: Wer kommt hier zu welcher Uhrzeit vorbei? Schließlich laufen hier zwei U-Bahn-Linien im Untergrund.

Es zeigte sich: Der Standort am Rotkreuzplatz ist von morgens bis abends stark frequentiert, von den unterschiedlichsten Menschen.

In das Bäckereicafé kommen diejenigen, die schon beim Vorgänger gekauft haben („Traditionalisten“), die Wert auf Beständigkeit und Gemütlichkeit legen. Aber ebenso Berufstätige, die nur schnell frühstücken möchten („Performer“), und junge Mütter und Väter mit ihren Kindern („Offene“), die auch ein veganes und vegetarisches Angebot schätzen. Außerdem eilige Kunden und Touristen, die ein Angebot zum Mitnehmen suchen. „Unser Ziel war es, alle Kundengruppen zu erreichen“, sagt Heckl, „das ist gut gelungen.“

Das Sortiment wechselt mehrmals im Tagesverlauf, es reicht von belegten Brötchen über Brote bis zu kleinen Torten, vom Frühstück über den Nachmittagskaffee bis zum veganen Sandwich für den Abend.

Beim Ladenbau musste man sich an die Gegebenheiten anpassen und mit einem nüchternen Nachkriegsbau zurechtkommen. Rischart hat die gesamte Fläche aufgehellt und gut beleuchtet. Muxel: „Kein Mensch will im Dunkeln sitzen.“ Die alteingesessenen Neuhausener essen ihr Stückchen Kuchen bevorzugt im hinteren Teil, der durch die Verwendung von Holz und bayerischen Rauten gemütlich wirkt. Hier hängt auch ein Bild, das auf die Konstanz des Hauses Rischart hinweist, das Münchener Unternehmen wurde schon 1883 gegründet. Muxel weist auf einen wichtigen Punkt hin: Die Verbraucher müssen immer nach draußen schauen können, „man braucht immer einen optischen Fluchtpunkt“. Hinausschauen gelingt auf der gesamten Fläche, selbst von der Rückwand des Cafés aus.

Berufstätige nehmen eher vorn im Stehcafé Platz, direkt beim Eingang, sie sind kaum länger als 20 Minuten vor Ort. Hier dominieren kräftige Farben, die Sitzmöbel haben zwei unterschiedliche Höhen, einmal zum Sitzen, einmal zum Stehen.

Den Umbau bewertet Verkaufsleiterin Heckl als „sehr gelungen“. Wichtig sei es, dass man die Gäste nach hinten ins Sitzcafé leiten kann. Vor dem Umbau mussten die Kunden quasi durch einen dunklen Schlauch, das schreckte viele ab.

Rischart nutzt aktuell nur eine Etage (im zweiten Stock sind nur die Toiletten), die Übersichtlichkeit gibt dem Besucher ein gutes Gefühl. Café und Verkaufsraum werden von leiser Musik untermalt. Das alles sind Faktoren, die dem Gast unterbewusst ein wohliges Gefühl bereiten. Nur wenn er sich entspannt, lässt er Geld im Geschäft und kommt in Folge immer wieder.

Hohe Investitionen, hoher Umsatz
Wie die Einteilung in Gruppen nach der Limbic-Clusterung in der Praxis funktioniert? Erstaunlich gut, „die Gruppen trennen sich im Geschäft wie die Spreu vom Weizen“, antwortet die Verkaufsleiterin.
Zwar gibt das Unternehmen keine konkreten Zahlen bekannt. Aber die Investitionen in den Standort waren „höher als geplant“. Allerdings ist auch der Umsatz doppelt so hoch wie erwartet, freut sich Heckl. Und die Gruppe Nymphenburg wird auch bei weiteren Umbauten und Neuplanungen beauftragt.

Ab in die U-Bahn und zum nächsten Standort: Der Ostbahnhof ist ein Hochfrequenz-Standort, hier spülen die S-Bahnen im Minutentakt Tausende von Reisenden ins Untergeschoss. Die Entscheidung, ob eine Person hier etwa kaufen möchte oder nicht, fällt laut Muxel in weniger als einer Sekunde. Deshalb ist es wichtig, dass er in der Laufzone des Bahnhofs möglichst viel von der leckeren Ware sieht und Appetit bekommt. Aus diesem Grund ist die Theke elliptisch geformt, so sieht man die Ware aus allen Richtungen.

Warum die Theke weiß ist? „Das signalisiert Sauberkeit und Hygiene“, erklärt Muxel, und Heckl pflichtet ihm bei: Gerade in der unangenehmen, dunklen und hektischen Atmosphäre des Bahnhofs braucht der Kunde den Eindruck von Helligkeit und Sauberkeit.

Bei der Bedienung zählt Schnelligkeit, der Kunde kann sich an sechs Stationen mit eigener Kasse anstellen. Ungewöhnlich: Die Ware liegt auf schwarzen Tabletts, damit sie besonders gut zur Geltung kommt. Jeder Standort ist eben einzigartig. Oder, wie Muxel sagt: Retail is detail!

Schnell gelesen

Rischart Café, Rotkreuzplatz 2, 80634 München

  • Bäckerei und Café mit Selbstbedienung
  • Nach Übernahme des Standorts konnte Rischart viele bisherige Käufer halten und neue Kundengruppen gewinnen.

Rischart Ostbahnhof, 81667 München

  • Extrem hoch frequentierter Standort
  • Weiße Theke im hellen Licht, ein Kontrast zur ungemütlich-dunklen Umgebung im Untergeschoß

Fakten im Focus

Standort Rotkreuzplatz:

  • 140 qm Verkaufsfläche
  • 10 Mitarbeiter
  • 100 Artikel
  • montags bis sonntags 7 bis 19.30 Uhr

Standort Ostbahnhof:

  • 80 qm Verkaufsfläche
  • 14 Mitarbeiter
  • 100 Artikel
  • montags bis sonntags 6 bis 20.30 Uhr

Bilder zum Artikel

Bild öffnen Rischart am Rotkreuzplatz: Die Theke ist geschwungen, das Licht darunter vermittelt Vertrauen. Hier stellt sich der Kunde gern an.
Bild öffnen Berufstätige nehmen meist im vorderen Bereich Platz.
Bild öffnen Der verbindende Gang ist hell ausgeleuchtet und mit trendigen Sitzmöbeln ausgestattet – das „zieht“ Kunde nach hinten.
Bild öffnen Im hinteren Café sitzen traditionsbewusste, meist ältere Kunden etwas niedriger.
Bild öffnen Symbolisiert Vertrauen: das blaue Rischart-Logo. Die Theke wird mit Ware dekoriert.
Bild öffnen Sichtbarkeit und Transparenz: Einblick in den Vorbereitungsraum.
Bild öffnen Verwöhnprogramm für Bürokunden: Torten und -stücke.
Bild öffnen Ostbahnhof: Der eilige Kunde muss aus der Laufzone in den Thekenbereich (helle Fliesen) treten.
Bild öffnen Grüne Lampen signalisieren: Hier kann man sich anstellen!
Bild öffnen Licht zieht Menschen an, im dunklen Bahnhof laufen sie (unbewusst).
Bild öffnen Stark in der Konzeption: Nadja Heckl, Verkaufsleiterin von Rischart, und Felix Muxel, Vorstand Gruppe Nymphenburg.

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