Mobile Payment Wettlauf der Systeme

Ob als Girogo-Karte, Yapital- oder Valuephone-App: Mobile Payment erobert den Handel. Doch welches System macht das Rennen?

Donnerstag, 12. Dezember 2013 - Management
Bernd Liening
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Die Vielfalt unterschiedlicher Zahlungssysteme, die um die Gunst von Verbrauchern und Handel werben, nimmt laufend zu. Aktuell liefern sich vor allem verschiedene Lösungen für kontaktloses Zahlen am Checkout ein Wettrennen. Zum einen bringen sie den vom Handel erwarteten Innovationsschub. Zum anderen aber besteht die Gefahr, dass viele verschiedene Systeme die erhofften Nutzeffekte ausbremsen. Ulrich Binnebößel, Experte für Zahlungssysteme beim HDE, gibt zu bedenken, dass ein Zahlungssystem seinen vollen Nutzen für Händler und Verbraucher erst dann entfaltet, wenn es auf beiden Seiten ausreichend viele Anwender findet. In den Versprechen der Systemanbieter wird zwar stets die Praxistauglichkeit für den Massenzahlungsverkehr betont, aber von den neueren Lösungen hat sich bislang keine auf breiter Front im stationären Einzelhandel durchgesetzt.

Fest steht: Die Kunden lieben das bequeme bargeldlose Bezahlen. Erstmals hat der Anteil des Kartenumsatzes am Gesamtmix der Zahlungsarten im deutschen Einzelhandel die 40-Prozent-Hürde überschritten, so die Zahlen des EHI Retail Institute zum Zahlungsverkehr. Der Kartenumsatz ist 2012 im deutschen Handel um 8 Mrd. Euro auf 159 Mrd. Euro gestiegen. Dabei hat die EC-Karte klar die Nase vorn. 84,5 Prozent (134 Mrd. Euro) des gesamten Umsatzes mit Zahlungskarten tätigten die Kunden mit ihrer EC-Karte. „Man kann davon ausgehen, dass der Kunde in neun von zehn Fällen an der Kasse zur EC-Karte greift und nur einmal zur Kreditkarte“, sagen die Autoren der EHI-Studie.

Vom Handel kassierte die Deutsche Kreditwirtschaft laut EHI über ihr PIN-gestütztes Girocard-System für die EC-Karten-Transaktionen im vergangenen Jahr 292 Mio. Euro an Gebühren. Seit 2012 sind diese Gebühren zwischen Handel und Banken frei verhandelbar, was mehrere große Handelsunternehmen auch nutzen. Bewegung in die Konditionen der Banken hat auch der HDE gebracht, als er ein händlereigenes Verfahren angeregt hat. Für zusätzlichen Druck dürften nun die alternativen Systeme sorgen, die ohne Karte auskommen. Unabhängig von diesen Entwicklungen sind viele Unternehmen aber auch daran interessiert, das deutlich preiswertere und bei Handel und Kunden beliebte EC-Lastschriftverfahren (ELV), das Bezahlen mit Karte und Unterschrift, beizubehalten. Immerhin wird aktuell jede dritte EC-Karten-Zahlung mit Unterschrift geleistet. Auch dieses Verfahren ist SEPA-fähig und damit für die Zukunft gerüstet.

Unter den neueren Systemen bescheinigt der Handel dem kontaktlosen sowie dem mobilen Bezahlen mithilfe von Smartphones vielversprechende Zukunftsperspektiven. Das belegt die EHI-Studie. Danach planen mehr als 70 Prozent der großen Unternehmen, in Verfahren wie kontaktlose NFC-Technologie (Near Field Communication) oder QR-Code-Scanner zu investieren. Bis zum flächendeckenden Einsatz an den Kassen der Republik und bis zur großen Akzeptanz beim Verbraucher, wie sie EC- und Kreditkarten heute haben, ist es jedoch ein steiniger Weg. So ist die 2012 mit großen Erwartungen eingeführte kontaktlose Girogo-Karte der deutschen Banken und Sparkassen bislang nicht recht vom Fleck gekommen. Lediglich im Großraum Hannover bieten Handelsunternehmen flächendeckend ihren Kunden dieses schnelle Zahlverfahren am Checkout an. Obwohl praktisch jeder Kunde eine Girogo-Card von seiner Bank erhalten hat, wird diese kaum zum kontaktlosen Bezahlen genutzt. Offizielle Zahlen zu Nutzung und Umsätzen nennt die Kreditwirtschaft nicht, was Beobachtern recht geben könnte, die den Anteil der kontaktlosen Girogo-Zahlungen im niedrigen einstelligen Prozentbereich sehen.

„Mit Mobile Payment bieten wir eine zeitgemäße Möglichkeit des Bezahlens.“
Lionel Souque, Rewe

Aus Sicht des Handels ist diese Entwicklung enttäuschend, weil Girogo eigentlich mit großen Vorteilen überzeugt. Zum einen hat in absehbarer Zeit praktisch jeder Verbraucher bundesweit eine solche EC-Karte mit NFC-Chip. Zum anderen beschleunigt das kontaktlose Zahlen den Ablauf an der Kasse. Und: „Girogo ist auch wegen seiner neuen Entgeltmodelle eine für den Handel attraktive Zahlungsalternative“, sagt Ulrich Binnebößel. Als größten Hemmschuh sehen Fachleute das umständliche Bargeld-Aufladen zum Aktivieren der kontaktlosen Geldkartenfunktion und die Begrenzung auf 20 Euro beim Bezahlen, die die Banken irgendwann allerdings auch anheben wollen. Gleichwohl hat inzwischen über die Testregion Hannover hinaus eine ganze Reihe von Händlern und Filialisten Terminals an ihren Kassen installiert, die Kunden die Nutzung von Girogo- und anderen NFC-Kartensystemen erlauben. Am Handel liegt es also nicht, dass die Technologie nicht stärker genutzt wird.

„Unsere Edeka-Kaufleute bieten den Kunden mit der Edeka-App einen exklusiven Mehrwert.“
Michael Wulst, Vorstand IT und Logistik der Edeka AG

Dass es der Handel mit Mobile Payment ernst meint, zeigen zudem verschiedene große Projekte, die er in diesem Jahr gestartet hat. Aktuell führt die Rewe Group in ihren Rewe-Supermärkten eine solche Lösung ein, und zwar für Smartphones. Deren Besitzer können dann laut Rewe „bequem, sicher und in Echtzeit an der Kasse per QR-Code bezahlen“. Partner ist der zur Otto Group gehörende Cross-Channel-Payment-Anbieter Yapital mit Sitz in Luxemburg. Und so funktioniert es: Der Kunde registriert sich einmalig mittels Smartphone oder Webbrowser und installiert die kostenlose und Passwort-geschützte Yapital-App auf dem Smartphone. Mit dieser App scannt er dann lediglich einen auf dem Kassenterminal angezeigten QR-Code ab, der den Kaufbetrag enthält, und bestätigt die Zahlung. Die Transaktion geschieht in Echtzeit.

„Es ist der Anspruch von Rewe, für die Kunden einer der innovativsten Supermarktbetreiber in Deutschland zu sein. Mit Mobile Payment bieten wir den Kunden eine weitere zeitgemäße Möglichkeit des Bezahlens“, sagt Rewe-Vorstandsmitglied Lionel Souque. Bei entsprechender Akzeptanz der Kunden wollen weitere Vertriebslinien der Rewe diesen für den Kunden kostenlosen Service anbieten. Yapital-Chairman Nils Winkler bezeichnet die Zusammenarbeit zwischen Yapital und Rewe gar als „Durchbruch des kontaktlosen Bezahlens im Offline-Retail“. Yapital bezeichnet sich als „die erste europäische, bargeldlose Cross-Channel-Payment-Lösung über alle Kanäle hinweg: stationär, mobil, online sowie per Rechnung.“ Nach der Online-Registrierung kann der Nutzer sofort über alle Kanäle hinweg mit Yapital Zahlungen vornehmen, Geld senden und empfangen. Für Geschäftskunden ist Yapital eine garantierte Zahlart. Die Lösung passt sich nach Unternehmensangaben allen besteh enden Infrastrukturen an, sowohl im Online-Shop als auch im Ladengeschäft.

Auch Edeka arbeitet an der bundesweiten Einführung einer Mobile-Payment-Lösung, die obendrein als interessante Option eine Kundenkarten- und Couponing-Funktion integriert hat. Im Juni haben zunächst in Berlin rund 100 Edeka- und Reichelt-Märkte Bezahlung per Smartphone eingeführt, danach installierte Edeka-Discounter Netto dieses System in mehr als 4.000 Filialen. Die Technologie dafür hat der deutsche Software-Dienstleister Valuephone entwickelt. „Immer mehr Verbraucher nutzen Smartphones. Unsere Edeka-Kaufleute bieten ihnen jetzt einen exklusiven Mehrwert“, sagte Michael Wulst, Vorstand IT und Logistik der Edeka AG. Neben dem Bezahlservice kann der Kunde mit der Edeka-App mobile Coupons und Gutscheine einlösen. Die wöchentlich wechselnden Coupons sind für den Kunden laufend sichtbar und werden automatisch beim Bezahlvorgang eingelöst. Damit erhalten alle Nutzer der App einen Sofortrabatt – zusätzlich zu den regulären Wochenangeboten. An der Kasse seines Ma rktes ruft der Kunde die Funktion „Bezahlen und Coupons einlösen“ in der App auf und gibt seine selbstgewählte PIN ein. Anschließend wird – je nach Angebot des Marktes – entweder ein Barcode erzeugt, der an der Kasse gescannt wird, oder eine vierstellige Nummer ausgegeben, die in die Kasse eingegeben wird. In beiden Fällen ist der Einkauf in nur wenigen Sekunden abgeschlossen. Edeka weitet diesen Service Schritt für Schritt auf weitere Metropolen aus.

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