Rewe Green Farming Barsch und Basilikum

In Wiesbaden-Erbenheim steht das aktuell ambitionierteste Ladenbauprojekt der Rewe: Green Farming – die Verbindung von Produktion und Verkauf. Ans Laufen muss das Stefan Zizek bringen.

Freitag, 24. September 2021 - Ladenreportagen
Reiner Mihr
Artikelbild Barsch und Basilikum
Green Farming: die grüne Zukunftsvision der Rewe.
Bildquelle: Peter Eilers

Profifußballer – das wäre es gewesen. Regionalliga beim FSV und bei den Eintracht-Amateuren in Frankfurt ist es immerhin geworden. Die Zähigkeit, der Ehrgeiz, die Beharrlichkeit müssen irgendwo daher kommen. Das jedenfalls hat Stefan Zizek zu einem der bekannteren und erfolgreicheren Marktleiter im Rewe-Team gemacht. Immerhin zweimal hat er den „Supermarkt des Jahres“ geholt.

Er war früher einer, der nach dem Training noch ein paar Runden für bessere Kondition gedreht und Eisen im Kraftraum gestemmt hat. Heute ist er dafür unermüdlich im und um den Rewe-Markt unterwegs. Leistungssport fordert seinen Tribut, und auch bei Zizek waren die normalen Blessuren, Verletzungen irgendwann zu viel, die Eltern sperrten sich, der Junge sollte „etwas Anständiges lernen“. Zizek landete bei HL, einem vor 26 Jahren populären Vertriebsformat der Rewe, und machte – rank und schlank, mit Haaren bis zur Schulter – seine Ausbildung. Dort traf er auf Volker Strubel, dem Zizek heute noch dankbar ist und den er als seinen Mentor bezeichnet. Die Haare kamen ab, und Zizek ging seinen Weg. Erst in Rüsselsheim, dann in der Berger Straße in Frankfurt und auch im Depot Bornheim. „Geknüppelt“ habe er. „Aber so ging’s los“, lacht Zizek. Vorletzte Station war dann Egelsbach. Mit Strubel hat er heute noch Kontakt, nimmt seinen Rat gerne an. Und hat im Sommer 2021 den wahrscheinlich bisher größten Schritt seiner Laufbahn gemacht: Er leitet den neuen, spektakulären Rewe-Green-Farming-Supermarkt in Wiesbaden-Erbenheim. Eine anspruchsvolle Aufgabe, die nicht immer Zeit für die „alte Liebe“ Eintracht Frankfurt lässt. Er leitet einen Markt, den die Rewe als „Supermarkt der Zukunft“ betitelt und bei dem sie auch sonst nicht mit Superlativen spart: Das Konzept des Supermarktes würde „revolutioniert“, das sei die grüne Zukunftsvision der Rewe.

Da ist was dran. Denn der Markt verkauft nicht nur Lebensmittel in schönem Ambiente. Er produziert auch selbst welche. Das ist zunächst mal Basilikum, das auf dem Dach des Marktes in Gewächshäusern wächst. Zizek platzt vor Stolz: „Das Ganze ist Hightech: Mit moderner Technik werden die Pflanzen mit allem versorgt, was sie brauchen: richtiges Licht, Lichteinfall und Temperatur, Tröpfchenbewässerung auf den Punkt.“ 20 Tage dauert es, bis eine Pflanze in den Verkaufsraum kommt – kürzer als über den eigenen Aufzug kann der Transportweg kaum sein. Da aber mehr wächst, als ein Markt alleine verkaufen kann – rund 18.000 Töpfe pro Woche –, werden die Rewe-Märkte der Region (rund 480) mit frischen Basilikum, plastikfrei verpackt, beliefert.

Wenn man Zizek so durch das Gewächshaus gehen sieht – warum lässt er da nicht Salat, Tomaten, Gurken wachsen? Kommt sicher noch. Damit nicht genug: Ebenfalls auf dem Dach des Marktes in Erbenheim wachsen Fische. Buntbarsche, um genau zu sein. In 13 Bassins auf rund 230 Quadratmetern sollen pro Jahr 20.000 Fische gezüchtet werden, pro Monat eine Tonne Frischfisch. Richtig sinnvoll wird dies durch die Einbindung in die Basilikumproduktion. Die Ausscheidungen der Fische düngen das Kraut, welches wiederum das Wasser reinigt, das wieder in die Fischbecken zurückfließt. Aquaponik heißt das Ganze. Noch sind die Barsche recht klein, aber die ersten werden wohl Anfang des nächsten Jahres in die Vermarktung gehen – ebenfalls nicht nur in Erbenheim.

Könnte man diesen Produktionskreislauf schon als nachhaltiges Vorzeigeprojekt bezeichnen, punktet der Markt noch weiter: Vorherrschendes Baumaterial ist Holz, 1.100 Kubikmeter verbaut, sichtbar vor allem durch die auffallenden Holzstützen. Das Holz speichert immerhin rund 700 Tonnen CO2 und ist in etwa 30 Jahren in der Natur nachgewachsen.

Ost- und Westflanke des Marktes sind vollständig verglast – mit dem Atrium wird der Markt fast komplett mit Tageslicht versorgt. Kunstlicht – hier LED-Leuchtmittel – wird kaum gebraucht. Da wirkt die Verwendung von Grünstrom schon fast so selbstverständlich wie die Ladestationen für E-Bikes und Elektroautos.

Im Außenbereich sind alle nicht versiegelten Flächen begrünt, Raum für Insekten, Regenwasser kann versickern. Die Parkplätze sind im Halbkreis angeordnet, das verringert die versiegelten Flächen deutlich. „Dieses Parkplatzlayout hat genauso viele Stellplätze wie ein herkömmlicher Parkplatz“, betont Zizek.

Reicht das eigentlich für einen erfolgreichen Supermarkt? „Nee“, sagt Zizek, „der Markt muss ja erst mal verkaufen.“ Da reichen Basilikum und Barsch nicht aus. Und damit beginnt die eigentliche Aufgabe des Marktleiters. Natürlich schärft das Thema Nachhaltigkeit das Profil. Aber mindestens genauso wichtig ist ein Sortiment, das aktuell und dem Standort angepasst ist. Regional oder gar lokal muss es sein: Kein anderer Supermarkt hat zum Beispiel Ware vom bekannten Wiesbadener Metzger Rembser. Oder Bierstadter Gold-Bier. 17 Lieferanten kommen aus dem direkten Umfeld, 80 Landmark-Lieferanten aus der Region, die gleiche Anzahl noch einmal aus Hessen. Von den rund 23.000 Artikeln im Sortiment sind derzeit etwa 2.000 regional und lokal. Deren Umsatzanteil liegt in den ersten Wochen überproportional bei etwa 22 Prozent.

Aber das reicht immer noch nicht: Zizek spürt Trends nach. Naheliegend und relativ einfach erscheint der Aufbau eines US-amerikanischen Sortiments. Die Kasernen der Amerikaner liegen in der Nachbarschaft. Aber Frühstückscerealien aus Amerika („Reese’s Puffs“, „Lucky Charms“, „Warheads“), die Packung für 11, 12 Euro, muss man erst mal verkaufen. Und zwar nicht nur an Amerikaner.

Zizek will auch junge Konsumenten erreichen. Der Fußballfan unterwegs bei Insta, Youtube und Tiktok? „Nein“, lacht er, „dafür hab ich meine Töchter.“ Die – Mia (14 Jahre alt), Luisa (9) und Lina (5) – versorgen ihn mit den Informationen zu angesagten, von Influencern promoteten Artikeln. Die müssen dann nur beschafft werden. Aber Zizek ist auch selbst sehr rührig, informiert sich, spricht mit den Menschen und: holt sich auch Infos aus der Lebensmittel Praxis. Mittlerweile hat er da so einige „Schätzchen“ im Sortiment. Öle von den Ölfreunden zum Beispiel oder Ailaike Iced Tee. Aber es wird auch viel selbst hergestellt: Pesto zum Beispiel. Oder Bratwurst. Und bald gibt es eigenen Honig – ein Bienenhaus vom örtlichen Imker steht am Markt. Auch Besonderes findet sich: Voelkels Haferdrink gibt es normalerweise nur im Reformhaus. Und eine Milchzapfanlage, die millimetergenau abrechnet, ist sehr kundenorientiert. Dass es Nusscreme-Automaten, eine Orangensaftpresse, eine offene Produktionsküche, Self-Scanning, ein großes Angebot loser Ware zum Selbstabfüllen und noch einiges mehr gibt, unterstreicht das Bild eines durchdachten Supermarktes.

Ein wichtiger Bestandteil des Konzepts in Erbenheim ist auch der Abholservice. Von der Pandemie zusätzlich angestoßen, kann online und per App bestellt werden, in einem verabredeten Zeitfenster kann die Bestellung dann fertig verpackt abgeholt werden. Das bringt neue und zusätzliche Kunden.
Eine der wichtigsten Aufgaben für Zizek ist aber die Formung eines schlagkräftigen Mitarbeiter-Teams. Das ist eine Herausforderung – 65 Köpfe bei 32 Vollzeitstellen sind derzeit besetzt. Dass gerade Schlüsselpositionen die neuralgischen Punkte in einem Team sind, weiß Zizek genau. Dafür hält er die Augen offen.

Wie gewöhnt sich der Marktleiter an den neuen Standort? Zizek wohnt mit seiner Frau Svenja in Kelkheim, etwa eine halbe Autostunde von Wiesbaden-Erbenheim entfernt. Da ist es gar nicht so schwer, Kontakte in die Gemeinde zu schaffen. Zu den eher üblichen sozialen Hilfen für Vereine und Ähnlichem liegt ihm ein Projekt besonders am Herzen. Gleich neben dem Markt befindet sich ein Hospiz für Kinder und Erwachsene. Hier soll es eine ganze Reihe von unterstützenden Aktionen geben.
Zukunftspläne? Erst mal den Markt ans Laufen bringen und dann richtig etablieren. Wohl fühlt sich Zizek sichtbar im Erbenheimer Green-Farming-Markt der Rewe. Und fast schon heimisch. Da hilft das Logo der Frankfurter Eintracht im Treppenhaus auch ein wenig.

Fakten im Focus

1.510,9 qm Verkaufsfläche
65 Mitarbeiter im Markt, davon 32 Vollzeit
23.000 Artikel im Sortiment, davon 2.000 lokal und regional
800.000 Basilikumpflanzen sollen pro Jahr auf der Dachfarm wachsen
20.000 Buntbarsche sollen pro Jahr gezüchtet werden

Bilder zum Artikel

Bild öffnen Green Farming: die grüne Zukunftsvision der Rewe.
Bild öffnen Stefan Zizek im Gewächshaus. Auf dem Dach des Marktes wächst Basilikum. Damit sollen über 400 Rewe-Märkte beliefert werden.
Bild öffnen Die besondere Holzkonstruktion speichert rund 700 Tonnen CO2.
Bild öffnen Parkplatz: durch besondere Anordnung möglichst wenig Fläche versiegelt.
Bild öffnen Profil im Sortiment: selber machen.
Bild öffnen Obst und Gemüse gleich am Eingang.
Bild öffnen Milchzapfanlage in der Mopro-Abteilung.
Bild öffnen Bedienungstheke mit regionalem Wurstangebot. In der Fischtheke wird demnächst selbst gezogener Barsch verkauft.
Bild öffnen Angesagt: besondere Öle.
Bild öffnen Nusscreme-Station für Selbermischer.
Bild öffnen Im Trend: amerikanische Frühstückscerealien.
Bild öffnen Kassenbereich mit Scan & Go und Self-Scanner für Eilige.
Bild öffnen Hier wachsen die Barsche heran.
Bild öffnen Wichtiges Serviceangebot: Abholstation.
Bild öffnen Bienenstock vom örtlichen Imker. Bald gibt es markteigenen Honig.

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