Roundtable Nachhaltigkeit Politisches Engagement vermisst - Weitere Fragen

Immer mehr Unternehmen der Ernährungswirtschaft integrieren Nachhaltigkeitsziele in ihre Geschäftsstrategien. Welche Herausforderungen gilt es jedoch zu meistern? Und ist Nachhaltigkeit heute ein Wettbewerbsvorteil? Die LEBENSMITTEL PRAXIS diskutierte mit Branchen-Experten. Ein Fazit: Die Politik muss aktiv werden.

Montag, 07. Oktober 2013 - Management
Reiner Mihr und Bettina Röttig
Artikelbild Politisches Engagement vermisst - Weitere Fragen
„Nachhaltiges Wirtschaften kann zu Kosteneinsparungen führen und die Innovationsleistung ankurbeln.
Bildquelle: Mugrauer

Das Thema Preis wird uns mit Sicherheit auch in der Zukunft und trotz der Nachhaltigkeits-Debatten erhalten bleiben...
Ehlers:
Wir müssen den Verbraucher vor allem über Qualitäten erreichen, den Geschmacksvorteil hervorheben, um aus der Preisdiskussion herauszukommen.
Kappe: Das Preisthema wird bleiben, allerdings ist es auch heute schon Standortabhängig. Wichtig ist, dass wir das Thema in die Masse tragen.
Naumann: Es gibt drei verschiedene Käufergruppen: Die Nachhaltigkeitsaffinen, diejenigen, die nicht verstehen, worum es geht, und dann gibt es die schwankende Mittelschicht. Genau diese Unentschlossenen müssen wir erreichen. Ich bin der Meinung, wir müssen vor allem mehr nachhaltig erzeugte Produkte bewerben, den Werbe-Druck erhöhen. Vor allem jedoch ist Wirtschaftlichkeit das beste Regulativ. Wenn Händler sowie Verbraucher den wirtschaftlichen Nutzen erkennen, werden Nachhaltigkeits-Engagement und nachhaltige Sortimente einen großen Schub bekommen.
Büchel: Das Thema Nachhaltigkeit aus der Nische zu holen, ist ein Prozess, der dauern wird. Schlüsselfaktor hierbei ist die Kommunikation. Bei Bio haben wir es bereits geschafft, der Konsument versteht, worum es geht, nun geht es aber um die 95 Prozent des restlichen Sortiments. Und nach wie vor ist es nun mal so, dass Verbraucher unterschiedliche Vorstellungen von Nachhaltigkeit haben. Wir haben Kunden z. B. in Tests nachhaltige Milch einkaufen lassen. Dabei wurde schnell klar, wie groß die Unterschiede sind. Für manche ist Bio automatisch nachhaltig, für andere ist es die Glasflasche.

Wie ist die Herausforderung der Kommunikation zu meistern? Der Verdacht des Green Washing steht ja leider immer schnell im Raum.
Büchel: Wir müssen Nachhaltigkeit im Handel tatsächlich erlebbar machen, für Kunden und Mitarbeiter. Die Rewe Group macht dies unter anderem mit den Nachhaltigkeitswochen. Unser Bestreben ist es, darüber das Thema über das Jahr hinweg präsent zu halten, Verbrauchern Themen wie Bienensterben bzw. Tier- und Pflanzenschutz etc. nahe zu bringen und sie einzubinden.

Wagner: Die Tonalität ist bei der Kommunikation wichtig, das Thema muss Spaß machen. Es ist wichtig, dass der Konsument versteht, worum es geht – das große Ganze – , aber darüber hinaus müssen wir immer die Vorteile für den einzelnen Konsumenten kommunizieren.

Naumann: Ich bin der Meinung, dass Kinder und deren Eltern stärker angesprochen werden müssten. Kindern sollte bereits im ersten und zweiten Schuljahr Landwirtschaft nahe gebracht werden, um sie früh zu sensibilisieren. Wir arbeiten mit Waldschulen zusammen, ermöglichen den „erlebbaren Bauernhof“ mit Obst- und Gemüse-Bauern und Tierzüchtern. Über die Kinder erreicht man dann auch die Eltern.

Wie bereits angesprochen, muss im Handel das Thema erst einmal von allen Mitarbeitern verstanden und möglichst gelebt werden, bevor man den Verbraucher optimal erreicht. Was tun Sie hierfür?
Wagner: Wir führen konzernweit Weiterbildungsmaßnahmen durch. Zudem sind für den Großteil der Unilever-Manager weltweit die Bonuszahlungen abhängig davon, in welchem Maße sie die gesetzten Nachhaltigkeitsziele erreicht haben.

Büchel: Wir informieren und sensibilisieren unsere Mitarbeiter beispielsweise über E-Learning. Hier werden Situationen nachgestellt, die an den Alltag in den Märkten angepasst sind. Bisher haben rund 70.000 Mitarbeiter diese Programme durchlaufen. Ein wichtiger Schritt, den wir unternommen haben, ist, für die Nachhaltigkeit verantwortliche Kaufleute wie Herrn Naumann in den Regionen zu gewinnen. Gemeinsam überlegen wir regelmäßig, welche Maßnahmen wir umsetzen sollten.

Kappe: Wir müssen Nachhaltigkeit unseren Mitarbeitern, Kunden und Familien vor allem vorleben. Wir erreichen über Kindergartenaktionen beispielsweise viel. Klar ist aber auch: Mit Zwang geht es nicht.

Naumann: Alle Mitarbeiter und Kollegen mitzureißen, ist keine leichte Aufgabe. Am Anfang wird man sogar manchmal belächelt. Aber ich habe festgestellt, man muss sich Verbündete suchen, um sich gegenseitig bei der Stange zu halten, zu motivieren, auszutauschen, und man muss die Mitarbeiter einbeziehen. Ich frage regelmäßig ’wo drückt’s?’. Hier kommen dann unzählige Ideen und Anregungen zusammen, angefangen bei den Leuchtmitteln bis zu den Glastüren vor den Kühlregalen.

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Bild öffnen Roundtable: Immer mehr Unternehmen der Ernährungsbranche integrieren Nachhaltigkeitsthemen. Sie vermissen aber das Engagement der Politik.
Bild öffnen „Nachhaltiges Wirtschaften kann zu Kosteneinsparungen führen und die Innovationsleistung ankurbeln.
Bild öffnen „Wir verändern nur etwas, wenn klare Rahmenbedingungen gesetzt werden. Hier muss die Politik aktiv werden.
Bild öffnen „Nachhaltigkeit aus der Nische zu holen, ist ein Prozess, der dauert. Schlüsselfaktor ist die Kommunikation.
Bild öffnen „Nachhaltigkeit ist meiner Meinung nach nicht DER wirtschaftliche Vorteil. Aber es geht nicht ohne.
Bild öffnen „Nur über Bildung kommen wir weiter. Wir müssen Kinder wieder näher an unsere Lebensmittel heran bringen.