Im Gespräch mit W. und P. Rieländer Eine Nasenlänge voraus

Bei der Lüning-Gruppe werden die Erfahrungen aus Groß- und Einzelhandel sowie Ladenbau verzahnt. Mit regionalen und standortspezifischen Sortimenten wollen Wolfgang und Philipp Rieländer aus der Geschäftsführung das mittelständische Familienunternehmen in der Erfolgsspur halten.

Donnerstag, 11. Juli 2013 - Management
Sonja Plachetta
Artikelbild Eine Nasenlänge voraus
„Die Verankerung in der Region ist fu?r uns wichtig – auch bei Mitarbeitern. Möglichst sollte der Marktleiter aus dem Ort stammen.“ Philipp Rieländer (Bildquelle: Mugrauer)
Bildquelle: Mugrauer

Seit sechs Generationen ist die Lüning-Gruppe mit Sitz in Rietberg ein Familienbetrieb. Wolfgang Rieländer (64) ist erst der fünfte Geschäftsführer seit 1853. Er steht seit mehr als 37 Jahren an der Spitze. Sein Sohn Philipp (30) gehört der Unternehmensleitung seit dem Jahr 2009 an.

Die Lüning Gruppe wird in diesem Jahr 160 Jahre alt. Wie beurteilen Sie die Entwicklung des Unternehmens?
Philipp Rieländer: Die Entwicklung von Lüning zeichnet sich durch ein beständiges und gesundes Wachstum aus. Das ursprüngliche Großhandelsgeschäft wurde sukzessive ausgebaut und um die Sparten Einzelhandel in eigener Betreibung und Ladenbau ergänzt. Heute begrüßen wir jährlich 10 Mio. Kunden in unseren 30 Einzelhandelsfilialen. Wir beliefern mehr als 800 Großhandelskunden in Deutschland und Ladenbau-Kunden in ganz Europa. Damit ist die Lüning-Gruppe vielseitig um den Kernbereich des Handels aufgestellt.

Welche Sparte ist derzeit am erfolgreichsten?
Philipp Rieländer: Jeder Geschäftsbereich ist es auf seine Weise. Im Großhandel beliefern wir den selbstständigen Einzelhandel und Tankstellen seit Jahren erfolgreich. Aktuell gewinnen wir zudem viele Kunden mit individuellen Vertriebsformaten hinzu. Dazu zählen vor allem Formate mit türkischstämmiger Betreibung. Bei deren Kunden vollzieht sich ein Generationswandel, die jüngeren Kunden fragen verstärkt deutsche Produkte nach, welche wir liefern. Im Einzelhandel in eigener Betreibung hatten wir im vergangenen Jahr bei allen 30 Märkten eine positive Entwicklung. Diese Konstanz hat uns sehr gefreut. Daher würden wir gerne weitere Märkte eröffnen, aber es wird immer schwieriger, an gute, genehmigungsfähige Standorte zu kommen. In der Sparte Ladenbau ist unsere Strategie, Neukunden im filialisierenden Einzelhandel zu gewinnen, in letzter Zeit sehr erfolgreich aufgegangen.

Wie stark wollen Sie im LEH expandieren?
Philipp Rieländer: Grundsätzlich trauen wir uns eine Expansionsgeschwindigkeit von einem Markt pro Jahr zu. Das können wir von Investition und Personal her sehr gut stemmen. In diesem Jahr steht jedoch die großflächige Modernisierung eines E-Centers im Fokus.

160 Jahre Lüning-Gruppe
Der Weg vom Versandhandel fu?r westfälische Spezialitäten zur regionalen Größe.

Im Jahr 1853 gründete Bäckermeister Max Lüning einen Versandhandel für westfälische Spezialitäten, vertrieb Bauernbutter, Schinken und Pumpernickel, ehe er zusätzlich ein Kolonialgeschäft mit Bäckerei und eine Gastwirtschaft in Rietberg eröffnete. Seine Tochter Katharina und Schwiegersohn Heinrich Rieländer übernahmen 1881 das Unternehmen. Bis heute ist die Max Lüning GmbH & Co. KG in Familienhand. Allerdings hält die Edeka Minden-Hannover seit 1989 eine Beteiligung von 49 Prozent.

Die Lüning-Gruppe machte nach Angaben von Trade Dimensions 2012 einen Brutto-Umsatz von 458 Mio. Euro, exklusive der Ladenbausparte (das Unternehmen selbst gibt keine Zahlen heraus). Als Großhändler beliefert Lüning etwa 400 selbstständige Händler, darunter 75 Läden zwischen 400 und 800 qm, die das Lüning-eigene Frischmarkt-Konzept nutzen. Zudem gehören 400 Tankstellen zu den Kunden. In Einzelhandel betreibt die Lüning-Gruppe 30 Filialen. Sie teilen sich auf in 3 E-Center, 17 Elli-Märkte und 10 Nonfood-Märkte, sogenannte SB-Center. Im Ladenbau zählen Rossmann und Fressnapf zu den Kunden.

Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis, um sich in dem Markt zu behaupten?
Wolfgang Rieländer: Die Beteiligung der Edeka Minden-Hannover ist von Vorteil. Wir sind ausgestattet mit den Konditionen eines Großunternehmens und paaren das mit der Flexibilität eines Mittelstandsunternehmens. Darüber hinaus ist die Edeka ein handelserfahrener Mitgesellschafter, mit dem wichtige Entscheidungen gemeinsam erarbeitet und getroffen werden können.

Philipp Rieländer: Eine wichtige Säule des Erfolgs ist die Tatsache, dass wir selber Großhändler, Einzelhändler und Ladenbauer in einem sind. Durch unsere flachen Hierarchien ist dieses breite Handelswissen im gesamten Unternehmen präsent. Diese Verzahnung von Know-how fließt bei jeder Beratung von Kaufleuten, Ladenbaukunden und der Konzeption der eigenen Märkte mit ein. Und davon profitieren in erster Linie unsere Kunden.

Sie deklarieren im Internet Ihr Frischmarkt-Konzept selbstbewusst als „bestes Konzept am Markt“. Liegt das an dieser Verzahnung der einzelnen Kompetenzen?
Wolfgang Rieländer: Ja, diese Verzahnung gepaart mit unserer Erfahrung führt zu einem Konzept, das sicherlich von einem Wettbewerber in der Form so leicht nicht geboten werden kann.

Philipp Rieländer: Es ist ein eigens für die Bedürfnisse der Kleinfläche entwickeltes Konzept. Entscheidend bei der Umsetzung ist aber auch, dass unsere Außendienstmitarbeiter alle von der Fläche kommen und operative Markterfahrung haben. Somit können sie die selbstständigen Kaufleute optimal beraten. Konzept und Betreuung in Kombination bieten die größten Chancen, so einen Markt profitabel zu betreiben.

In vielen kleineren Orten gibt es schon gar keinen Lebensmittelmarkt mehr. Wie schafft man es, die Kleinfläche auf dem Land profitabel zu betreiben?
Philipp Rieländer: Der Nahversorger muss einen guten Betreiber und einen guten Großhändler im Rücken haben. Außerdem muss er sich mit seinen eigenen Stärken positionieren und abheben. Das kann über die Persönlichkeit des Kaufmanns als solche oder einzelne Warensegmente, wie z. B. Bäckerei, Fleisch & Wurst oder Drogerie, geschehe

Wolfgang Rieländer: Ein Erfolgsrezept gibt es dabei nicht. Man kann nicht sagen, für jeden Ort ab 1.800 Einwohnern lohnt es sich, einen Frischmarkt zu betreiben. Das hängt von den Gebieten ab – und davon, wie die Menschen den Nahversorger annehmen. Es wäre sicher auch falsch anzunehmen, dass die Nahversorgung eine große Renaissance erlebt bzw. der zukünftige Wachstumsmotor des LEH ist. Aber der gut betriebene Nahversorger hat auch weiterhin Zukunft.

Wird der demografische Wandel die Kleinflächen insofern stärken, dass die Leute wieder bewusster bei ihrem Nahversorger einkaufen, um ihn nicht zu verlieren?
Wolfgang Rieländer: Der demografische Wandel wird sich erst in den nächsten 10 bis 20 Jahren verstärkt abzeichnen. Außerdem bleiben die sogenannten Alten länger jünger. Es gibt also immer mehr 80-Jährige, die in der Lage sind, sich ins Auto zu setzen und zum größeren Supermarkt zu fahren. Die Auswirkungen des demografischen Wandels auf die Wahl der Einkaufsstätte sollte man daher nicht überbewerten.

Sie betreiben E-Center, führen die Edeka-Eigenmarken. Woran erkennt der Kunde, dass er in einem Lüning-Markt ist und nicht in einem Edeka-eigenen Betrieb?
Philipp Rieländer: Für unsere Kunden ist dies besonders im Frischebereich erkennbar, weil wir dort regional viel selber einkaufen. Etwa 100 Artikel der Warengruppen Obst und Gemüse, Fleisch und Wurst sowie Backwaren heben sich auch durch unsere Eigenmarke „Lüning-Qualitätsprodukte“ hervor. Grundsätzlich ist das Sortiment eines Lüning-Marktes durchaus mit einem Edeka-Markt vergleichbar.

Wolfgang Rieländer: Wir vergeben das Lüning-Siegel unserer Eigenmarke nur an Produkte, von deren Qualität wir besonders überzeugt sind. Meist stammen sie von regionalen Lieferanten. Das stärkt das Vertrauen des Kunden in das Produkt.


Spielen Sie gezielt die Regionalitätskarte, um die Marke Lüning zu positionieren?
Philipp Rieländer: Die Verankerung in der Region ist für uns wichtig – übrigens auch bei den Mitarbeitern. Beispielsweise versuchen wir immer, dass der Marktleiter aus dem jeweiligen Ort oder der näheren Umgebung kommt, um Nähe zu signalisieren. Nicht nur die Familie Rieländer, sondern das ganze Unternehmen soll die regionale Verwurzelung leben und dies für den Endkunden erlebbar machen. Und da sind wir auf einem sehr guten Weg

Hilft es für die Glaubwürdigkeit, dass die Familie Rieländer seit sechs Generationen für das Unternehmen steht?
Wolfgang Rieländer: Glaubwürdigkeit muss man sich jeden Tag erneut erarbeiten. Ich glaube daher nicht, dass ein Kunde nur zu uns kommt, weil wir ein 160-jähriges Traditionsunternehmen sind. Das Angebot muss für den Kunden stimmen. Der Endverbraucher sucht die Einkaufsstätte, in der er sich wohlfühlt und das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt. Unser Bestreben ist es deshalb, für unsere Kunden attraktiv zu sein und unseren Wettbewerbern immer eine Nasenlänge voraus zu sein. Und das schafft ein mittelständisches Unternehmen vielfach besser als ein Großunternehmen, weil wir unsere Sortimente gezielter auf den Standort abstimmen können. Es gelingt uns fast immer, am jeweiligen Standort die Nummer 1 zu sein – auch bei unseren Standorten in den neuen Bundesländern.

Was sind die Gründe dafür, dass Sie fast überall die Nase vorn haben?
Philipp Rieländer: Das haben wir unseren Mitarbeiter auf der Fläche zu danken. Sie sind in ihrer täglichen Arbeit nah am Kunden und richten ihren Markt auf dessen Bedürfnisse und Interessen aus. Das geht vom Sortiment über die Serviceangebote bis hin zu Kundenevents. Durch diese Gestaltungsfreiräume, welche unsere Märkte haben und nutzen, können wir auch als filialisierendes Unternehmen fast wie ein selbstständiger Kaufmann agieren.

Wolfgang Rieländer: Außerdem kümmern wir uns seit Jahren um das Thema gesunde Ernährung, was der Kundenbindung dient. Unser Ziel ist es, unseren Kunden ein Angebot zu bieten, welches ihnen eine gesunde Ernährung ermöglicht und sie dabei unterstützt.

Was tun Sie beim Thema gesunde Ernährung konkret?
Wolfgang Rieländer: Viele Kunden wissen, wenn sie vor einem Regal stehen, gar nicht, was gesunde Ernährung konkret bedeutet. Um sie dabei zu unterstützten, haben wir zum einen in jedem unserer Märkte eine Ernährungsfachkraft. Zum anderen gibt es in unseren Märkten gezielte Hinweise, worauf bei einzelnen Produktgruppen zu achten ist, z. B. auf die Kaltpressung beim Öl. Daran kann sich der Kunde, der auf gesunde Ernährung achten will, bei seinen Einkauf orientieren. Das wollen wir noch weiter ausbauen. Hierbei kommt uns der demografische Wandel zugute. Denn erfahrungsgemäß machen sich die Menschen ab 40 oder 50 eher Gedanken über ihre Zukunft und dementsprechend um gesunde Ernährung als die Jüngeren.

Wie sieht es bei Ihnen mit Convenience-Angeboten aus?
Philipp Rieländer: Ein spannendes Sortiment mit viel Potenzial. Vor allem bei Obst und Salaten nimmt das immer weiter zu. Bislang haben wir hier auf eigene Herstellung in der Märkten gesetzt. Aufgrund der größeren Nachfrage arbeiten wir jetzt mit einem regionalen Hersteller zusammen, der die Produkte für unsere Lüning-Eigenmarke nach unseren Rezepturen herstellt. Insgesamt werden in unserer ländlichen Region außer Ready-to-eat-Artikeln auch Ready-to-cook-Produkte sehr stark nachgefragt. Beides sind große Wachstumsfelder.

Was ist die größte Herausforderung für Lüning für die nächste Zeit?
Philipp Rieländer: Aufgrund der Expansion in den vergangenen Jahren werden wir die Kapazitäten unseres Logistikzentrums um 20 Prozent erweitern. Dieses Projekt wird uns noch bis einschließlich 2014 begleiten.

Bilder zum Artikel

Bild öffnen An eine Renaissance der Kleinfläche glauben Wolfgang (r.) und Philipp Rieländer nicht, wohl aber an ihr Frischmarkt-Konzept für kleine Läden. (Bildquelle: Mugrauer)
Bild öffnen „Die Verankerung in der Region ist fu?r uns wichtig – auch bei Mitarbeitern. Möglichst sollte der Marktleiter aus dem Ort stammen.“ Philipp Rieländer (Bildquelle: Mugrauer)
Bild öffnen „Es gelingt uns fast immer, am jeweiligen Standort die Nummer 1 zu sein.“ Wolfgang Rieländer (Bildquelle: Mugrauer)